Hamburg . Händler klagen weiter über sinkende Umsätze und Verzögerungen. Bezirk freut sich derweil über eine mögliche große Auszeichnung.
Für die einen bedeutet der 7,5-Millionen-Euro-Umbau der Osterstraße vor allem Unannehmlichkeiten: Geschäftsleute und Anwohner klagen über Baulärm, weniger Kundschaft und Umsatzeinbußen – die Großbaustelle zerrt an ihren Nerven. Für die anderen ist der Umbau der beliebten Einkaufsstraße im Herzen Eimsbüttels schon jetzt ein Erfolg. Denn das Projekt, das im Sommer 2017 abgeschlossen sein soll, hat nun Aussichten auf eine besondere Auszeichnung. Zur Freude der Stadt und des Bezirkamts Eimsbüttels gab die Wirtschaftsbehörde am Mittwoch bekannt, dass die Osterstraßen-Umgestaltung für den Deutschen Verkehrsplanungspreis 2016 nominiert ist.
Die Gewerbetreibenden und Anwohner tröstet das nicht. Auch wenn sich viele auf die neue Flaniermeile mit Bäumen auf Verkehrsinseln, neuen Platten auf den Fußwegen und Radfahrern auf der Straße freuen, stehen für sie momentan die Unannehmlichkeiten im Vordergrund. Denn die Großbaustelle, die seit Oktober 2015 das Gesicht des Kerngebiets prägt, bedeutet für Händler, Zulieferer und Bewohner des Quartiers eine große Belastung. Bereits im März hatten Geschäftsleute quer durch alle Branchen hinweg über fallende Umsätze geklagt, ein Schuhladen hatte sogar dicht gemacht.
Edeka-Markt an der Osterstraße hat 25 Prozent weniger Kunden
„Auch uns trifft es enorm hart“, sagt Frank Ebrecht, Prokurist beim Unternehmen Niemerszein & Co, das in Hamburg acht Edeka-Filialen betreibt. „Unser Markt an der Ecke Osterstraße/Heußweg hat seit Jahresbeginn 60.000 Kunden weniger zum Vorjahr“, sagt er. Aktuell seien es rund neun Prozent weniger Kunden. Offiziell ist der Bauabschnitt, der auch die markante Karstadt-Kreuzung betrifft, bereits seit Wochen fertig. „Aber vor unserem Laden stehen immer noch Baken, die die Kunden abschrecken“, so Ebrecht. Auch der Supermarkt-Eingang am Heußweg sei länger versperrt gewesen als geplant, Pflasterarbeiten hätten sich verzögert und für kleinere Tätigkeiten seien nach wie vor immer wieder Bauarbeiter vor Ort.
Sein Vorwurf lautet: Vor dem Abschluss des einen Bauabschnitts ist bereits der nächste zwischen Heußweg und Emilienstraße aufgemacht worden. Dieser betrifft auch die andere Eimsbütteler Edeka-Filiale. „Dort haben wir aktuell 25 Prozent weniger Kunden“, sagt Ebrecht. Das Unternehmen könne die Durststrecke überstehen. „Aber an die vielen Einzelhändler will ich gar nicht denken.“
Zudem kritisiert der Prokurist, dass der Zeitplan nicht eingehalten wird und die Bauarbeiten bereits mindestens einen Monat zurückliegen. Das sei auch Ende Juni in einer Runde mit Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) und den Bauplanern thematisiert worden.
Sevecke: "Die Alternative wäre ein Nicht-Umbau"
Fakt ist: Bisher hieß es stets, dass nach der Fertigstellung der Karstadt-Kreuzung spätestens im Juni die linke Seite stadteinwärts des Abschnitts Heußweg bis Emilienstraße fertig sein wird und im August die rechte Seite. Nach einem aktuellen Bauablaufplan der Behörde soll die linke Seite nun aber erst Ende Juli fertig sein, auf der rechten Seite starten die Arbeiten im August.
Von Verzögerungen will Eimsbüttels Bezirksamtssprecher Elmar Schleif jedoch nichts wissen. Zurzeit könne man nicht von Verzögerungen oder Verspätungen sprechen, da die Bauabschnitte ineinander greifen würden und "so die Verzögerung des Endes eines Bauabschnitts nicht die Verzögerung der gesamten Baumaßnahmen bedeutet." Schleif: "Wir sind nach wie vor im Gesamt-Zeitplan. Nur wenn wir das endgültige Fertigstellungsziel im Sommer 2017 nicht einhalten sollten, kann man von Verzögerung sprechen."
Deutlicher wird Bezirksamtschef Sevecke: „Bei einer Baustelle dieser Größenordnung ist es nicht ungewöhnlich, dass es zu Verzögerungen von ein paar Wochen kommt." Immerhin werde auf einer Strecke von etwa einem Kilometer gebaut. „Solch eine Grundinstandsetzung gibt es nur alle 50 Jahre“, betont Sevecke. „Die Alternative wäre ein Nicht-Umbau – und das ist keine Perspektive für die Osterstraße.“
Bis zum Weihnachtsgeschäft soll das meiste geschafft sein
Ziel sei, dass der Umbau bis zum Schulweg spätestens zum Weihnachtsgeschäft, also Mitte November, fertig gestellt sein soll, sagt Torsten Sevecke. „Spätestens dann wollen wir Verkehrsbehinderungen durch Bauarbeiten auf das absolute Minimum reduziert haben“, sagt er. Dass bis dahin immer mal wieder Baumaterial oder Absperrungen an Orten abgestellt würden, wo die Arbeiten ansonsten größtenteils beendet seien, bliebe nicht aus.
Zudem gibt es immer Unverhersehbares. Etwa kleinere Nacharbeiten, die erst später als geplant stattfinden können. Grund dafür ist laut Bezirkschef, dass es an der Osterstraße sowohl öffentlichen als auch privaten Raum gibt. „Bei Arbeiten auf privaten Flächen müssen jedoch auch Hausverwalter, Eigentümer und Pächter miteinbezogen werden“, sagt Sevecke. Diese Abstimmungen können mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen.
Jeder Tag Baustelle bedeutet Verlust für Händler
Die Geschäftsleute an der Einkaufsstraße hoffen indes, dass die Bauphase vor ihrer Tür schnell beendet ist. „Denn jeder Tag Baustelle bedeutet Verlust“, sagt Niemerszein-Prokurist Frank Ebrecht. „Und wir hoffen, dass die Besucher der Osterstraße später gerne an der neu gestalteten Einkaufsstraße verweilen. Und mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen." Denn etwa die Hälfte der bisherigen Parkplätze wird es dann nicht mehr geben.
Was die Gewerbetreibenden ärgert, freut wiederum andere. Denn auch die Reduzierung der Parkplätze hat damit zu tun, dass das die Osterstraßen-Umgestaltung nun vielleicht mit dem Deutschen Verkehrsplanungspreis 2016 ausgezeichnet wird. Mit dem Preis würdigt die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) in Berlin beispielhafte Verkehrslösungen "zur Stärkung und Förderung von nachhaltiger Mobilität" auf Hauptverkehrsstraßen – Projekte, die einen "Beitrag zur Rückgewinnung der Straße als Aufenthaltsraum für alle Menschen leisten".
Der Osterstraßen-Umbau ist eines von drei nominierten Projekten, die Mitbewerber stammen aus Kassel und Rudersberg. „Wir freuen uns sehr, dass die Umgestaltung der Osterstraße deutschlandweit Anerkennung erhält“, sagte Staatsrat Andreas Rieckhof am Mittwoch. Von der integrierten und nachhaltigen Planung profitierten vor allem die Fußgänger. „Sie bekommen mehr Platz und ein deutlich angenehmeres Umfeld.“ Der Sieger des Wettbewerbs wird übrigens am 13. Oktober 2016 gekürt – wenn auf der Osterstraße noch Baustellenatmosphäre herrscht.