Hamburg. Einzugstermin war mehrfach verschoben worden. 190 Menschen aus Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea sollen bis nächste Woche einziehen
Nach monatelangem Rechtsstreit um ein Flüchtlingsheim im Hamburger Nobelviertel Harvestehude sind die ersten Bewohner in das ehemalige Kreiswehrsatzheim eingezogen. Insgesamt wurden am Mittwochvormittag 47 Frauen, Männer und Kinder mit einem Bus von einer Erstaufnahme im sozial schwierigen Stadtteil Wilhelmsburg an die villengesäumte Sophienterrasse 1A gebracht. Die übrigen 143 Bewohner sollen bis kommende Woche aus verschiedenen Erstaufnahmeeinrichtungen kommen und in die 23 Wohnungen einziehen, sagte die Sprecherin der städtischen Betreibergesellschaft Fördern und Wohnen, Susanne Schwendtke. Die meisten von ihnen stammten aus Syrien, Irak, Afghanistan und Eritrea.
Dem Einzug war ein juristischer und auch politisch Streit vorausgegangen, in den sich auch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) einschaltete. Als Anwohner Anfang 2015 erfolgreich vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bau der Flüchtlingsunterkunft in dem Villenviertel geklagt hatten, erklärte der Regierungschef, er werde diese Entscheidung nicht hinnehmen. „Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass Unterkünfte für Flüchtlinge in einigen Stadtteilen möglich sind und in anderen nicht“, sagte er.
Doch die drei Kläger bekamen auch in zweiter Instanz Recht. Erst im September 2015 verständigten sie sich dann nach einem gescheiterten Vergleichsversuch im Mai mit dem zuständigen Bezirksamt Hamburg-Eimsbüttel außergerichtlich auf einen Kompromiss: Danach ziehen statt rund 220 nur 190 Flüchtlinge befristet auf maximal zehn Jahr in das seit 2012 leerstehende Gebäude. Außerdem wurde ein Zaun um das Heim gezogen, blickdichte Milchgläser wurden in einigen Zimmer eingebaut.
Ein Stück Torte kostet 5,70 Euro
In welcher Umgebung die Flüchtlinge nun lebten, sei den meisten Bewohnern gar nicht bewusst, sagte Heimleiterin Caroline Smolny. Denn im Inneren des für 2,8 Millionen Euro umgebauten rund 15 Millionen Euro teuren früheren Kreisersatzamts seien die Zimmer wie überall in Flüchtlingsunterkünften. Kein Vergleich also zur direkten Umgebung, wo für eine Wohnung mit Alsterblick bis zu 18.000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen werden und in einer Konditorei um die Ecke ein Stück Torte 5,70 Euro kostet, wie auf einer Einwohnerversammlung angemerkt wurde.
Zeit für große Erkundungsgänge der Neu-Harvestehuder gebe es vorerst nicht, sagte Smolny. Denn nach dem Einchecken und der Entgegennahme etwa der Begrüßungsordner, der Geschirrpakete und auch der Beutel für die Mülltrennung müssten die Bewohner erst einmal aufs Amt. „Die Leute müssen nach dem ganzen Papierkram direkt zum Amt, um registriert zu werden“, sagte Smolny.
In den Wohnungen wird nach Nationalitäten sortiert
Insgesamt soll das Heim am Ende zu 80 Prozent mit Familien belegt sein. „Wir haben versucht, ein bisschen nach Nationalitäten zu sortieren“, sagte Smolny. Aber spätestens bei den alleinstehenden Männern gehe das nicht mehr. „Da wird eine bunte Mischung in einer großen WG sein.“ Wichtig sei aber nun vor allem, dass die aus der Erstaufnahme kommenden Menschen jetzt etwas Privatsphäre bekämen. „Alles andere wird man dann schon sehen.“
Jalal Al Omar aus Syrien ist auf jeden Fall zuversichtlich. Der 40-Jährige kam vor sieben Monaten mit seinem 37 Jahre alten Bruder nach Deutschland und ist bislang sehr zufrieden mit seiner neuen Heimat und auch mit seiner neuen Unterkunft. „Ich habe ein Zimmer mit meinem Bruder. (...) Ich bin sehr glücklich hierhergekommen zu sein.“ Dass er jetzt in einer sehr reichen Umgebung lebe, wo schon einmal Modezar Karl Lagerfeld das Innendesign der Wohnungen gestaltet, sei ihm nicht bekannt. Er hoffe aber, dass die Flüchtlinge und Nachbarn gut miteinander klar kämen. In das Flüchtlingsheim im Hamburger Nobelviertel Harvestehude sind am Mittwoch nach langem Rechtsstreit die ersten Flüchtlinge eingezogen. Unterstützer empfingen sie mit Willkommensschildern.