Eimsbüttel. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke will heute im Amt bestätigt werden. Über vergeigte Referenden und Fahrradstraßen.

Achter Stock, Grindelhochhaus, Ordnungsliebe im Chefbüro: Alles hat seinen Platz, nur ein Familienfoto gönnt sich Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke als persönliche Note. Seit sechs Jahren führt er nun das Amt, heute soll ihn die Bezirksversammlung wiederwählen. Trotz rot-grüner Mehrheit gibt sich Sevecke demütig, wolle der als sicher geltenden Wahl nicht vorgreifen – das Olympiareferendum und seine Folgen. Der 53 Jahre alte Sozialdemokrat hat in seiner ersten Amtszeit drei Regierungen, drei Bürgermeister und etliche Staatsräte erlebt. Er sei vorsichtiger geworden, nicht nur deshalb.

Hamburger Abendblatt : Herr Sevecke, wir nehmen an, Sie sind mit dem Rad gekommen?

Torsten Sevecke: Vollkommen richtig.

Haben Sie überhaupt ein Auto?

Sevecke : Nein. Ich bin jetzt 53 und habe noch nie ein Auto besessen. Meine Frau hat eins, ich brauche keins.

Ihren Dienstwagen nehmen Sie immer noch nicht in Anspruch?

Sevecke : Nein, das war eine der besten Entscheidungen als Bezirksamtsleiter. Sechs Jahre bin ich nun beruflich mit dem Rad unterwegs. Und ich habe keinen Tag davon bereut.

Für die Fahrradstraße am Harveste­huder Weg gab es trotzdem Kritik.

Sevecke : Ich glaube, dass der Autoverkehr in der Stadt an seine Grenzen gelangt ist, was auch dazu führt, dass die Stimmung kippt. Auf allen Seiten, bei Fußgängern, Rad-, Autofahrern. Das ist Mist. Und am Harvestehuder Weg sieht man das am besten. Es ist wie ein Ringen um die Vormachtstellung. In Wahrheit muss man fragen: Wie sortieren wir den begrenzten öffentlichen Raum, dass beide Interessen zueinanderfinden? Da müssen wir viel nachholen.

Wollen Sie Radfahrer weiter privilegieren?

Sevecke : Nein, momentan würde ich eher sagen: separieren. Aber eine Patentlösung habe ich auch nicht. Ich bin wirklich gespannt auf das Ergebnis des Osterstraßen-Umbaus. Da nehmen wir die Radfahrer vom Fußweg auf die Straße, zusammen mit Bussen und Autos. Mal sehen, ob das klappt. Man muss jetzt einfach erproben, was richtig ist. Fakt ist: Alle müssen sich umgewöhnen, Radfahrer, Autofahrer, Fußgänger.

An welche Niederlagen mussten Sie sich in Ihrer Amtszeit gewöhnen?

Sevecke : Schwierig war der Wegzug von Tesa nach Norderstedt, da hat Eimsbüttel 600 Arbeitsplätze auf einen Schlag verloren. Auch die verlorenen Bürgerentscheide zum Isebekgrünzug und zum Eidelstedt Center waren bitter. Beim Isebekgrünzug etwa ist es uns in sechs Jahren immer noch nicht gelungen, einen begehbaren Zustand im Herbst und Winter herzustellen. Sobald es regnet, ist das eine Schlammzone im Herzen Eimsbüttels. Das geht nicht.

Was ging noch nicht?

Sevecke : Die Urteile zu den Flüchtlingsunterkünften Offakamp und Sophienterrasse – da zählte der Schutz der Umgebung mehr als die Not der Flüchtlinge.

Offensichtlich ist es Ihnen mehrfach nicht gelungen, die Bürger zu überzeugen.

Sevecke : Diese Frage treibt mich wirklich um: Warum konnten wir keine überzeugende Lösung zur Abstimmung stellen? Das Grundgefühl am Isebek war: Ihr dürft keine Bäume fällen. Beim Eidelstedt Center war die Haltung eines pragmatischen Verwaltungsbeamten: Es werden fünf, sechs Bäume fallen, dafür gibt’s ein neues Einkaufszentrum. Ende.

Aber?

Sevecke: Das hat aber die emotionale Lage in Eidelstedt, die emotionale Lage in ganz Eimsbüttel nicht getroffen.

Wieso entscheiden sich Hamburger so häufig gegen das, was die Politik vorhat?

Sevecke : Bei Bürgerentscheiden oder auch beim Olympiareferendum ist die Gefühlslage wichtiger. Anders als bei einer politischen Wahl über Parteien.

Torsten Sevecke: „Wir haben die emotionale Lage der Bürger nicht getroffen.“
Torsten Sevecke: „Wir haben die emotionale Lage der Bürger nicht getroffen.“ © HA | Michael Rauhe

Haben Sie noch sehr am Nein für Olympia zu knabbern?

Sevecke : Ja, es hätte auch Eimsbüttels Sportanlagen nach vorn gebracht. Die Eislauf- und Radrennbahn in Stellingen ist marode und braucht ein neues Dach. Im Rahmen der Olympiabewerbung wäre das eine sensationelle Infrastrukturleistung gewesen, die wir quasi umsonst bekommen hätten. Ich weiß nicht, wie wir nun das Geld aufbringen sollen, um die Halle zu retten. Das Gleiche gilt für die Tennisanlage Rothenbaum.

Was machen Politik und Verwaltung beim Umgang mit Bürgerentscheiden falsch?

Sevecke : Dieses Grundgefühl der Bürger haben wir nicht richtig betrachtet.

Wie nimmt man Menschen besser mit?

Sevecke : Das kann ich pauschal nicht beantworten, aber ich kann sagen, was wir seitdem gelernt haben.

Und zwar?

Sevecke : Wir haben uns für einen längeren Weg entschieden. Bei der Uni-Bebauung, dem größten Vorhaben, haben wir erst die Bürger gefragt. Wir haben gesagt: Das ist der Rahmen, aber was wollt ihr eigentlich? Erst dann haben wir einen städtebaulichen Wettbewerb gemacht, bei dem die Ideen der Anwohner Grundlage waren und wir den Senat das erste Mal überzeugen konnten, dass Bürger stimmberechtigt in der Jury sitzen. Solange man im Gespräch bleibt, wird es keine Bürgerentscheide geben. Davon bin ich überzeugt.

Bei Flüchtlingsunterkünften haben Sie diese Zeit nicht. Als Quittung kassieren Sie Urteile mit Baustopps.

Sevecke : Ich habe gelernt, dass wir uns um das Planrecht kümmern müssen. Der Erfolg an der Sophienterrasse basierte auf der beabsichtigten Änderung des Bebauungsplans. Und das ist interessant, da die Gerichte ihre Haltung nicht aufgeben werden.

Kommen wir zu den Erfolgsgeschichten: Gibt’s da welche?

Sevecke : Klar, der Umbau der Uni und dass sie überhaupt in Eimsbüttel geblieben ist. Das neue Hotel Fontenay an der Alster wird cool. Beiersdorf und NXP erweitern ihre Produktions- und Forschungsstätten. Und dass es mit einem Vergleich zur Flüchtlingsunterkunft an der Sophienterrasse geklappt hat, habe ich nicht für möglich gehalten. Genau wie die Neugestaltung des Isebekgrünzugs, die nach einem runden Tisch im Jahr 2016 möglich wird. Erfolge sind auch die Entwicklung am Sportplatzring in Stellingen oder am Zentrum Eidelstedt, wo gute Ideen der Bürger nach dem Desaster des Bürgerentscheids berücksichtigt werden. Wir haben stabil mehr als 1000 Wohnungen pro Jahr gebaut, fast 6000 in den Stadtteilen. Ich finde, das kann sich sehen lassen.

Das dunkelste Kapitel Ihrer Amtszeit war dagegen der Tod von Yagmur vor zwei Jahren, als auch ihr Jugendamt involviert war – hat Sie das verändert?

Sevecke : Der Tod des kleinen Mädchens war schockierend. Das war ausgesprochen schwierig. Ich habe das erste Mal in meinem Leben vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gesessen. Die Konfrontation damit, dass ich am Ende nicht nur die Verantwortung für das Leben von Menschen, sondern auch für ihren Tod habe, hat mich in meiner Amtsführung, die vorher sport­licher und unbedarfter war, auf die Re­alitäten zurückgeführt. Da habe ich Respekt bekommen. Seit Yagmur bin ich viel vorsichtiger und versuche noch mehr über Entscheidungen nachzudenken, auch über den Einsatz von Mitteln und den richtigen Umgang mit Mitarbeitern.

Stichwort Mitarbeiter: Im Kundenzen­trum knirscht es mit der Terminvergabe.

Sevecke : Ich halte die Terminvergabe nach wie vor für eine richtig gute Idee, die sich bei zufriedenen Terminkunden auch auswirkt. Allerdings wartet man viel zu lange auf einen Termin, nicht nur in Eimsbüttel. Vielleicht ist es eine Frage der Ablauforganisation, vielleicht ein Gewöhnungseffekt, vielleicht bleibt die Frage, ob wir genug Personal haben.

Haben Sie genügend Personal?

Sevecke : Seit 2011 haben wir als Bezirk mehr Budget. Wegen des Tarifabschlusses heißt das aber nicht: mehr Mitarbeiter. Mit 1000 Leuten sind wir aber ordentlich aufgestellt. Nur wenn Sonderaufgaben wie die Flüchtlingsthematik auf die Bezirke zukommen, wird es eng.

Wie wollen Sie den Bezirk künftig prägen?

Sevecke : Es wird darauf ankommen, die Lebens- und Wohnqualität stabil zu halten, gar nicht so sehr darauf, das Niveau zu verbessern. Tendenziell wird das schwer genug. Hamburg wird vermutlich bald zwei Millionen Einwohner haben. Im Bezirk müssen wir dann 30.000, vielleicht 40.000 Menschen mehr auf gleichem Raum unterbringen. Dazu zählen auch Flüchtlinge. Das bedeutet, wir werden dichter und höher bauen müssen, wenn wir keine Grün­züge verlieren wollen. Ich sage weiter: Kleingärten, Parks und Sportflächen bleiben erhalten. Vor allem werden keine Schulflächen aufgegeben. Im Gegenteil: Es müssen neue hinzukommen.

Warum ?

Sevecke : Ich glaube, dass Bildung die Antwort auf die Flüchtlingsfrage ist.

Was braucht der Bezirk dringend?

Sevecke : Bei Verkehrsfragen brauchen wir dringend Zeit, Erfahrungen zu sammeln. Zeit für Bürgerbeteiligung wie jetzt an der Osterstraße. Und Zeit, das auszuwerten. Vielleicht haben wir uns in der Planung geirrt. Aber das werden wir erst hinterher im Praxistest wissen.

Was machen Sie eigentlich, wenn Olaf Scholz anruft und der Senat lockt?

Sevecke : Zunächst einmal möchte ich von der Bezirksversammlung wiedergewählt werden. Dann bleibe ich Bezirksamtsleiter. Und wenn jemand anruft, um mir eine Frage zu stellen, werde ich mich erst dann damit auseinandersetzen. Aber: Es gibt aktuell kein Szenario, in dem mir das denkbar erscheint.

Man hörte zuletzt von einem amtsmüden Innensenator.

Sevecke : Ich habe das nicht so wahrgenommen. Außerdem ist Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel das Coolste, was ich je bekommen habe. Ich wohne sieben Minuten vom Amt, hier ist mein Garten und ein Freibad mit 50-Meter-Bahn und Zehner. Ehrlich: Was will man mehr?