Hamburg . 380 Anwohner bei öffentlicher Diskussion in Harvestehude. Zustimmung, aber auch Zweifel an neuem Bebauungsplan für Flüchtlingsheim.
Draußen gab es Blitz und Donner, aber auch drinnen war die Atmosphäre aufgeheizt: Am Dienstagabend trafen Befürworter und Skeptiker einer geplanten Flüchtlingsunterkunft im feinen Stadtteil Harvestehude zusammen. „Wir wollen endlich helfen“, rief eine Anwohnerin, während ein anderer Bürger die viel zu hohen Kosten ins Spiel brachte.
Es geht mal wieder um die Sophienterrasse 1 a, früher Sitz des Kreiswehrersatzamtes und einst Zentrale des Esso-Konzerns. Nach zwei gescheiterten juristischen Auseinandersetzungen streben jetzt das Bezirksamt Eimsbüttel und die Hansestadt einen neuen Bebauungsplan an. Mit einer Änderung des Planungsrechts sollen frühestens in einem Jahr in dem maßvoll umgebauten Gebäudekomplex 200 Flüchtlinge untergebracht werden.
Rund 380 interessierte Bürger waren in die Aula des Wilhelm-Gymnasiums gekommen, bevor ein Gewitterguß Sturzbäche auslöste. Kay Gätgens, Leiter des Fachamtes für Stadt- und Landschaftsplanung, stellte zunächst die neuen Pläne vor. Zuvor aber appellierte er an die Verantwortung von Harvestude, nunmehr Flüchtlinge aufzunehmen. Im Sinne einer fairen Verteilung müsse es auch in diesem Stadtteil eine Flüchtlingsunterkunft geben, betonte er.
"Rassisten": Beifall und Missstimmung bei Wortmeldung eines Studenten
Kaum hatte Gätgens diesen Satz beendet, brandete Beifall mit Bravorufen auf. Es schien, als befänden sich die Befürworter einer zügigen Unterbringung von Flüchtlingen bei der öffentlichen Plandiskussion in der Mehrheit. Andere äußerten eher ihre Zweifel, ob das neue Vorgehen juristischen Bestand vor Gericht haben werde.
Missstimmung, aber auch Beifall löste die Wortmeldung eines Studenten der Sozialökonomie aus. Es gebe keinen Grund, den Bau zu verhindern, erklärte er in einer persönlichen Stellungnahme. Den „Rassisten“ dürfe nicht das Feld überlassen werden. Was einige der Zuhörer mit dem Satz „Das ist eine Frechheit“ quittierten.
Eine Anwohnerin hatten den wohl stärksten Applaus auf ihrer Seite, als sie beteuerte: „Wir wollen unsere Bürgerpflicht erfüllen und den Flüchtlingen unsere Hand reichen. Das kalte Herz soll weich werden. Lasst uns helfen, verdammt noch mal!“
Anwohner äußert finanzielle Bedenken
Ein Anwohner brachte danach finanzielle Bedenken ins Spiel. Jede einzelne Wohnung in der Sophienterrasse koste eine bis 1,5 Millionen Euro. Insgesamt seien das 20 bis 30 Millionen Euro. „Es wäre doch viel besser, das Geld anderswo zu investieren, wo mehr Wohnraum geschaffen werden kann.“ Die Stadt, regte der besorgte Bürger an, sollte doch dafür lieber Wohnungen für Flüchtlinge in Rahlstedt und Wandsbek kaufen. Fachamtsleiter Gätgens verteidigte die Entscheidung und fügte hinzu, dass die Sophienterrasse 1a „über Jahre“ hinweg eine Flüchtlingsunterkunft sein solle.
Vor der Plandiskussion, die bis zum Redaktionsschluss andauerte, hatten die Bürger die Möglichkeit, das Gebäude zu besichtigen. Gut 70 interessierte Anwohner hätten das Angebot genutzt, sagte Rembert Vaerst, Geschäftsführer von Fördern & Wohnen, dem Abendblatt. Aus welchen Regionen der Welt die Flüchtlinge in die geplante Unterkunft kommen werden, sei derzeit noch unklar. Vorgesehen sei eine Folgeunterbringung vor allem von Familien. Bezirksamtschef Torsten Sevecke (SPD) setzt auf Rechtssicherheit und darauf, dass der Bezirk im ersten Quartal nächsten Jahres die Baugehmigung erteilen kann.