Anwohner in Lokstedt protestieren. Sie fürchten, die Auswirkungen eines Hochwassers könnten für sie heftiger werden. Haben die Behörden geschlampt?

Hamburg. Nur hin und wieder stört eine Passagiermaschine im Landeanflug auf den Flughafen Fuhlsbüttel die Idylle. Überall leuchtet frisches Grün in der Sommersonne. Enten schwimmen gemächlich auf einem Tümpel. Wer am Ende der Straße Hagendeel entlanggeht, mag kaum glauben, dass er sich inmitten einer Großstadt befindet – so ruhig, so naturbelassen ist es hier.

Zwischen Einfamilienhäusern und einem kleinen Wäldchen liegt eine Wiese – so groß wie zwei Fußballfelder. Die Wiese ist wichtig, so erzählen Anwohner, wenn nach starkem Regen die Kollau über die Ufer tritt. Dann stehen Teile des Grundstücks unter Wasser.

Die Anwohner haben über die Jahrzehnte mit Hochwasser zu leben gelernt. Für viele schien es daher folgerichtig, als die Europäische Union 2007 das Wiesengelände zum Überschwemmungsgebiet erklärte. Dass dies bis Ende 2013 in nationales Recht umgesetzt werden sollte, schien reine Formsache.

Die Folgen sind gravierend, gelten doch für derartige Gebiete strenge Regeln. Es dürfen keine neuen Baugebiete ausgewiesen werden. Selbst die Erweiterung eines Hauses, beispielsweise der Bau eines Carports, ist untersagt. Umso überraschter waren Anwohner, als vor einigen Monaten Baufahrzeuge anrollten und von der Straße Hagendeel aus eine Auffahrt auf die Wiese anlegten.

Nachfragen ergaben, dass der Bezirk Eimsbüttel das Wiesengelände um gut einen Meter aufschütten und eine Flüchtlingsunterkunft für 288 Personen errichten will. In gut einem Jahr sollen die 13 zweistöckigen Holzhäuser fertig sein. Ihre Wohnungen mit drei Zimmern, einer Küche und einem Bad dürften vor allem Familien ein neues Zuhause bieten. Angesichts des anschwellenden Flüchtlingsstroms wird es für Hamburg immer schwieriger, ausreichend Unterkünfte anzubieten. „Wir bauen jeden Monat eine Flüchtlingsunterkunft mit 300 Plätzen und wissen nicht, ob es am Ende des Jahres reichen wird“, sagte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) erst vor Kurzem auf einer Veranstaltung.

Hamburgs Behörden rechnen für 2014 mit einem Anstieg der Zahl der Asylbewerber um 28 Prozent gegenüber 2013. Im vergangenen Jahr kamen 3619 Asylbewerber in die Hansestadt.

Die Anwohner legen Wert auf die Feststellung, sie seien keineswegs fremdenfeindlich. Vielmehr sorgten sie sich, die Auswirkungen eines Hochwassers könnten für sie künftig heftiger werden. Schließlich werde dem Hochwasser durch die Aufschüttung des Geländes eine erhebliche Fläche entzogen. Das Bezirksamt erklärt, es werde „keine Verschlechterung der Istsituation“ eintreten. Auf einer Informationsveranstaltung in der vergangenen Woche monierten Zuhörer allerdings, ihre Grundstücke seien auf den Karten der Überschwemmungsgebiete gar nicht verzeichnet, obwohl ihr Grundstück regelmäßig überflutet werde.

Ein weiterer Streitpunkt zwischen Behörden und Anwohner ist die Frage, ob das Gelände überhaupt bebaut werden darf. Für die Anwohner ist klar: Das Grundstück hätte bis Ende 2013 als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen werden müssen. Nur weil die Stadtentwicklungsbehörde dabei in Verzug geraten sei, könne das Bezirksamt jetzt nicht so tun, als ob die Vorgaben der EU nicht gelten würden.

Das sehen Bezirksamt und Stadtentwicklungsbehörde anders. „Die Überschwemmungsgebiete sind noch nicht festgesetzt, sodass es noch keine Rechtsgrundlage gibt, wegen der dort nicht gebaut werden kann“, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts. Die Stadtentwicklungsbehörde räumte zwar ein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben die Gebiete bis Ende 2013 hätten festgesetzt werden müssen. Da es sich um bundesrechtliche Vorgaben handele, habe „die Nichteinhaltung der Frist“ jedoch keine rechtlichen Konsequenzen, sagte ein Sprecher. Allerdings werde das Überschwemmungsgebiet der Kollau in Kürze „vorläufig gesichert sein“. Für die umstrittene Fläche dürfte das zu spät sein. Am 20. Januar hat der Bezirk dem Grundstückseigentümer die Aufschüttung genehmigt.