In der Hansestadt gibt es 28 Prozent mehr Flüchtlinge. Die Behörde plant weitere Containerdörfer und Schlafplätze, damit die Asylbewerber nicht mehr in Zelten und Schlafsälen hausen müssen.
Hamburg. Sie fliehen vor Bürgerkriegen und Verfolgung oder sind auf der Suche nach einem besseren Leben: Die Zahl der Asylbewerber in Hamburg wird 2014 noch einmal kräftig steigen. Die Behörden rechnen mit einem Plus von 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wie ein internes Schreiben zeigt, das dem Abendblatt vorliegt. Entsprechend versucht die Innenbehörde, die Kapazitäten in der Erstaufnahme, in der die Flüchtlinge in den ersten drei Monaten untergebracht werden, aufzustocken.
2013 kamen insgesamt 3619 Asylbewerber nach Hamburg – das waren schon gut 50 Prozent mehr als 2012. Nach einer Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge werde ihre Zahl 2014 noch einmal um 28 Prozent steigen, heißt es in dem Brief des Staatsrats der Innenbehörde, Volker Schiek, an die Spitzen von Bezirksverwaltung und -versammlung in Altona, das dem Abendblatt vorliegt. Das würde bedeuten, dass 2014 gut 4600 Asylbewerber in die Hansestadt kämen.
Die Innenbehörde versucht, sich auf dieses Szenario einzustellen. In der Erstaufnahme gibt es derzeit laut Behördensprecher Frank Reschreiter rund 1500 Plätze, benötigt würden aber 2000 Plätze. Derzeit verfügt Hamburg über drei Standorte. In der Zentralen Erstaufnahme an der Sportallee stehen eigentlich 362 Plätze zur Verfügung, sie ist mit 427 Menschen aber schon jetzt überfüllt, wie Staatsrat Schiek schreibt. In der Einrichtung in Nostorf/Horst in Mecklenburg-Vorpommern kann Hamburg 200 Plätze belegen. An der Schnackenburgallee in Bahrenfeld wurden 688 Plätze in Wohncontainern geschaffen, teilweise auf einem Areal, das in den Sommermonaten von der Roma und Cinti Union e.V. als Durchreiseplatz für ihre Wohnwagen genutzt wurde.
Hier sollen nun weitere Container mit 100 Schlafplätzen aufgestellt werden und „den bereits vorhandenen Bestand ergänzen“, wie Staatsrat Schiek die Altonaer Bezirkspolitik informiert. Das werde keine Absenkung der Standards bedeuten. Es solle mehr Personal und mehr Sozialräume für die Bewohner geben. Die ersten Container mit 40 Schlafplätzen stehen bereits.
Damit die Roma und Cinti trotzdem in den Sommermonaten Platz für ihre Wohnwagen finden, wird ihr Durchreiseplatz auf den Parkplatz Braun verlegt. „Dadurch gehen dort ca. 350 Pkw-Stellplätze verloren, die der Hamburger Sportverein (HSV) im Rahmen des Stellplatznachweises für das Stadion vorhalten muss“, heißt es in dem Brief der Innenbehörde. Das sei aber vertretbar, meint Staatsrat Schiek, angesichts von 9200 Parkplätzen rund um die beiden Arenen und der Tatsache, dass der Parkplatz Braun nur bei 17 Veranstaltungen im Jahr genutzt werde. Dies sei mit dem HSV abgestimmt, ergänzt Reschreiter. Auch die Bezirksverwaltung erhebt keine Einwände. „Das Bezirksamt Altona sieht die Not und unterstützt Innenbehörde“, sagt Bezirksamtssprecherin Kerstin Godenschwenge. Ein weiteres Containerdorf ist in Niendorf geplant, zusätzliche Schlafplätze in Harburg.
Flüchtlinge sollen nicht mehr in Zelten und Schlafsälen leben
Allerdings: Im Frühjahr 2017 soll die Lage noch einmal begutachtet werden, verspricht Innenstaatsrat Schiek. Sollte sich dann herausstellen, dass viele Autofahrer bei ihrer Suche nach einem Parkplatz auf die benachbarten Stadtteile Bahrenfeld, Othmarschen und Lurup ausweichen, würden die Behörden prüfen, ob nicht ein Parkhaus gebaut werden müsse, stellt er in Aussicht.
Weitere 200 bis 220 Plätze für Asylbewerber will die Stadt in einem ehemaligen Postgebäude an der Harburger Poststraße einrichten; sie sollen nach Möglichkeit Ende Mai bereitstehen. Auf einem Grundstück an der Niendorfer Straße 99 soll ein Containerdorf für rund 300 Menschen entstehen. Allerdings ist noch keine Baugenehmigung erteilt worden.
Die Innenbehörde möchte unbedingt vermeiden, dass Asylbewerber in Zelten und Schlafsälen untergebracht werden, in denen sie keinerlei Privatsphäre haben. „Das gilt insbesondere, weil unter den Asylbewerbern aus Afghanistan, Syrien und dem Iran vermehrt solche festzustellen sind, die psychisch schwer belastet oder traumatisiert sind: Posttraumatische Belastungsstörungen und Schlafstörungen treten vermehrt auf“, schreibt Staatsrat Schiek in seinem Brief. Die Menschen seien während ihrer Flucht völlig mit dem Überleben und den Fluchtumständen beschäftigt und dadurch zunächst abgelenkt. In der Zentralen Erstaufnahme müssten sie die Chance haben, erst einmal zur Ruhe zu kommen. „Eine Unterbringung in Zelten oder Schlafsälen ist diesen Menschen einfach nicht zuzumuten.“
Nicht immer wird dieser Vorsatz allerdings umgesetzt. Im April mussten nach dem Winter die Zelte an der Sportallee wieder in Betrieb genommen werden. Von den 44 Menschen, die hierherkamen, haben 28 in Zelten übernachten müssen.