Die fast nackten Frauen wurden von den Personenschützern des Bürgermeisters abgeführt. Mehrere Unterstützer der Hamburger „Lampedusa-Flüchtlinge“ haben am Dienstagabend zudem eine Kreuzung im Stadtteil Lokstedt blockiert.
Mit ihren provokanten Oben-ohne-Aktionen hat die Frauengruppe Femen schon weltweit für Aufsehen gesorgt. Jetzt haben sich zwei Aktivistinnen auch in den Konflikt um die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg eingeschaltet. Am Dienstagabend stürmten zwei Femen-Frauen die Bühne in der Seniorenresidenz NewLivingHome in Lokstedt, auf der Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) vor 200 Zuhörern sprach.
Schon vorher hatten einzelne Protestler, die ein Bleiberecht der Afrikaner erzwingen wollen, die Veranstaltung gestört. Vor dem Gebäude blockierten rund 300 Demonstranten die Julius-Vosseler-Straße. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung „Olaf Scholz im Gespräch“ waren sie auf Fahrrädern vor der Seniorenresidenz aufgetaucht. Eine Chance, auf das Gelände zu kommen, hatten sie nicht. Ein starkes Polizeiaufgebot riegelte es ab. Noch vor dem Haupteingang gab es Kontrollen. Wer nach linksautonomer Klientel aussah, kam nicht durch.
Olaf Scholz kam etwas verspätet zu der Veranstaltung in den bis auf den letzten Platz gefüllten Saal. Der Andrang war groß. Vor der Tür warteten noch Gäste, die die Veranstaltung besuchen wollten, aber wegen Überfüllung nicht mehr hineinkamen. Als der Bürgermeister von hinten auf die Bühne kam, wurde er mit viel Applaus, aber auch einzelnen Pfiffen und Buhrufen im Saal empfangen. Eine Handvoll Protestler waren in den Veranstaltungsraum gelangt. Sie versuchten den Bürgermeister niederzubrüllen.
Verfahren gegen Femen-Frauen?
Scholz hatte gleich mit dem Thema „Lampedusa-Flüchtlinge“ begonnen. Unbeeindruckt setzte der Bürgermeister seine Rede fort. Nicht einen Moment ließ er sich unterbrechen. Ordner versuchten die Störer aus dem Saal zu entfernen. Vergebens. Dann sprangen plötzlich zwei Frauen auf. Blitzschnell rissen sie sich ihre Oberteile vom Körper und reckten die Arme in die Höhe. „Lampedusa is everywhere“ stand auf dem Bauch einer der Frauen. Personenschützer sprangen sofort auf die Bühne, drückten die beiden Frauen zurück. Zwei Beamten stellten sich vor und hinter den Bürgermeister, um ihn zu schützen. Es kam zu Rangeleien. Mit Gewalt zerrten die Personenschützer die beiden Frauen von der Bühne und brachten sie durch den Hinterausgang weg.
Ob gegen die Frauen ein Verfahren eingeleitet ist, wurde zunächst nicht bekannt. Sie wurden noch vor Ort entlassen. Olaf Scholz setzte die Veranstaltung fort. „Sie nahm danach ihren normalen Gang“, sagt Senatssprecher Christoph Holstein. Scholz beantwortete die Fragen der Zuhörer. „Es ging auch um das Busbeschleunigungsprogramm, Schule oder Schulden“, sagt Holstein. Später nahm sich Scholz noch Zeit für einzelne Gespräche.
Szene setzt auf weitere Proteste
Während Scholz sich in Lokstedt mit dem Nackt-Protest konfrontiert sah, trafen sich im Rathaus die Sprecher der Lampedusa-Gruppe und ihre Berater mit SPD-Fraktionschef Andreas Dressel und weiteren Fraktionsmitgliedern. Dort erfuhr Dressel auch von der Aktion im Seniorenstift. „Man darf sich in so einer Situation nicht erpressen lassen“, sagt Dressel. „Eine Entscheidung wird von den Behörden, gegebenenfalls vor Gericht oder der Härtefallkommission getroffen. Auf der Straße wird die Frage um die Flüchtlinge nicht entschieden.“ Man werde ermöglichen, was das Gesetz hergibt. Mehr aber auch nicht.
Die linksautonome Szene setzt weiter auf Aktionen und Protest auf der Straße. Für Freitag ist eine Demonstration nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli angekündigt. Dieses Konzept hatte die Szene schon im Zusammenhang mit Protesten um den Bauwagenplatz „Bambule“ erprobt, um Fußballfans einzubinden. Auch am Sonnabend soll es eine große Demonstration im Schanzenviertel und auf St. Pauli geben.