Bergedorf. Die Zahl der invasiven Nager wächst rasant. Jäger in den Startlöchern, doch geschossen wird nicht. Was CDU und Linke fordern.

Immer mehr Nutrias bereiten immer größere Probleme: Die südamerikanischen Nager, die sich rasant vermehren, kommen Kindern auf Spielplätzen gefährlich nahe, richten immense Schäden in den Gräben und auf Feldern an. Um die Zahl der Nutrias im Bezirk Bergedorf zu reduzieren, stellte die Umweltbehörde insgesamt 30.000 Euro für „Schwanzprämien“, Entsorgung über den Abdecker sowie die Reparatur und Instandhaltung von Fallen bereit. Doch es würden so gut wie keine Tiere dieser invasiven Art gejagt, sagt Gerald Eggers, Vorsitzender des Hegerings Vier- und Marschlande. „Die Jäger haben Angst vor Anzeigen, denn es gibt bisher keine Rechtssicherheit für sie.“ Doch die Zeit drängt, deshalb stellte die CDU-Fraktion in der Bergedorfer Bezirksversammlung nun ein Auskunftsersuchen.

Die Wirtschaftsbehörde, in Hamburg auch für die Jagd zuständig, wies bereits 2018 auf Paragraf 22 (4) des Bundesjagdgesetzes hin: Demnach dürfen keine Elterntiere erlegt werden, die sich noch um ihren Nachwuchs kümmern. „Doch wie sollen die Jäger erkennen, ob es sich um ein älteres Jung- oder ein Muttertier handelt und ob nicht doch Nachwuchs in der Nähe ist?“, fragt Eggers.

Invasive Nager: Jäger fürchten Anzeigen und verschonen die Nutrias

Die CDU will wissen, wann der Bezirksversammlung das Gutachten über die Populationsentwicklungen, die bekannten Schäden und ein Konzept für den Kampf gegen die Nager vorgestellt wird. Das im Auftrag der Umweltbehörde erstellte Gutachten sollte Ende Juli fertiggestellt werden. „Unabhängig von dem Gutachten sollte es eine schnelle und unbürokratische Regelung geben, die die Bejagung ohne Einschränkungen erlaubt“, sagt Erika Garbers (CDU). Auch müsse die exakte „Schwanzprämie“ geklärt werden. Bisher sei von 10 Euro pro erlegtem Nutria die Rede.

Heinz Wulff, Landwirt und Vorsitzender des Wasserverbandstags Hamburg, auf seinem gepachteten Acker in Kirchwerder. An den Gräben sind – wie hinter ihm zu sehen – viele Nutriabauten zu finden.
Heinz Wulff, Landwirt und Vorsitzender des Wasserverbandstags Hamburg, auf seinem gepachteten Acker in Kirchwerder. An den Gräben sind – wie hinter ihm zu sehen – viele Nutriabauten zu finden. © Lena Diekmann

Bis Ende 2020, als die Bekämpfung der Nutrias noch vom Bezirk Bergedorf und nicht von der Umweltbehörde geregelt wurde, gab es eine „Schwanzprämie“. 2021 wurde sie abgeschafft. 2019 wurden in Hamburg 538 Nutrias erlegt. 2020 waren es bereits rund 1200 Tiere. Für die folgenden Jahre gebe es laut Eggers keine genauen Zahlen. Der Jäger geht davon aus, dass „vielleicht 200 bis 300 Nutrias im Jahr erlegt worden sind“. Es werde keine intensive Jagd mehr auf die Tiere gemacht, gebe „kein Aufsuchen und kein Fallen stellen“. Dabei handle es sich „selbst nach EU-Recht um eine invasive Art, die ausgerottet werden muss“, betont Eggers.

Vorsitzender des Wasserverbandstags geht von 500.000 erwachsenen Nutrias aus

„Die Umweltbehörde scheint die Schäden nicht zu erkennen, will die Tiere scheinbar integrieren“, schlussfolgert Heinz Wulff. Der Landwirt aus Neuengamme hat immense Schäden durch Nutrias erlitten, die unter anderem Petersilie im Wert von 130.000 Euro fraßen. Wulff ist auch Vorsitzender des Wasserverbandstags Hamburg. Wulff geht davon aus, dass auf den landwirtschaftlichen Flächen im Bezirk, etwa 15.000 Hektar, inzwischen 500.000 ausgewachsene Nutrias leben, „hinzu kommen etliche Jungtiere“.

Die Niederländer würden jährlich 30 Millionen Euro in die Jagd auf Nutrias investieren, um ihre Deiche zu schützen, betont Jörg Froh (CDU). An der niederländisch-deutschen Grenze seien Scharen von Jägern im Einsatz, damit die Tiere gar nicht erst ins Land kommen. „Dort gibt es kaum noch Nutrias“, sagt Wulff und Froh fügt hinzu: „In den Vier- und Marschlanden haben wir eine ähnliche Landschaftsstruktur.“ Die Tiere würden auch dem Be- und Entwässerungssystem enormen Schaden zufügen, betont Erika Garbers. „Wir haben Umweltschützern über Facebook Führungen zu den Wirkungsstätten der Tiere angeboten“, sagt Froh. „Aber wir sind damit nicht auf Interesse gestoßen.“

Weiteres Problem: Naturschutzgebiete als Rückzugsorte

Ein weiteres dickes Brett, das noch zu bohren sei, sind die Naturschutzgebiete, betont der CDU-Mann: „Selbst wenn das Gutachten ergibt, dass Nutrias ohne hinderliche Einschränkungen bejagt werden dürfen, gibt es noch die Naturschutzgebiete (NSG), für die andere Gesetze gelten.“ Dort ist das Schießen von Tieren oder das Fallenstellen streng verboten. Doch eine Insellösung für Nutrias dürfe es nicht geben. „Denn dann können sich die Tiere über die Naturschutzgebiete als Rückzugsräume immer wieder neu im Landgebiet verbreiten.“