Hamburg. An 21 Stationen in den Marschlanden mussten Retter knifflige Aufgaben lösen: Welcher der 19 Wehren das am besten gelungen ist.
Die Schiedsrichter drücken nach einer kurzen Anweisung die Stoppuhr: Sechs junge Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr (FF) Berliner Tor legen sofort los. Sie haben nur fünf Minuten Zeit, um einen Löschangriff mit Wasserentnahme an einem offenen Gewässer durchzuführen.
Wie bei einem echten Einsatz, zählt auch bei dieser Übung an der Gose-Elbe beim Pumpwerk Ochsenwerder jede Sekunde. Am Ende kommt es darauf an, wie viel Wasser die Feuerwehrleute aus etwa sieben Meter Entfernung per Tragkraftspritze in einen riesigen Kanister spritzen konnten.
Hamburger Feuerwehr: FF Neundorf organisiert die Großübung
Die Übung am Ochsenwerder Norderdeich war nur eine von 21, die von allen 19 teilnehmenden Teams aus ebenso vielen Wehren gemeistert werden musste. Die Übungs- und Ausbildungsfahrt ist die aufwendigste und umfangreichste Großübung ihrer Art der gesamten Hamburger Feuerwehr. Mehr als 200 Feuerwehrleute und weitere Helfer waren im Einsatz, weit mehr als 20 Feuerwehrfahrzeuge steuerten die verschiedenen Stationen in Ochsenwerder, Fünfhausen und Moorfleet sowie die Zentrale am Ochsenwerder Norderdeich 104 an.
Die Ausbildungsfahrt wurde von der FF Neudorf, dem Sieger der bis dato jüngsten Rallye 2018, monatelang vorbereitet. Die Wehr war bereits zum vierten Mal Ausrichter. Sie wurde mit herrlichem Wetter belohnt. Am Vortag hatte es noch heftig geregnet, gab es Blitz und Donner.
Bezirksamtsleiterin zu Gast bei Übungs- und Ausbildungsfahrt
Beobachtet wurden die jeweils sechs Einsatzkräfte starken Teams von Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann, Sebastian Struss, Bereichsführer Marschlande, Lars Eggers, Bereichsführer Bergedorf, Karsten Sommer, Bereichsführer Vierlande, und Johannes Engmann, stellvertretender Landesbereichsführer. Die Führungskräfte steuerte einige Stationen an, um sich einen Eindruck verschaffen zu können.
60 Schiedsrichter – Mitglieder der FF Neudorf und von Nachbarwehren – sorgten für korrekte Abläufe an den Stationen. Dort mussten sich die Wettkämpfer unter anderem um Verletzte kümmern, eine Trage mit einer mit Wasser gefüllten Schüssel über unwegsames Gelände transportieren ohne Wasser zu verschütten oder auch das Funk-Alphabet (A wie wie Anton, B wie Bertha . . . ) korrekt auflisten.
15 Mitglieder der Neudorfer Jugendabteilung packten ebenfalls tatkräftig mit an, ließen sich beispielsweise als Unfallopfer schminken. Partnerinnen der Neudorfer Feuerwehrmänner kümmerten sich um die Verpflegung, packten Lunchpakete, versorgten alle Teilnehmer nach der Rallye mit Currywurst und Pommes.
Eigentlich war die Rallye bereits für das Frühjahr 2020 geplant, musste pandemiebedingt aber drei Wochen vor dem Termin abgesagt werden. Wegen Corona konnte der Wettbewerb auch 2021 und 2022 nicht über die Bühne gehen. „So eine lange, fünfjährige Pause und dreijährige Verspätung gab es in der rund 40-jährigen Geschichte des Wettbewerbs noch nie“, sagt Torben Klingwort (43), Wehrführer der FF Neudorf. Als es nun endlich um 8 Uhr losgehen konnte, waren Mannschaften von Feuerwehren aus den Vier- und Marschlanden, Bergedorf, Gastwehren aus Schleswig-Holstein sowie eine Staffel der Feuerwehr-Akademie am Start.
- Spielzeug für die Kinder der Freiwilligen Feuerwehrleute
- Feuerwehr-Rallye: Retter messen sich in „Königsdisziplin“
- Schon als Junge von der Feuerwehr fasziniert
Bei dem Wettbewerb werden Leistungen quer durch alle Einsatzbereiche der Feuerwehr getestet. Turnusmäßig alle zwei Jahre sind bis zu 25 Wehren dabei. Die Rallye gilt als „Königsdisziplin“, schließlich müssen knifflige Aufgaben unter anderem in technischer Hilfeleistung, Erstversorgung oder Brandschutz gemeistert werden – schnell (in jeweils nur fünf Minuten) und möglichst fehlerfrei.
Die Übungs- und Ausbildungsfahrt ist die größte ihrer Art in Hamburg und braucht intensive Vorbereitung. Allein die Materialbeschaffung für die vielen Prüfstationen ist zeitaufwendig. Zudem steckt viel Arbeit in den Aufgabenzetteln für die Teams und den Bewertungsbögen für die Schiedsrichter: „Da darf nicht erst darüber diskutiert werden, das muss jeder sofort verstehen“, erklärt Klingwort. Und: Jede der 21 Stationen wurde von der FF Neudorf vor der Rallye ausgiebig getestet.
Seine Wehr muss in diesem Jahr noch einen weiteren großen Wettbewerb vorbereiten: Die FF Neudorf siegte im vergangenen Jahr beim Schlauchbootwettkampf der Freiwilligen Feuerwehren in Kirchwerder-Nord, richtet deshalb das Spektakel aus – am Sonntag, 13. August, auf der Gose-Elbe am Ochsenwerder Norderdeich.
In der Scheune auf dem Hof von Landwirt Rainer Meins-Siemers, Mitglied der Ehrenabteilung der FF Neudorf, am Ochsenwerder Norderdeich 104 war am späten Nachmittag die Siegerehrung durch den zuständigen Bereichsführer Sebastian Struss: Die erfolgreichsten Mannschaften stellten die Freiwilligen Feuerwehren Neuengamme, Krauel und Hohendeich (Bereich Bergedorf/Vier- und Marschlande) sowie die FF Hohenhorn, die Berufsfeuerwehr Hamburg mit einem Mixed-Team aus verschiedenen Wehren und die FF Börnsen (Gastwehren). Die Sieger erhielten Wanderpokale und Pokale, die die Wehren behalten dürfen. Die FF Neuengamme richtet das Spektakel in 2025 aus.
Die Freiwilligen Feuerwehren im Landgebiet werden seit Jahrzehnten vor allem wegen Erstversorgung alarmiert, etwa wenn jemand versorgt werden muss, der einen Herzinfarkt erlitten hat, berichtet Sebastian Struss. „Da ist der Zeitfaktor enorm wichtig und die Wehren in den weitläufigen Vier- und Marschlanden haben natürlich einen Zeitvorteil gegenüber denen in der Stadt“, sagt Struss. Um Angehöriger einer Erstversorgungswehr zu sein, reiche die Truppmann-Ausbildung, also die Grundausbildung der Feuerwehrleute nicht aus, betont der Bereichsführer. „Die Kameraden lassen sich regelmäßig umfangreich weiterbilden.“
Die Zusammenarbeit mit der Berufsfeuerwehr – Bergedorf, Billstedt sowie der in Wilhelmsburg stationierten Technik- und Umweltwache – und auch mit dem Bergedorfer Bezirksamt und der Kommunalpolitik funktioniere gut, betont Struss. „Wir sind in einem regen Austausch.“ Die Freiwillige Feuerwehr werde als „unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitsarchitektur“ betrachtet, sei etwa auch eine wichtige Hilfe, wenn sie mit ihren Kleinbooten ausrückt, um einen Ölteppich auf der Elbe zu beseitigen. „Wir agieren allein und gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr“, sagt der Bereichsführer.
Im Bereich Marschlande seien bei der Grundausbildung mit durchschnittlich knapp 20 Anwärtern in den vergangenen drei Jahren überdurchschnittlich viele junge Menschen in die Feuerwehr eingetreten. Insofern sei man auch für die Zukunft gut aufgestellt.