Allermöhe. Großbrände, tödliche Verkehrsunfälle und eine ausgebüxte Kuhherde – der Chef der Marschlande-Feuerwehren blickt auf 25 Jahre zurück.
Sobald die Sirene am Feuerwehrhaus ertönte, hatten die Erwachsenen ihnen als Kinder eigentlich eingebläut, die Straße sofort zu verlassen. Doch die roten Fahrzeuge und Männer in Uniformen hatten es Sebastian Struss schon als kleinen Jungen angetan. Mit Spielzeughelm auf dem Kopf radelte er dann die 450 Meter von seinem Elternhaus den Allermöher Deich entlang, um das Ausrücken der Freiwilligen Feuerwehr Allermöhe zu beobachten.
Statt Spielzeughelm trägt er längst eine silbernen Koller an der Einsatzjacke. Bereits seit zwölf Jahren ist der 42-Jährige Bereichsführer Marschlande und steht somit an der Spitze von 240 Kameradinnen und Kameraden in acht Wehren.
„Manch eine Beziehung hält nicht so lang“, scherzt Sebastian Struss über sein Jubiläum
Zur Feuerwehr gehört der Allermöher aber schon mehr als doppelt so lang: Mehr als sein halbes Leben steht er bereits in ihrem Dienst. „Manch eine Beziehung hält nicht so lang“, scherzt er, der nun sein 25-jähriges Dienstjubiläum mit geladenen Gästen im Kulturheim Mittlerer Landweg feierte.
Sein Nachbar habe ihn als 17-Jährigen dazu motiviert, sich der Wehr anzuschließen, erinnert sich Struss. Auf die Grundausbildung folgten ziemlich schnell weitere Lehrgänge. Der damalige Wehrführer Hans Gellersen habe ihn dabei stets gefördert, erinnert sich Struss, der schon fünf Jahre nach dem Eintritt in die Freiwillige Feuerwehr Allermöhe Zugführer wurde und somit zwei Fahrzeuge und mehr im Einsatz führen durfte.
Schwerer Verkehrsunfall eines jungen Mannes war einer seiner ersten Einsätze
Ob als Fahrer, in der Führung oder als Atemschutzgeräteträger konnte er bald alle Funktionen auf dem Fahrzeug erfüllen und trat auf dem Weg mit dem Rad zum Feuerwehrhaus auch als Erwachsener noch ordentlich in die Pedale, um möglichst gleich auf dem ersten Fahrzeug mitzufahren. Die technische Hilfe wurde sein Steckenpferd. Das Wissen darüber gab er dann auch sechs Jahre lang als Bereichsausbilder an den Feuerwehr-Nachwuchs der Marschlande weiter.
Auch wenn seitdem viele Jahre vergangen und unzählige Einsätze folgten, kann er sich noch gut an einen seiner ersten Einsätze als junger Feuerwehrmann erinnern. Damals war ein junger Mensch, unwesentlich älter als er selbst, bei einem schweren Verkehrsunfall mit dem Auto tödlich verunglückt. „Da macht man sich schon seine Gedanken“, gibt der Experte für Kälte- und Lüftungsanlagen zu.
Ausgleich findet der Jubilar beim Angeln
Insgesamt sei es in all den Jahren aber stets gelungen, die Bilder der Einsätze nicht in Gedanken mit nach Hause zu nehmen. Auch, weil mittlerweile die seelische Nachbearbeitung von schweren Einsätzen viel intensiver betrieben werde, so Struss, der beim Angeln seinen Ausgleich findet: Am liebsten hoch oben in Norwegen.
Neben brennenden Reetdächern, kleineren Feuern und Verkehrsunfällen seien unter den Einsätzen auch Großfeuer gewesen, wie zu Beginn diesen Jahres, als auf der Veddel eine Speditionshalle abbrannte. Verletzt habe er sich aber nie: „Einem ist höchstens mal zu warm geworden, weil man nicht richtig angezogen war.“. Neben Feuern hatten seine Einsätze auch viel mit Wasser zu tun, etwa bei Hochwassereinsätzen in Dresden, bei einer Schiffskollision auf der Elbe oder zahllosen Badeunfällen.
Ausgebüxte Kuhherde versetzte Badegäste in helle Aufregung
Einmal war es aber auch eine ausgebüxte Kuhherde, die am See Hinterm Horn über den Sandstrand lief und die Badegäste in helle Aufregung versetzte, erinnert sich der oberste Chef der Feuerwehrleute aus den Marschlanden. Auch beim Schlauchbootwettkampf der Feuerwehren gehörte er jahrelang zur Besatzung der Allermöher Boote. Ganz oben auf dem Treppchen landete sie allerdings nie. Das hat ihn nie gewurmt. Stattdessen wird der zweite Platz 2003 als „größter Erfolg“ gefeiert.
Nach der Silbernen Hochzeit wird er die Goldene Hochzeit nicht mehr mit der Feuerwehr feiern können. Schließlich ist nach spätestens 63 Jahren Schluss mit dem aktiven Dienst. Aber das 40. Dienstjubiläum möchte er erreichen.
Ob der Neffe den Weg in die Feuerwehr findet?
„Wir arbeiten daraufhin“, sagt Struss, der sich ein weiteres Ziel gesteckt hat. Nachdem es ihm schon nicht gelungen ist, seinen sieben Jahre jüngeren Bruder für den Feuerwehrdienst zu überzeugen, will er es bei seinem Neffen noch einmal probieren. Bis dahin bleibt noch Zeit: Erik wurde vor fünf Wochen geboren.