Hamburg. Anwohner kritisieren den starken Verkehr auf den Straßen. Immer wieder kommt es zu gefährlichen Situationen. Was tun?

In die Erde der Bankette der Sandwisch sind tiefe Furchen gefahren. Dasselbe Bild zeigt sich in der direkten Umgebung: am Moorfleeter Deich, Moorfleeter Kirchenweg oder Holzhafenufer – überall sind Reifenspuren in der Erde zu erkennen. Hinterlassen von den zahlreichen Lastwagen, die täglich auf den schmalen Straßen rund um die Kirche St. Nikolai unterwegs sind, sich dabei auch mal begegnen und aufgrund der geringen Fahrbahnbreite zwangsläufig auf die Bankette ausweichen müssen.

Moorfleeter Deich: Sichtbare Schäden an Straßen und an den Häusern

Die Schäden in Randbereichen und Straßen sind nur ein Aspekt, der die Anwohner von Moorfleet am starken Lastwagenverkehr vor ihren Türen stört. Auch viele ihrer Häuser sind bereits durch Risse im Mauerwerk gezeichnet. „In unserer Kurve spielt sich mehrmals täglich das Szenario ab, dass sich zwei Lastwagen begegnen und nicht aneinander vorbei passen“, berichtet Isabel Schiffler, die in einem denkmalgeschützten Fachwerkhaus am Moorfleeter Deich wohnt.

Dann werde minutenlang rangiert und rückwärts gefahren, sodass in der Zeit kein anderer Verkehrsteilnehmer mehr passieren könne und auch schon mal Mülltonne, Zaun oder Straßenlaterne umgefahren werde, berichtet Isabel Schiffler.

Ältere Leute und Kinder trauen sich ohne Gehweg nicht auf die Straße

Einige Moorfleeter würden sich kaum noch vor die Tür trauen: „Gerade ältere Anwohner haben Angst, allein ohne Gehweg an der Straße entlang zu gehen“, sagt Christine Saalmüller. Ähnlich geht es Kindern und ihren Eltern, wie Ute und Wieland Böttcher. Ihre Zwillinge Henriette und Anton (6) werden im Sommer eingeschult. Doch an der Schule Ochsenwerder, zu der ein Bus direkt vor der Haustür abfahren würde, werden sie voraussichtlich aufgrund der zu großen Entfernung keinen Platz bekommen. Dafür ist die Schule zu gut besucht. Stattdessen werden die Zwillinge wohl in Fünfhausen eingeschult.

Doch um dorthin mit dem Bus zu kommen, müssten sie nicht nur zweimal umsteigen, sondern auch gut 100 Meter die Sandwisch zum Moorfleeter Deich entlang gehen, inklusive schmaler Rampe, auf der für Fußgänger schon neben einem Pkw kaum Platz bleibt, geschweige denn neben einem Vierzigtonner. „Das ist undenkbar“, sagt Wieland Böttcher, der gemeinsam mit seiner Frau bereits überlegt, wie sie ihre Kinder täglich zur Schule befördern können. „Jetzt in Zeiten des Homeoffices mag das ja noch gehen, aber wenn das nicht mehr so ist, wird das zeitlich kaum möglich sein“, sagt Wieland Böttcher.

Lieferverkehr auf dem Wasserweg ist nicht mehr erlaubt

Die Zwillinge Henriette und Anton (6) von Ute und Wieland Böttcher müssten auf dem Weg zur Schule die schmale Rampe zur Bushaltestelle am Moorfleeter Deich hochgehen – für die Eltern undenkbar
Die Zwillinge Henriette und Anton (6) von Ute und Wieland Böttcher müssten auf dem Weg zur Schule die schmale Rampe zur Bushaltestelle am Moorfleeter Deich hochgehen – für die Eltern undenkbar © Lena Diekmann

Die Bewohner von Moorfleet hoffen, dass das Problem des regen Lkw-Verkehrs gelöst wird. Und dabei geht es ihnen nicht darum, die Firma „Schlüter & Maack“ anzuschwärzen, die Ziel oder Startpunkt der meisten Lkw-Fahrten ist. „Es ist ein sehr gepflegter Betrieb“, betont Christine Saalmüller, die seit 25 Jahren in Moorfleet lebt. In der Zeit wurde das Betriebsgelände noch mit Schuten über den Holzhafen angesteuert. Durch die Änderung einer EU-Richtlinie Ende der 1990er-Jahre ist der Importfirma von Rohstoffen und Halbfabrikaten für die Lebensmittelindustrie – wie Zucker, Nüssen oder Senfsaat – der Transport auf dem Wasserweg nicht mehr erlaubt, weshalb sich der Lieferverkehr auf die Straße verlagerte.

Halteverbote und Tempo 30 bringen Linderung, aber keine Lösung

Die Bergedorfer Verkehrspolizei und das Bezirksamt sehen nicht untätig zu und haben bereits Maßnahmen ergriffen, die das Problem zumindest gemindert haben: So wurde im vergangenen Jahr das Halteverbot rund um das Firmengelände am Moorfleeter Deich verdichtet, um bei Stoßzeiten im Anlieferverkehr Staus zu vermeiden.

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Die Sandwisch wurde zuvor zur 30er-Zone erklärt, für die Straße gilt ebenso eine Neuntonnenbeschränkung wie für den Moorfleeter Kirchenweg. Das halte so manchen Fahrer eines Vierzigtonners aber trotzdem nicht davon ab, in die Straßen zu fahren. Laut Polizei würden zu viele Lkw-Fahrer auf ihr Navi statt auf die Schilder achten. Jedoch seien die elektronischen Wegweiser oftmals für Pkw angelegt, nicht für sperrige Lastwagen. Statt über die erlaubte Route, die von der Andreas-Meyer-Straße in den Moorfleeter Deich bis zum Firmengelände und auf demselben Weg zurück führt, rauschen die Lastwagen daher oftmals trotzdem durch die Sandwisch und den Moorfleeter Kirchenweg, wobei es auch schon mal zu kuriosen Szenen komme, berichtet Christine Saalmüller.

Betrieb favorisiert Stichstraße durch die Moorfleeter Wanne

So blieb kürzlich ein Lastwagen, der die Sandwisch befuhr, aufgrund seines Gewichts an der kurzen, aber recht steilen Rampe zum Moorfleeter Deich hängen, sodass die Polizei ihn aus der Straße lotsen musste – gut einen Kilometer im Rückwärtsgang, da es auf der schmalen Straße keine Wendemöglichkeit für ein etwa 14 Meter langes Gefährt gibt. Den Rückwärtsgang einlegen müssten auch immer wieder Fahrer, die über den Moorfleeter Deich in Richtung Tatenberg abfahren wollen, doch dann merken, dass ihr Fahrzeug zu hoch ist, um die Autobahnunterführung passieren zu können.

Häufig suchen sich Lkw-Fahrer auch in der Straße Holzhafenufer einen Platz, um ihr Fahrzeug abzustellen oder zu rasten. Dabei werden nicht nur die Randstreifen kaputtgefahren, sondern ebenso die Slipanlage für Bootseigner blockiert. Nicht selten würde dort auch Müll oder die Notdurft hinterlassen: „Es ist doch kein öffentlicher Schrottplatz“, ärgert sich Christine Saalmüller.

Anwohner fordern Abschluss der Stadtwerkstatt und „runden Tisch“

Die Zuständigkeit für die Straße ist zum Jahreswechsel von der Hamburg Port Authority (HPA) ins Bergedorfer Bezirksamt übergegangen. Dort sei man sich der Problematik durchaus bewusst, bestätigt Tiefbauchef Lars Rosinski. Das Thema sei nicht nur in der Stadtwerkstatt Moorfleet diskutiert worden, es gebe auch eine Beschwerde durch Anwohner. Bisher gebe es allerdings keine konkreten Pläne für eine Lösung, sondern müsse in Gesprächen etwa mit der Polizei geklärt werden, ob und was dort gegebenenfalls auch mit baulichen Eingriffen machbar sei, so Rosinski.

Im Zuge der Stadtwerkstatt wurde von Behördenvertretern bereits eine Verlagerung von „Schlüter & Maack“ thematisiert. Doch die favorisiert den Bau einer Stichstraße durch die Moorfleeter Wanne, um den Lkw-Verkehr in Richtung Andreas-Meyer-Straße abzuleiten. Es wäre allerdings auch nicht im Sinne der Anwohner, wenn es noch mehr Eingriffe in die Natur geben würde, um den Verkehr eines Betriebs zu lenken. Christine Saalmüller hat bereits fünf alternative Lösungsideen entwickelt, die statt einer neuen Straße viel mehr eine Verlagerung oder Teilverlagerung des Betriebs vorsehen. Darauf bekam sie jedoch bisher keine Rückmeldung.

Die Moorfleeter setzen nun darauf, dass es noch zu der geplanten Abschlussveranstaltung der Stadtwerkstatt Moorfleet kommt, die für Sommer 2020 vorgesehen war und bislang wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden konnte. „Und ebenso hoffen wir darauf, dass alle Verantwortlichen zu einem Gespräch zusammenkommen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, bevor etwas Schlimmes passiert“, sagt Christine Saalmüller.