Hamburg. In Homeoffice und Homeschooling wird Unterversorgung zum echten Problem. Anwohner zahlen häufig doppelt, um online gehen zu können.
Die „weißen Flecken“ in den Vier- und Marschlanden und im östlichen Bereich von Bergedorf-Stadt beschäftigen weiterhin die Politik. Die abgehängten Gegenden, in denen es keinen oder nur sehr schlechten Internetempfang gibt, sind nach wie vor Thema in diversen Ausschüssen. Seit Jahren und Jahrzehnten bemühen sich genervte Anwohner um eine Verbesserung der Situation.
Einige haben inzwischen schnelles Internet, weil die Telekom ihr Glasfasernetz im Landgebiet erweitert hat, andere warten auf den Hausanschluss und wieder andere, nach Auskunft des Amts für Medien und der Telekom im Regionalausschuss mehrere Hundert Haushalte, können damit nicht rechnen, weil sie zu abgelegen wohnen. Ein Anschluss ihres Haushalts lohnt sich für die Telekommunikationsunternehmen schlichtweg nicht.
Termin war ursprünglich vor einem Jahr
Am Allermöher Deich sind besonders viele Haushalte unterversorgt. Birgit Witt (59) lebt dort mit ihrer Tochter (26), einer Lehrerin. „Sie unterrichtet im Homeschooling“, sagt die Mutter. Für Internetempfang per Funk zahlen die Frauen rund 80 Euro im Monat, „die Handys kosten extra“. Vor ihrer Tür wurden bereits Glasfaserkabel von der Telekom verlegt. „Eigentlich sollte unser Haus schon vor einem Jahr angeschlossen werden. Das verzögert sich leider deutlich.“
Dabei haben die beiden Frauen noch Glück: Ein anderer Bereich ihrer Straße soll nicht an das Highspeed-Netz angeschlossen werden.
Hausanschluss „auf unbestimmte Zeit verschoben“
Filme online zu gucken, sei schlicht nicht möglich, betont Birgit Witt. „Wir zahlen eine hohe Grundsteuer und bemühen uns seit zwölf Jahren vergeblich um vernünftiges Internet. Da stimmt doch was nicht.“ Erhard Thiel wohnt an der gleichen Deichstraße und sieht das ähnlich: Ihm wurde von der Telekom mitgeteilt, dass sein Hausanschluss „auf unbestimmte Zeit verschoben“ wurde. „Eigentlich sollte das bis Anfang März geschehen“, sagt der 65-Jährige. Er hält sich mit LTE (schnelle Datenübertragung über das Handynetz) über Wasser, doch die Verbindung sei schlecht.
„Meine Frau arbeitet beim Finanzamt, derzeit im Homeoffice. Für sie ist das ein echtes Problem, denn man muss lange warten, bis sich Seiten im Internet aufgebaut haben.“ Via Handynetz sei das eigene Datenguthaben begrenzt und schnell aufgebraucht: „Wir zahlen viel Extra-Geld für Upgrades.“
Zu viele Bäume in der Nähe des Hauses
Er habe Richtfunk getestet, „aber der funktioniert bei uns nicht, weil zu viele Bäume in der Nähe unseres Hauses stehen“. Es könnte aber schlimmer sein, betont der 65-Jährige: „Hinter uns liegen vereinzelte Häuser am Deich. Die werden nicht angeschlossen.“
CDU-Politiker Jörg Froh wohnt ebenfalls am Allermöher Deich. Er hat LTE („schlechte Qualität“) und inzwischen auch Richtfunk („stabil“), zahlt so doppelt, um im weltweiten Netz nicht abzustürzen. Froh plädiert dafür, „die vorhandene Technik auszureizen“. Skandinavien mache es uns vor, betont er. Dort sei der Glasfaserkabelausbau viel weiter fortgeschritten, dort werde auch Richtfunk großflächig eingesetzt.
„Genug Geld für die Digitalisierung parat“
„Die Technik kann auf Funkmasten für den Mobilfunk installiert werden und die entsprechenden Antennen auf den Wohnhäusern“, erklärt Froh. Eine weitere Möglichkeit sei, die Signale, die an die Handys gesendet werden, zu verstärken. „Die Grundlagen sind da. Der Bund müsste den Ausbau finanzieren. Schließlich liegt auch genug Geld für die Digitalisierung parat.“ Dem Argument des Amts für Medien in Hamburg könne er nicht folgen: „Die sagen, dass diese Verfahren zu aufwendig sind.“
Die CDU und auch die anderen Parteien blieben bei dem Thema „hartnäckig am Ball“, meint Froh. Da sei sich die Bergedorfer Politik einig. Ein entsprechender CDU-Antrag auf „flächendeckende Internetversorgung“ wurde Ende Januar einstimmig in der Bezirksversammlung beschlossen. Schon im Jahr 2010 habe es den ersten interfraktionellen Antrag zur Internetversorgung gegeben, erinnert der Christdemokrat. „Schließlich zahlen die Bürger Steuern, ist Internet eine Grundversorgung wie Telefon-, Wasser- und Stromanschlüsse.“ Teilhabe an der digitalen Welt dürfe nicht nach dem Zufallsprinzip erfolgen.
Versorgungsprobleme an vielen Orten im Landgebiet
Große Versorgungsprobleme mit der digitalen Technik gebe es nicht nur am Allermöher Deich, weiß Froh, sondern etwa auch in Neuengamme, Zollenspieker und Kirchwerder, beispielsweise „abschnittsweise am Süderquerweg“.
Helene Mews (48) vom Allermöher Deich, ihr Mann und ihre drei Kinder fiebern dem Sommer entgegen: Dann soll das Haus der Familie ans schnelle Glasfasernetz angeschlossen werden. Ob es bei dem Termin bleibt, weiß Helene Mews nicht: „Seit 2017 wurden uns immer wieder neue Termine genannt.“ Ihr Mann, Dozent in der Erwachsenenbildung, arbeitet im Homeoffice. Wenn er im Internet ist, kann der Rest der Familie nicht oder nur sehr langsam digital unterwegs sein. „Wir wohnen hier seit 18 Jahren und haben uns schon damals, beim Bau des Hauses, um schnelles Internet bemüht – bisher vergeblich.“
Zusätzliche Datenpakete: Bis zu 250 Euro im Monat gezahlt
Im Laufe der Jahre habe die Familie immer wieder Datenpakete verschiedener Anbieter erworben und dafür (inklusive Nachbuchungen) bis zu 250 Euro im Monat gezahlt, „Handyverträge extra“. Nun werden monatlich 80 Euro für LTE fällig, das nur von einem Rechner zur Zeit ohne Probleme genutzt werden könne.
Helene Mews hat sich immer wieder an die Politik gewandt: „Ich bin bis nach Berlin gegangen.“ Sie ärgert sich deshalb um so mehr, dass es jüngst eine Beschwerde aus der Grundschule ihres Sohnes Oliver (9; vierte Klasse) gab, weil er nicht an Online-Videotreffen teilnahm. „Dabei habe ich sogar schon die Schulbehörde angeschrieben. Sie darf meinen Kindern gern eine zusätzliche Datenkarte spendieren. Schließlich bekommen andere Kinder die notwendige Hardware zur Verfügung gestellt.“
„Das ist peinlich für Hamburg“
Peter Knittel wohnt an der Rothenhauschaussee in Bergedorf, zwischen der Wald-Kita und Börnsen. Er hat massive Empfangsprobleme, „seltsamerweise auch Nachbarn, die näher an der Bergedorfer City wohnen“. dabei liege ein Datenkabel im Boden, habe er „Internet aus der Steckdose“. Knittel: „Ich habe einen Sondervertrag mit Vodafone, weil ich maximal 6000 Megabit in der Sekunde empfange.“ Der niedrigste Standardwert liege bei 16.000 MBit/s. Er zahle für die geringe Datenpower 30 Euro im Monat, „also kaum weniger als andere Kunden, die wesentlich mehr Datenpower bekommen“.
Knittel verdient sein Geld als IT-Controller bei einer Bank, derzeit ebenfalls im Homeoffice. „Die normale Bürokommunikation wie E-Mails, das Bearbeiten von Excel-Dateien funktioniert, aber Online-Konferenzen und -Termine machen keinen Spaß.“ Wenn Knittel in Schleswig-Holstein Urlaub macht oder „bei Freunden in der Pampa zu Besuch“ ist, wundert er sich: „Die haben alle Glasfasernetz. Das ist peinlich für Hamburg.“