Hamburg. Aufatmen an der Dove-Elbe, neue Straßen und ein Erntedankfest ganz anders - vielen Themen haben die Bewohner im Landgebiet bewegt.

Es gab wohl kein anderes Thema, das die Vier- und Marschlande in den vergangenen zwei Jahren so sehr beschäftigt hat wie die Idee, die Dove-Elbe wieder dem Einfluss von Ebbe und Flut auszusetzen. Mit Spannung wurde daher der Herbst erwartet, für den das Forum Tide Elbe die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie angekündigt hatte.

Zuvor blieb die Bürgerinitiative "Dove-Elbe retten" nicht untätig, sammelte Tausende Unterschriften, verteilte Flyer entlang des Ufers und lud Politiker im Juli zu einer Schiffsfahrt ein. Dutzende kleine und große Boote schlossen sich der Fahrt an: Ein ergreifender Moment, der den großen Zusammenhalt am Fluss verdeutlichte.

Jahresrückblick Vier- und Marschlande: Dove-Elbe großes Thema

Ende September wurde dann die Machbarkeitsstudie präsentiert: Sie ergab, dass eine Öffnung der Dove-Elbe zwar nur sehr geringen Effekt auf das Sedimentmanagement der Stromelbe hätte, aber technisch machbar sei. So herrschte weiter Unsicherheit am Fluss, die symbolische Übergabe von mehr als 13.000 Unterschriften an Bürgerschaftsfraktionen vor dem Hamburger Rathaus folgte.

Ein Aufatmen gab es schließlich Anfang Dezember, als sich auch SPD und Grüne im Umweltausschuss der Bürgerschaft dazu positionierten, eine Öffnung der Dove-Elbe nicht mehr weiter zu verfolgen.

Wie wichtig und beliebt die Dove-Elbe als Naherholungsgebiet ist, hatte sich auch gerade im Corona-Sommer gezeigt: Viele Leute verreisten nicht, aber suchten trotzdem ein Plätzchen auf oder am Wasser. Vor allem an den heißen Tagen im August war extrem viel los am Fluss.

Tatenberger Bucht wurde im Sommer zur Konzertbühne

Und die Tatenberger Bucht wurde sogar zur Konzertbühne: Da der Verein Bergedorfer Hafen nicht wie sonst üblich am Serrahn Konzerte organisieren konnte, lud der Verein zum Konzert auf dem Wasser ein: An Deck eines Fahrgastschiffes sorgten "The Sinners" und "Die JunX" für Livemusik, während sich Konzertgäste auf SUPs, Paddelbooten oder Jachten um das Schiff tummelten. An einem warmen Sommerabend im August wurde das Konzert zu einem vollen Erfolg und einem Abend voll ausgelassener Lebensfreude.

Apropos Wasser: Ein Projekt, das sich noch länger hinzog als die Machbarkeitsstudie zur Öffnung der Dove-Elbe, ist der Bau von Schöpfwerken, um die Entwässerung der Vier- und Marschlande auch bei extremen Wetterlagen sicherstellen zu können. Schon vor sieben Jahren wurde der Plan vorgestellt, in Neuengamme sowie in Zollenspieker und Neudorf entlang der Stromelbe drei Schöpfwerke zu bauen. Doch der Plan konnte nicht umgesetzt werden, weil dafür notwendige Grundstücksankäufe in Neuengamme beharrlich scheiterten.

Ende November wendet sich das Bergedorfer Bezirksamt dann plötzlich einer alternativen Variante zu: In Tatenberg sowie in Allermöhe sollen nun Schöpfwerke entstehen. Möglich wird eine Realisierung durch 10,25 Millionen Euro aus dem Bundehaushalt. Im Hamburger Haushalt sind noch einmal 7,75 Millionen Euro dafür vorgesehen.

Wegen Corona 2020 kein Vierländer Erntedankfest möglich

Schlaglöcher auf dem Curslacker Deich zwischen Curslacker Heerweg und Blauer Brücke.
Schlaglöcher auf dem Curslacker Deich zwischen Curslacker Heerweg und Blauer Brücke. © Thomas Heyen

Gar nicht realisiert werden konnte das Vierländer Erntedankfest. Stattdessen beteiligten sich die Erntemajestäten der Gemeinschaft Vier- und Marschlande (GVM) an der feierlichen Übergabe der Erntekrone durch die Hamburger Landfrauen in der Hauptkirche St. Petri mit Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher (SPD). Der Dank-Gottesdienst im kleinen Kreis stand ganz im Zeichen der Corona-Maßnahmen: Neben viel Abstand in den Kirchenbänken wurde auch Maske getragen, selbst zur Vierländer Tracht.

Überraschend viele Straßen bekamen im Landgebiet eine neue Asphaltdecke: Zu Beginn des Jahres gab das Budget eigentlich nur die Sanierung des Ochsenwerder Kirchendeichs her. Um dem Sanierungsstau zu begegnen, sprachen Mitarbeiter der Tiefbauabteilung in der Senatskanzlei vor und konnten so zusätzliche 5,45 Millionen Euro einwerben. Sieben Straßenabschnitte bekamen dadurch bereits eine neue Fahrbahn, mit Teilen des Süderquerwegs und des Curslacker Heerwegs sollen noch zwei weitere folgen.

Diese Menschen haben uns im Jahr 2020 bewegt:

bz-Plattkolumnistin Ingrid Straumer.
bz-Plattkolumnistin Ingrid Straumer. © Privat

Mit einem Gottesdienst in der Dreieinigkeitskirche wird Elisabeth Fischer-Waubke als Regionalpastorin verschiedet. Fünf Jahre lang war sie für und in den Vier- und Marschlanden tätig gewesen. Thomas Kock wird im Hamburger Rathaus mit dem Hamburger Bürgerpreis ausgezeichnet. Der Neuengammer erhält die Auszeichnung für die Organisation des "Fest der Nationen". bz-Plattkolumnistin Ingrid Straumer gibt nach 23 Jahren und etwa 1200 "lütten Geschichten" den Stift weiter: Seitdem schreibt Thorsten Börnsen die plattdeutsche Kolumne am Sonnabend. Uwe Czaplenski wird nach acht Jahren als Regionalbeauftragter im Bergedorfer Bezirksamt von seinem Posten verabschiedet. Lars Rosinski (43) ist nun der Mann für die Vier- und Marschlande in der Verwaltung. Zurück zur Basis geht es für Karsten Dabelstein: Nach zwölf Jahren als Bereichsführer Vierlande stellt er sich nicht wieder zur Wahl und kehrt in die Einsatzabteilung der FF Curslack zurück.

Udo Voß, Wirt des Gasthofs zum Elbdeich, gibt im Sommer nach 27 Jahren den Platz am Zapfhahn an

Gasthof zum Elbdeich, Udo Voß (67), 27 Jahre lang Wirt vom Gasthof zum Elbdeich und Nachfolger Kasra Yazdi-Nejad (26).
Gasthof zum Elbdeich, Udo Voß (67), 27 Jahre lang Wirt vom Gasthof zum Elbdeich und Nachfolger Kasra Yazdi-Nejad (26). © Lena Diekmann

seinen Nachfolger ab. Auch der Chef des Zollenspieker Fährhauses hört auf: Oliver Kahle geht nach 18 Jahren an der Spitze des Traditionshauses zum Jahresende in den Ruhestand. Auch Helmut Küster vom A&O-Laden am Curslacker Deich geht in Rente: Damit endet2020 auch die Zeit des letzten Tante-Emma-Ladens im Landgebiet. Vor dem Laden bildete sich am letzten Öffnungstag eine lange Warteschlange: Langjährige Kunden verabschieden sich persönlich und brachten Geschenke.

Thomas Sannmann starb nach schwerer Krankheit.
Thomas Sannmann starb nach schwerer Krankheit. © Thomas Heyen

Für immer Abschied nehmen müssen Familie, Freunde und zahlreiche Weggefährten von Thomas Sannmann. Der Gärtnermeister aus Ochsenwerder, der mit seinem großen Enthusiasmus für die grüne Branche stets die Menschen um ihn herum begeistert hatte, stirbt im Juli nach schwerer Krankheit mit nur 61 Jahren. Viel zu jung ist auch Stephan Minks, der im Oktober überraschend stirbt. Der ehemalige Vize-Wehrführer der FF Allermöhe-Billwerder wurde nur 51 Jahre alt. Trauer um Hermann Stahlbuhk aus Neuengamme: Der ehemalige Bereichsführer Vierlande und Landesbereichsführer stirbt im Mai im Alter von 84 Jahren. Für die Feuerwehr hatte sich auch Hermann Harden stets engagiert: Neuengammes ehemaliger Wehrführer stirbt im März im Alter von 84 Jahren. Die Liedertafel Flora von 1861 Zollenspieker betrauert im Juli den Tod von Erich Schott. Ihr langjähriger Vorsitzender wurde 75 Jahre alt.

Was 2020 in den Vier- und Marschlanden passierte:

Januar

Seltener Gast: Ein Wolf streift durch Neuengamme. Eine Wildkamera an einem Hochsitz macht Aufnahmen. Es ist der dritte Nachweis in Hamburg seit 2013.

Vereinsende nach 101 Jahren: Schießclub Zentrum beschließt die Auflösung.

Februar

Gefiederter Frühlingsbote: Der erste Storch kehrt zurück aus dem Winterquartier. Ein Storch am Ochsenwerder Norderdeich ist der erste Rückkehrer.

Sanierung Sommerbad: Becken und Gelände am Horster Damm werden für 250.000 Euro saniert - inklusive Einzäunung, die im Sommer für viel Kritik und Vandalismus sorgt.

März

Familienbetrieb mit Tradtion: Die Zimmerei Barnstorf am Horster Damm feiert ihr 60-jähriges Bestehen.

Bestattung ist Familiensache: Im Vierländer Bestattungsunternehmen Elfriede Frey wird mit Christoph Elze die sechste Generation aktiv.

April

Pandemie vs. Tradition: Das Osterfeuer des Jungesellenclubs Gambrinus muss erstmals abgesagt werden.

Feuer am Holzhafenufer: Auf dem Gelände eines Sportboothafens wüten lichterloh die Flammen. Der ehemalige Hafenmeister wird von seinem Hund geweckt und gerettet. Ein 41-Jähriger steht seit Oktober wegen schwerer Brandstiftung vor Gericht. Der Prozess dauert an.

Mai

Stilles Gedenken: Statt großer Gedenkfeier zum 75. Jahrestag des Kriegsendes legt Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher in kleinstem Kreis einen Kranz am Mahnmal der KZ-Gedenkstätte Neuengamme nieder.

Juni

Schulabschluss mal Elf: An der Stadtteilschule Kirchwerder werden die Fünft- und Zehntlässler sowie Abiturienten verabschiedet. Um alle 250 Schüler coronakonform verabschieden zu können, gibt es insgesamt elf Feiern auf dem Schulhof.

Sherriffs von der Dove-Elbe: Die Wasserschutzpolizei Hamburg belegt einen dauerhaften Liegeplatz in Tatenberg.

Juli

Knapp am Rekord vorbei: Der Nabu Hamburg veröffentlicht die Bilanz der Storchensaison. In den Vier- und Marschlanden wurden 70 Küken aufgezogen und damit nur zwei weniger als im Rekordjahr 2014.

Dramatischer Unfall: Ein Rennradfahrer knallt auf dem Zollenspieker Hauptdeich in das Heck eines geparkten Wagens, schneidet sich am zersplitterten Glas der Heckscheibe die Halsschlagader auf. Zeugen drücken bis zum Eintreffen der Rettungskräfte die Ader zu. Diesem beherzten Eingreifen ist es zu verdanken, dass der 56-Jährige schon bald das Krankenhaus verlassen kann.

Runder Geburtstag: Die Bootsvermietung "paddel-meier" aus Kirchwerder feiert 50-jähriges Bestehen. Coronabedingt gibt es statt geplanter Party eine Tombola für die Kunden. Die Feier soll wenn möglich nachgeholt werden.

August

umsonst & trotzdem: Das Wutzrock-Festival wird digital gefeiert, mit Merchandise-Paketen für zu Hause.

Zügelloses Feiern trotz Corona: Die Polizei löst am Moorfleeter Deich eine Swingerparty mit 70 Teilnehmern auf.

Hitze in Hamburg: Der Andrang an den Badestellen im Landgebiet ist so groß, dass die Polizei an mehreren Tagen die Zufahrten zu den Gewässern sperren muss.

Stimmen sind verklungen: Der Damenchor Teutonia beschließt nach 40 Jahren das Aus.

September

Deichmamsell wird zur Alten Deichkate: Kathrin Mallonn übernimmt Gastronomie im Hufnerhaus des Boberger Reitvereins am Billwerder Billdeich.

Kunst unter Gleisen: Die zuvor beschmierten Wände unter der Bahnbrücke am Mittleren Landweg wurden in einem Projekt der RISE-Gebietsentwicklung mit Kindern aus dem Quartier bunt gestaltet und eingeweiht.

Oktober

Die JunX und der König von Mallorca: Vierländer Schlagerduo ist auf dem Best-Of-Album zum 75. Geburtstag von Jürgen Drews mit einem gemeinsamen Song vertreten.

Sieg gegen Showmaster: Rosalie (11) aus Kirchwerder gewinnt in der Fernsehsendung "Klein gegen Groß" gegen Jürgen von der Lippe im Dialekte-Duell.

Blütenbotschafter gesucht: Ein Student aus Flensburg und Landwirte aus den Vier- und Marschlanden gründen das Projekt "Hamburg blüht" mit dem Paten für Blühflächen im Landgebiet gesucht werden.

November

Wunsch erfüllt: Der Fitnessraum des Bergedorfer Ruder-Clubs am Schleusendamm ist fertig. Mehr als 2,5 Jahre hatten die Wassersportler für die Realisierung und Finanzierung des Anbaus gekämpft.

Neue Heimat für rote Retter: Finanzsenator Dr. Andreas Dressel gibt bekannt, dass die Finanzierung für das neue Feuerwehrhaus der FF Allermöhe-Billwerder am Allermöher Deich endlich gesichert ist. Das Bauschild wurde bereits vor zwei Jahren aufgestellt. Nun soll das Haus Anfang 2022 fertig sein.

Neuer Gedenkort: Der "Ort der Verbundenheit" auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Neuengamme wird eingeweiht. Angehörige früherer KZ-Häftlinge können den Erinnerungsort aktiv mitgestalten und Plakate entwerfen und drucken.

Das vergessene Buch: Das Kultur-und Geschichtskontor veröffentlicht „Vierländer Fahrten“ von Hans Förster (†1966). Das bisher unveröffentlichte Buch vollendet die Trilogie des Hamburger Malers und Schriftstellers.

Dezember

Abschied von der Alten Schule: Dagmar Nettelmann Schuldt lädt zum letzten Mal zu einer Ausstellung in ihr Atelier am Allermöher Deich. Der Mietvertrag mit der bildenden Künstlerin war überraschend nicht verlängert worden.

Deich Fatal: Autorin Silke Schopmeyer veröffentlicht ihren vierten Vier- und Marschlande-Krimi mit Hobby-Ermittler Karlo Kolberg.