Kirchwerder. NCL ist eine seltene, tödlich verlaufende Stoffwechselkrankheit. Seit ihre Kinder erkrankt sind, kämpft Sabine Schnau für die Erforschung.
Ihre Augen lachen, sie kann reden, überzeugen, sie hat Mut und sprüht vor Energie: Sabine Schnau (50) aus Kirchwerder scheint Kraft zu verdoppeln, indem sie sie teilt. Gerade hat sie mit ihrem Verein „Nächstenliebe“ 50.000 Euro gesammelt und an die Universitätsklinik Eppendorf gespendet. Mit dem Geld wird die Forschungsarbeit zu einer seltenen Stoffwechselkrankheit unterstützt: Neuronale Ceroid Lipofuszinose (NCL).
Es ist nicht das erste Mal, dass Sabine Schnau, unterstützt von ihrem Verein „Nächstenliebe“ und ihrem Partner Ralf Heinemann, Klinken geputzt hat, um Spenderherzen zu erweichen. In den vergangenen acht Jahren hat sie gut 250.000 Euro für die Forschung zusammengetrommelt – mit Benefizkonzerten, legendären Plastikenten-Rennen, mit Hilfe von Sponsoren und mit den Erlösen aus kleinen Feiern. „Doch es wird immer schwieriger“, sagt sie. Spendenakquise ist ein harter Job. Noch heftiger aber wird es, wenn das Thema ein hochsensibles ist: das Sterben und der Tod von Kindern.
Im Kindesalter NCL diagnostiziert
Sabine Schnau weiß sehr genau, wovon sie spricht. Bei ihren Söhnen André und Jan-Hendrik ist im Kindesalter die sogenannte juvenile NCL diagnostiziert worden. Erblindung, geistiger Abbau, Bewegungsstörungen, epileptische Anfälle und eine Lebenserwartung von nur etwa 25 Jahren – der Krankheitsverlauf liest sich entmutigend.
Doch Sabine Schnau bietet Paroli: „Jeder Tag soll für die Jungen der Schönste in ihrem Leben sein.“ Sie organisierte, dass die glühenden HSV- beziehungsweise Freezers-Fans Spiele im Stadion miterleben können, die beiden fuhren Tandem, gingen auf den Dom oder in die Disco. Sie schafft es, dass die Jungen so selbstbestimmt und eigenständig wie möglich aufwachsen. Und sie setzt wegweisende Zeichen: André war der erste junge Mann mit NCL, der als 18-Jähriger in einer Elbewerkstatt arbeitete, Jan-Hendrik konnte als 15-Jähriger sogar eine Ausbildung machen.
Tödlicher Verlauf nicht zu stoppen
Als sich für André Schnau im Alter von fast 19 Jahren ein großer Wunsch erfüllt und er auszieht, ist es wie ein kleines Wunder: Die Krankheit stagniert für zwei Jahre. „Auch die Ärzte konnten sich das nicht erklären“, sagt Sabine Schnau. Die Selbstständigkeit und die positiven Impulse schienen dem jungen Mann einfach richtig gut zu tun.
Doch der tödliche Verlauf der Krankheit war letztlich nicht zu stoppen. Mit 23 Jahren war André Schnau auf den Rollstuhl angewiesen. In diesem Sommer wurde er nach einer Reihe Durchfallattacken, Infekten und Lungenentzündungen immer schwächer. Schließlich stand der Entschluss des 26-Jährigen fest: Er wollte sterben – so selbstbestimmt wie er gelebt hatte. Er verweigerte die Nahrung.
Letzte Ruhe auf dem HSV-Friedhof
Unermessliche Gefühle, die nur nachvollziehen kann, wer selbst ein Kind hat gehen lassen müssen. „Er ist einen guten Weg gegangen, auch wenn es unendlich traurig war“, sagt Sabine Schnau. So nüchtern sich solche Worte lesen, so liebevoll klingen sie. Auch die nächsten Schritte wurden voller Bedacht und in Würde getan. So stimmte die Mutter einer wissenschaftlichen Obduktion zu – die weltweit erste bei dieser Erkrankung. Eine konsequente Entscheidung, die Forschung sinnvoll zu unterstützen. Seine letzte Ruhe hat André Schnau ganz in der Nähe von einem seiner Lieblingsplätze gefunden: auf dem HSV-Friedhof beim Stadion – natürlich klebten blau-weiße Aufkleber auf der Urne, ziert den Stein eine Raute.
„Ich habe in den vergangenen Jahren alles für meine Söhne gegeben“, sagt Sabine Schnau. Sie hat derart viele Hürden übersprungen und Steine aus dem Weg geräumt, dass vor gut drei Jahren auch ihre persönliche Vision Wirklichkeit werden konnte: Sie hat sich in Hamm selbstständig gemacht und setzt nun ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Talente für viele andere Menschen ein.
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