Verein “Familienhafen“ will da helfen, wo selbst die Eltern verzweifeln: im Alltag der Betroffenen.
Sie haben oft über Monate oder Jahre kaum das Haus verlassen. Haben jeden Tag das Kind versorgt, getröstet, zum Arzt gefahren. Und oft in Sorge und Angst gelebt. Familien mit todkranken Kindern sind enormen Belastungen ausgesetzt. Ihnen und den Kindern selbst zu helfen, ist das Ziel des noch jungen Hamburger Vereins "Familienhafen". Die Gruppe engagierter Ehrenamtlicher möchte betroffene Familien in ihrem häuslichen Umfeld unterstützen - und das jetzt auch in Bergedorf. Für den Bezirk, aus dem es Anfragen Betroffener gibt, werden Ehrenamtliche gesucht.
2008 ist der Verein (Sitz in Eidelstedt) gegründet worden. Viele der Gründer hatten sich vorher im Kinderhospiz Sternenbrücke engagiert. Dort werden Kinder, und auf Wunsch ihre Familien, maximal bis zu vier Wochen im Jahr zu sogenannten Entlastungsaufenthalten aufgenommen, zeitlich unbegrenzt dann in ihrer letzten Lebensphase. Hilfsangebote für den normalen Alltag fehlten in Hamburg jedoch. Das stellte auch Marita Hoyer - Betriebswirtin im Gesundheitswesen, Arzthelferin und zugleich ehrenamtliche Mitarbeiterin der Sternenbrücke - fest, als sie eine Analyse über den Kurzzeitpflegebedarf erstellte. Mit anderen Ehrenamtlichen entwarf sie die Idee eines zusätzlichen Hilfsangebotes für betroffene Familien. Schnell stellte sich heraus: "Es fehlte an Hilfe zu Hause."
Hier setzt der Verein an. Er vermittelt Ehrenamtliche, die den Betroffenen je nach Möglichkeit mehrere Stunden pro Woche kostenfrei zur Seite stehen. Neben Hilfe bei behördlichen oder organisatorischen Angelegenheiten wollen sie Ansprechpartner sein, Tröster und Ratgeber.
"In erster Linie sind wir für das Kind da", sagt Marita Hoyer. "Aber oft brauchen natürlich auch die Eltern Ansprechpartner." Massiv leiden zudem die Geschwisterkinder, die zwangsläufig in die zweite Reihe rücken. In solchen Situationen zu helfen, ist nicht leicht. Die Ehrenamtlichen werden deshalb umfangreich geschult: 100 Stunden umfasst die meist auf mehrere Abende verteilte Schulung. Maximal acht Stunden davon dürfen versäumt werden. Inhalte sind unter anderem die Selbstreflexion, Grundlagen der Kommunikation, Krankheitsbilder bei Kindern und die Trauerbegleitung.
Eine, die diese Schulung jetzt hinter sich hat und inzwischen eine Familie betreut, ist Andrea Frese (49) aus Ottensen. Die Verlagsangestellte wollte sich schon immer ehrenamtlich für Kinder engagieren, konnte dies aber oft nicht mit ihrem Beruf vereinbaren. Übers Internet fand sie den "Familienhafen". Jetzt betreut sie eine alleinerziehende Mutter, deren Sohn an der Krankheit NCL leidet. Der Gendefekt verursacht unter anderem Erblindung, geistigen Abbau und epileptische Anfälle. "Die Mutter weiß von der Krankheit erst seit einem Jahr, kann sich ganz schwer von dem Jungen lösen", sagt Andrea Frese. Auch die älteren Geschwisterkinder kommen nur schwer mit der Situation klar.
Ehrenamtliche Helfer müssen mit solchen Problemen umgehen können. "Das geht nur, wenn man selber seine Mitte gefunden hat", glaubt Andrea Frese, selbst Mutter zweier Töchter (18/20 Jahre). Mit sterbenden Kindern umgehen, "das hätte ich früher, als meine Töchter noch klein waren, nicht gekonnt", gibt sie zu.
Doch "nicht immer ist alles nur schrecklich", sagt Marita Hoyer. Oft sei der Alltag in den Familien auch ganz gelöst: "Da wird genauso gelacht." Dennoch: Wer sich für ein Ehrenamt beim "Familienhafen" interessiert, sollte Bereitschaft mitbringen, "sich mit dem Thema Tod zu befassen".
Details sind im Büro an der Pinneberger Chaussee 33, Telefon (040) 796 95 820, zu erfahren. Für die Bergedorfer Betroffenen sucht der noch kleine Verein (zurzeit 14 Ehrenamtliche und sechs betreute Familien) Menschen, die möglichst im Bezirk wohnen.
Internet: www.familienhafen.de