Oortkaten. Das Sturmtief „Carmen“ fegte am Wochenende über den Norden hinweg und richtete schwere Schäden an. Im Deichvorland von Oortkaten wurde in der Nacht zum Sonnabend eine Schafherde Opfer der Sturmfolgen. 250 grasende Schafe wurden vom Hochwasser überrascht. 150 Tiere verendeten jämmerlich.
Gegen 20.30 Uhr wurde die Freiwillige Feuerwehr Hohendeich alarmiert. Als erste Kräfte am Elbdeich gegenüber dem Hohendeicher See eintrafen, forderten diese sofort Verstärkung an. Die Feuerwehr Hamburg löste Großalarm aus und schickte mehrere freiwillige Wehren aus dem Landgebiet sowie Schlauch-, Motor- und ein Löschboot zum Einsatzort. Insgesamt beteiligten sich mehr als 80 Feuerwehrleute an dem Rettungseinsatz für die bedrohten Tiere. Die am Overwerder Hauptdeich grasende Schafherde war vom Hochwasser regelrecht eingeschlossen. Panisch blökten die Tiere, kletterten in Todesangst dicht gedrängt auf eine Anhöhe. Viele schafften dies nicht, ihre Wolle hatte sich schon mit kaltem Elbwasser vollgesogen, die Tiere brachen zusammen.
Als die Feuerwehr Hohendeich anrückte, waren schon mehr als 100 Tiere verendet.
Die Feuerwehrmänner forderten umgehend Verstärkung an. Ein Löschboot fuhr von der Elbseite an den Einsatzort. Verzweifelt versuchten die Feuerwehrleute mit Helfern des Schäfers jedes Tier zu retten, das sich noch bewegte. Das Gelände war jedoch schwer zugänglich.
Zum Paddeln mit Schlauchbooten war das Wasser teilweise zu flach, zu Fuß in Wathosen waren die Untiefen zu tief. Mit Hilfe von Rettungstragen und an Seilen gezogenen Schlauchbootfähren gelang es den Helfern schließlich, rund 100 völlig entkräftete Tiere aus dem knietiefen Wasser zu retten. Viele von ihnen starben aber anschließend an Unterkühlung.
Der Feuerwehr war es zweieinhalb Stunden lang nicht gelungen, einen Tierarzt an die Einsatzstelle zu holen. „Es gibt keinen tierärztlichen Notdienst und es muss auch ein Tierarzt sein, der sich mit Huftieren auskennt“, versuchte Feuerwehrsprecher Manfred Stahl dies zu erklären.
Notdürftig versorgte die Auszubildende des Schäfers, Catrin Peters, die frierenden Schafe mit Antibiotikaspritzen. Doch das Mittel reichte nur für eine Handvoll Schafe. Die Feuerwehr hüllte Tiere in Rettungsdecken. „Die Freiwilligen Feuerwehren im Landgebiet sind wegen ihrer Erfahrung aus der Landwirtschaft besonders erfahren im Bereich der Tierrettung", sagte Stahl.
Später, bei ablaufendem Wasser, konnte das Gebiet auch mit Traktoren befahren werden. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Helfer massenweise Tierleichen einsammeln. Auf Lastwagen und mit Tiertransportern wurden die mehr als 150 toten Schafe zunächst in eine nahe gelegene Scheune gebracht. Die Auszubildende des Schäfers wurde wegen Unterkühlung mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren, verließ dies aber schon bald wieder.
Die Einsatzleitung informierte auch das Bezirksamt. Bezirksamtsleiter Dr. Christoph Krupp fuhr umgehend an den Overwerder Hauptdeich, um sich vor Ort selbst ein Bild der Lage zu machen: „Das ist ein unglaubliches Drama hier“, sagte Krupp sichtlich geschockt von der Zahl der toten Tiere. „Es ist absolut unverständlich, wie der Schäfer die Tiere bei einer derartigen Wetterlage vor dem Deich weiden ließ.“ Das Hochwasser habe sich angekündigt, gerade angesichts der seit zwei Tagen andauernden Sturmwetterlage. Krupp dankte den Helfern der Feuerwehren für den kräftezehrenden Rettungseinsatz.
Deichschäfer Volker Derbisz ist entsetzt über die Vorwürfe: „Ich war noch vor der Feuerwehr am Einsatzort. Meine Auszubildende und zwei weitere Helfer haben alles zur Rettung der Tiere getan. Wir sind vom Hochwasser überrascht worden. Das ging alles furchtbar schnell“, sagte Derbisz gestern auf unsere Nachfrage. Der Schäfer dementierte anderslautende Meldungen, er sei nicht rechtzeitig vor Ort gewesen und habe sein Alarmhandy an einen Vertreter weitergegeben: „Ich habe meine Aufsichtspflicht nicht verletzt!“
Die Kritik: Spätestens um 18 Uhr, nachdem von der Feuerwehr die Sirene in Oortkaten zur Flutwarnung ausgelöst wurde, hätten die Tiere umgehend aus dem Gefahrenbereich vor dem Deich evakuiert werden müssen.
Die Polizei ermittelt. Polizeisprecher Mirko Streiber sagte, man prüfe, ob sich der Schäfer strafbar gemacht habe.