Bergedorf. Es ist das Abenteuer ihres Lebens: Jugendliche haben sich für Wettkampf in Florida qualifiziert. Doch die Finanzierung ist ein Problem.
Es ist das größte Abenteuer ihrer bisherigen sportlichen Karriere: Das Cheerleading-Team HSC Rockstars von der TSG Bergedorf hat die Qualifikation für den Wettbewerb „The Summit“ geschafft und misst sich vom 2. bis 5. Mai 2024 im legendären Walt Disney World Resort in Orlando (Florida) mit den besten Vereinsformationen der Welt. „Das ist die Champions League des Cheerleadings“, sagt die Trainerin Michelle Menke ehrfürchtig.
Doch die enormen Kosten von rund 50.000 Euro für die Reise in die USA, dem Mutterland ihres Sports, sind für die 21 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren kaum zu stemmen. Daher haben sie eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen und hoffen darauf, über Spenden zumindest die Hälfte der zu erwartenden Kosten zusammenzubekommen. Parallel dazu wurde bei der Organisation gespart, wo es ging. So erfolgt die Anreise nicht per teurem Direktflug nach Orlando, sondern das Team nimmt eine dreistündige Autofahrt von Fort Myers aus in Kauf.
Bergedorfer Cheerleader messen sich in Orlando (Florida) mit den Besten der Welt
Zudem bemühen sich die Jugendlichen – zum Team gehören 19 Mädchen und zwei Jungs – auch selbst, Geld für den Trip zu sammeln. Sie treten auf Weihnachtsmärkten und anderen Festen auf, verkaufen Waffeln, haben eigene Merchandise-Produkte erstellt. „Rund 2200 Euro kostet die Reise pro Familie“, rechnet Organisator Oliver Gerst vor, dessen Tochter Carlotta zu den Rockstars gehört. Das Problem: Da die Cheerleader keine Spendenquittungen ausstellen können, sind sie bei vielen Firmen außen vor und somit ganz auf private Gönner angewiesen.
HSC, das steht für „Hamburg Supreme Cheer“, und der Name ist keine Übertreibung. Seit Jahren mischen die Cheerleading-Teams der TSG Bergedorf nicht nur in der Hansestadt, sondern in ganz Deutschland vorn mit. „Der Stamm des Teams ist bereits seit 2021 zusammen, als wir den Neustart nach der Corona-Pandemie begonnen haben“, schildert Michelle Menke. Die 24-Jährige trainiert die Jugendlichen gemeinsam mit ihren beiden Trainer-Kolleginnen Vanessa Gonchar und Liza Piper.
Zwei Deutsche Meistertitel hat die Formation aus Bergedorf bereits gewonnen
Die Mitglieder der HSC Rockstars kommen zum überwiegenden Teil aus Neuallermöhe und Bergedorf. „Wir haben aber auch Aktive aus Norderstedt oder Harburg dabei“, erzählt Menke. Erfolge stellten sich schnell ein. In den Jahren 2022 und 2023 wurden die Rockstars Deutscher Meister in ihrer Klasse „U18 Junior Coed Level 4“. Dabei steht „Coed“ für „Jungs erlaubt“, die Level 0 bis 4 sind Leistungsklassen für Vereinsteams. Darüber gibt es im Cheerleading-Sport noch die Level 5 bis 7 für Nationalteams.
Trainiert wird dreimal pro Woche. Mindestens. Der Leistungsanspruch ist hoch, die Jugendlichen brauchen eine enorme Disziplin. Akribisch wird an jeder Einzelheit der Kür – im Cheerleading-Sport „Routine“ genannt – gefeilt. „Eine Routine lebt nun einmal davon, dass jedes Detail perfekt ist“, kennt Menke kein Pardon. Mit ihren beiden Trainerkolleginnen hat sie die Choreografie entworfen. Jeder Schritt, jede Handbewegung ist genau festgelegt.
Erst entsteht die Choreografie, dann kommt die passende Musik dazu aus den USA
Anschließend wird der Vortrag von der Gruppe einstudiert und eine Probe-Aufführung gefilmt. „Die Bilder schicken wir dann in die USA und bestellen eine Musik dazu, die ganz genau auf unsere Abläufe passt. Das machen etwa 80 Prozent aller Cheerleading-Teams so“, erläutert Menke. Die Frage nach der Henne und dem Ei wäre damit also beantwortet: Erst entsteht die Choreo, dann die Musik, genau andersherum also wie im Eiskunstlauf.
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Bewertet wird ein Cheerleading-Vortrag nach drei Kriterien: den Akrobatik-Elementen (Stunts), den turnerischen Elementen sowie dem „Flow of the routine“, also der Harmonie des Vortrags und der Übergänge zwischen den Elementen. Auf der Bühne gibt es dabei unterschiedliche Aufgaben, die von den Sportlerinnen und Sportlern bewältigt werden müssen. Die „Bases“ bilden den Unterbau einer Pyramide. Sie stemmen die kleineren und leichteren Teammitglieder, die „Flyer“, nach oben werfen sie auch in die Luft.
Blaue Flecken sind normal: Cheerleader müssen hartgesotten sein
Cheerleading ist kein Sport für Weicheier, blaue Flecken sind normal. „Als Flyer lernt man, im Flug nicht die Arme auszustrecken, weil bei der Landung sonst schnell eine Nase getroffen werden kann. Es ist besser, den Po vorauszustrecken“, verrät Menke. Sich aus großer Höhe fallen zu lassen im Vertrauen darauf, dass die anderen einen schon auffangen werden, benötigt viel Vertrauen innerhalb des Teams. Den „Bases“ kommt daher eine enorme Verantwortung zu. Jeder Fehler von ihnen kann dramatische Folgen haben. „Der Flyer muss unter allen Umständen gefangen werden“, betont Menke.
Nachdem sich die HSC Rockstars in der nationalen Spitze etabliert haben, wollen sie ihr Können nun in Florida erstmals gegen internationale Konkurrenz zeigen. Darunter werden auch einige Formationen vom Gastgeber USA sein, wo dieser Sport einen ganz anderen Stellenwert hat und Wettkämpfe sogar live im Fernsehen übertragen werden. Für die Rockstars ist es eine einmalige Chance in ihrer sportlichen Karriere, da ein Teil des Teams anschließend zu alt für die U18-„Juniors“ sein wird.
Cheerleading im Mutterland USA, das ist „eine ganz andere Welt“
„In Orlando wartet eine ganz andere Welt auf uns“, weiß Michelle Menke, die mit dem Erwachsenenteam der TSG Bergedorf, den HSC Spiritstars bereits in diesem Jahr beim „Summit“ in Florida am Start war und mit ihrem Team den sechsten Platz belegt hat. Nun kehrt sie mit einer verschworenen Gemeinschaft an ehrgeizigen Teenagern wieder zurück, um erneut nach den Sternen zu greifen. Wenn, ja wenn es gelingt, die Finanzierung des Projektes zu stemmen.
Crowdfunding-Projekt der HSC Rockstars: https://gf.me/v/c/mdcp/hsc-rockstars-the-summit-2024.