Die Welt des Sports ist dermaßen ungerecht, dass man sich fragt, warum so viel Diskriminierung so selbstverständlich bleibt.

Im Sommer hatte Alba Berlin den ersten Schritt gemacht. „Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt“, schrieb Geschäftsführer Marco Baldi auf der Homepage des Vereins. Und löste damit eine Debatte aus, die so erwartbar war wie überflüssig. Feministen, darunter viele Frauen, empörten sich, Männer hätten nicht darüber zu entscheiden, wann, wo und wie Frauen ihren Sport betreiben. Nicht-Feministen, darunter viele Männer, kritisierten die Entscheidung, weil sie mit einer jahrzehntelangen und durchaus lieb gewonnenen Tradition brach.

Für das Danceteam der Hamburg Towers bedeutete dieser Beschluss weiter nichts. Und doch reagierte der Verein. „Cheerleading ist Leistungssport, keine Peepshow. Ich war selbst ein paarmal beim Training, da geht es knallhart zur Sache“, sagte Geschäftsführer Marvin Willoughby. Womit er natürlich recht hatte. Dennoch ging die Alba-Debatte am Kern der Problematik vorbei. Denn die sollte sich nicht darum drehen, ob Cheerleading nun Sport ist oder nur ein bisschen Gewedel und Gehüpfe. Sondern um die Frage von Gleichberechtigung – und angemessener Bezahlung.

Iris Mydlach ist stellvertretende Leiterin des Sportressorts beim Abendblatt.
Iris Mydlach ist stellvertretende Leiterin des Sportressorts beim Abendblatt. © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten

Cheerleading ist, um es gleich vorauszuschicken, ein anspruchsvoller Sport, der von Frauen und Männern ausgeübt werden kann und in den USA mit College-Stipendien gefördert wird. Es gibt eine Bundesliga und regelmäßig Wettkämpfe, und wer ein Anhänger der Hüpf-und-Wedel-These ist, darf gern einmal bei einem Training vorbeischauen oder sich am besten gleich selbst ausprobieren. Cheerleading stellt hohe Anforderungen an die Athletinnen – sie müssen nicht nur komplexe Choreografien beherrschen, motorisch und akrobatisch topfit sein. Sondern auch mit ihrer Ausstrahlung ein Publikum mitreißen, das gerade frustriert die fünfte Heimniederlage in Folge
herbeifürchtet.

Aber während die Männer auf dem Spielfeld Profis sind, also von ihrem Job leben können, bekommen die Cheerleader für ihren Auftritt am Spieltag auf den Cent genau: null Euro. Was nicht die Ausnahme ist, sondern der Normalfall und stellvertretend steht für eine seit Jahrzehnten andauernde Ungerechtigkeit, die von den meisten Beteiligten noch immer stillschweigend hingenommen wird.

Frauen, die Männer anfeuern, haben im Sport eine lange Tradition. Die Geschlechtergerechtigkeit leider nicht. Mehr noch: Die Welt des Sports ist dermaßen ungerecht, dass man sich fragt, wie so viel Diskriminierung so unkommentiert und selbstverständlich gelebt werden kann. Am deutlichsten wird die Ungleichverteilung jedes Jahr bei der Veröffentlichung der Forbes-Liste der bestbezahlten Sportler der Welt. Auch 2019 dauert es wieder ein wenig, bis man die einzige Frau findet: Serena Williams, Rang 63. Immerhin. Während Williams’ Babypause mussten die Top 100 tatsächlich ganz ohne eine Frau auskommen.

Es gibt keinen zwingenden Grund dafür, dass Frauen weniger Präsenz in den Medien haben, weniger Sätze spielen müssen, um zu gewinnen, dass ihre Finals grundsätzlich vor denen ihrer männlichen Kollegen stattfinden. Und keinen Grund dafür, dass sie ebenso grundsätzlich weniger verdienen. Auf 92 Millionen US-Dollar wird das Jahresgehalt des argentinischen Fußballprofis Lionel Messi geschätzt – mehr als doppelt so viel wie die Summe aller Jahresgehälter der Frauen in den besten sieben Fußballligen der Welt: 42,6 Millionen US-Dollar.

Geld bedeutet wie überall dort, wo Leistung entlohnt wird, nicht nur die Wertschätzung für erbrachte Arbeit. Sondern auch Einfluss und Macht. Die Welt des Sports ist ein geschlossenes, sich selbst ernährendes System, von dem bislang vor allem die profitieren, die sich auch um die Zeit nach dem Profi-Dasein nicht zu sorgen brauchen. Der Widerstand vieler Profisportlerinnen gegen diese Ungerechtigkeit wächst.

Was wäre das für eine Chance gewesen: am Anfang der Basketballsaison zu entscheiden, den Cheerleading-Teams in den Bundesligen für ihre hart erarbeitete Show ein Budget zu geben. Sie für den Aufwand, das Training, die geleisteten Stunden angemessen zu bezahlen. Anstatt sie für überflüssig zu erklären.