Dassendorf. Der ehemalige Bundesliga-Profi Marcel von Walsleben-Schied stürmt nun in Mecklenburg-Vorpommern an der Seite eines Reality-TV-Stars.
Es ist sonnig, aber bitterkalt am vergangenen Sonnabendnachmittag im verschlafenen Lalendorf. Die meisten der rund 3.000 Einwohner der knapp 50 Kilometer von Rostock entfernt liegenden Gemeinde bleiben bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sowie immer mal wieder einsetzendem Schneeregen lieber in den eigenen vier Wänden. Eine Handvoll Zuschauer hat sich dann aber trotz des ungemütlichen Wetters im ALFA24-Stadion eingefunden. Auf dem nach einer Gebäudereinigungsfirma benannten Sportplatz an der Schulstraße läuft das Freundschaftsspiel zwischen dem FC-KSG Lalendorf und dem SV Wittenbeck. Elfte Liga gegen Zehnte Liga – und doch eine Partie mit Fußball-Prominenz auf dem Rasen.
Während bei den Gästen in Spieler-Trainer Ronny Garbuschewski ein langjähriger Drittliga-Profi das Sagen hat, geht für die Hausherren sogar ein früherer Bundesliga-Stürmer auf Torejagd: Marcel von Walsleben-Schied. 40 Jahre alt ist der Angreifer nun, der unter anderem für Hansa Rostock, Holstein Kiel und Eintracht Braunschweig aufgelaufen ist und nach dem Ende seiner Karriere als Berufsfußballer noch sehr erfolgreich für die TuS Dassendorf in der Oberliga Hamburg spielte. Drei Meisterschaften und zwei Lotto-Pokal-Siege feierte „Schiedi“, wie er überall gerufen wird, mit der TuS. Nach einem kurzen Intermezzo beim SV Curslack-Neuengamme, das er während der Corona-Pause 2021 beendete, wollte er seine Schuhe eigentlich endgültig an den Nagel hängen.
Marcel von Walsleben-Schied: Ex-Bundesliga-Profi zerschießt die 11. Liga
Doch der bei Hagenow (Mecklenburg-Vorpommern) wohnhafte Vollblutstürmer konnte einfach nicht ablassen von seiner Leidenschaft. Zunächst feierte er ein Comeback beim Hagenower SV, dann ging er noch ein Jahr für den MSV Pampow in der Verbandsliga auf Torejagd. Im vergangenen Sommer hatte eigentlich endgültig Schluss sein sollen. So hatten es der zweifache Familienvater und der MSV öffentlich kommuniziert. Es kam – wieder einmal – anders.
Von Walsleben-Schied erhielt eine Offerte vom FC KSG Lalendorf, der mit viel Finanzkraft und höherklassigen Zugängen in sieben Jahren den Durchmarsch von der Kreisklasse in die Verbandsliga schaffen will – mit dem Ex-Profi als Zugpferd. Eine fraglos interessante Aufgabe. Dennoch zögerte von Walsleben-Schied. „Als die Anfrage kam, wollte ich es eigentlich nicht machen, weil die Entfernung zu groß ist. Dann haben wir ein passendes Modell gesucht und einen Mittelweg gefunden, dass ich einmal die Woche zum Spiel komme“, erklärte der 40-Jährige der „Schweriner Volkszeitung“ (SVZ).
In 110 Oberliga-Spielen für die für TuS Dassendorf 70 Treffer erzielt
Seit einigen Monaten fährt der frühere Dassendorfer Torjäger, der in 110 Oberliga-Partien für die TuS 70 Treffer erzielte, jedes Wochenende die knapp 130 Kilometer von seinem Wohnort Hagenow nach Lalendorf und dieselbe Distanz zurück, um mit dem Dorfclub um Elftliga-Punkte zu kämpfen. Von Walsleben-Schied ist auch mit seinen 40 Jahren für diese Spielklasse völlig überqualifiziert und für die gegnerischen Abwehrreihen kaum zu verteidigen. Nach neun Partien hat er bereits 26 Saisontreffer auf dem Konto.
Zuletzt traf er beim 14:0 gegen den SV Aufbau Liessow/Diekhof viermal. Davor waren ihm beim 9:0-Auswärtserfolg beim SV Pastow II sogar fünf Tore gelungen. „Das will ich gar nicht überbewerten. Was viel schöner ist, ist, wenn ein Gegenspieler nach einem schönen Treffer auf mich zukommt und sagt: ,Das war eine megageile Kiste!‘ Diesen fairen Umgang wünscht man sich einfach. Das war bisher so, und deshalb macht es auch echt Spaß“, erklärte der Stürmer der „SVZ“.
„Der Kühlschrank war sein größter Gegner“: Reality-TV-Star Kevin Pannewitz
Starallüren zeigt von Walsleben-Schied trotz 178 Einsätzen in der Zweiten Liga sowie 99 Drittliga- und vier Bundesliga-Partien nicht. Seine bescheidene und authentische Art machte ihn bereits in Dassendorf zum Publikumsliebling. Das ist er nun auch hier in der Mecklenburgischen Provinz, in der „Schiedi“ wie damals bei der TuS nicht der einzige Ex-Profi ist. Auch Kevin Pannewitz schnürt inzwischen für den Kreisklassen-Club seine Schuhe.
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Der gebürtige Berliner galt einst als eines der größten deutschen Talente, spielte für Hansa in der Zweiten Liga und stand beim VfL Wolfsburg im Bundesliga-Kader. Es folgte ein beispielloser Absturz, der auf Gewichtsproblemen und seinem unsteten Lebenswandel gründeten. Zuletzt hatte er sich in der Kampfsportart Mixed Martial Arts versuchen wollen. Aber der Traum von einer Karriere als „Käfigkämpfer“ platzte auch. Nun arbeitet er in Berlin als Straßenfeger.
Obwohl es ein bedeutungsloses Freundschaftsspiel ist, gibt „Schiedi“ alles
Ganz austrainiert ist „Panne“, wie der 32-Jährige gerufen wird, auch aktuell nicht, um es freundlich auszudrücken. „Der Kühlschrank war sein größter Gegner“, titelte einst die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ über Kevin Pannewitz. Für Liga elf reicht es in Anbetracht seines feinen Füßchens aber immer noch – zumindest für einige Minuten.
Im Testkick gegen Wittenbeck fehlt Pannewitz. Auch sonst kommt er, wie mit den Verantwortlichen vereinbart, nur zu Heimspielen. Von Walsleben-Schied dagegen ist auch für das sportlich bedeutungslose Freundschaftsspiel angereist. In der 36. Minute erzielt der 40-Jährige das 2:1. Am Ende siegen die Lalendorfer mit 3:1. Das schwarz-gelbe Trikot, Hose und Stutzen sowie die Ärmel des weißen Unterzieh-T-Shirts sind nach dem Schlusspfiff voller Matschflecken. Marcel von Walsleben-Schied hat wieder einmal alles gegeben. In der Kreisklasse. Mit 40 Jahren.