Bergedorf. Nach dem frühen WM-Aus des deutschen Nationalteams bleibt ein neuer Boom wohl aus. Wen das im Heimatgebiet besonders hart trifft.

Wenn Mitte September in den Hamburger Amateurligen die Saison im Frauenfußball startet, werden wir schon wissen, wer die neuen Weltmeisterinnen sind. Eines ist sicher: Die deutschen Damen werden es nicht sein. Nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Australien und Neuseeland ist auch die Hoffnung auf einen neuerlichen Boom dahin. Was bedeutet das für den Frauenfußball im Heimatgebiet?

Auf den ersten Blick nicht viel: Am Wochenende 9./10. September schicken mit dem ASV Bergedorf 85, FC Bergedorf 85, SC Vier- und Marschlande, SV Altengamme, SV Curslack-Neuengamme, der TuS Dassendorf, dem Escheburger SV und der TSV Reinbek immerhin acht Vereine ihre Teams auf dem Elferfeld ins Rennen. Hinzu kommen mit dem FSV Geesthacht, SC Schwarzenbek und SV Nettelnburg/Allermöhe weitere drei Clubs, bei denen es zumindest für das Siebenerfeld reicht.

Nach WM-Aus: Bergedorfer Frauenfußball zwischen Trauer und Hoffnung

Elf Vereine, die leistungsmäßig Frauenfußball betreiben – sieht auf den ersten Blick doch gar nicht so schlecht aus. Doch es ist mehr Masse als Klasse. In den höheren Hamburger Ligen, der Oberliga und Landesliga, ist der Hamburger Osten komplett von der Landkarte verschwunden. Mit dem SC Vier- und Marschlande und dem Aufsteiger ASV Bergedorf 85 spielen zwei Vereine in der Bezirksliga. Der komplette Rest läuft in der untersten Spielklasse, der Kreisliga, auf.

Jahrelang waren die 1. Damen des FC Bergedorf 85 das sportliche Aushängeschild des Frauenfußballs in der Region. Jetzt hat sich das Team aufgelöst.
Jahrelang waren die 1. Damen des FC Bergedorf 85 das sportliche Aushängeschild des Frauenfußballs in der Region. Jetzt hat sich das Team aufgelöst. © Unbekannt | FC Bergedorf 85

Die Gründe sind vielfältig. Da wäre zunächst einmal das Drama um den FC Bergedorf 85, der im Sommer vergaß, seine 1. Damen beim Hamburger Fußball-Verband zu melden. Die Oberliga-Frauen waren in der vergangenen Saison abgestiegen und wollten nun in der Landesliga weiterspielen, womit sie immer noch das am höchsten spielende Team im Heimatgebiet gewesen wären.

Wie sich ein Team binnen weniger Tage in Luft auflöst

Doch nach der verpassten Meldung wurde das Team gestrichen, nach der Nachmeldung schließlich in der untersten Liga wieder einsortiert. Darauf hatte keine der Spielerinnen Lust, und sie wechselten alle zu anderen Vereinen. Binnen weniger Tage löste sich ein komplettes Team mit einem Kader aus 24 Spielerinnen in Luft auf.

„Man muss das ganz klar so sehen: Der Fehler lag bei uns. Wir haben aufgrund eines Postenwechsels in der Organisation die Meldung versäumt“, sagt Rene Pinnow, bislang Trainer der 1. Damen. „Als wir das bemerkten, wollten wir nachmelden. Schließlich waren die Spielpläne noch nicht draußen. Doch der Verband hat sich quergestellt. Man befürchtete, anderen Clubs einen Protestgrund zu liefern. Die Spielerinnen haben sogar einen Brief an den Verband geschrieben – ohne Erfolg. Auch ein Gnadengesuch wurde abgelehnt.“

Mit dem FC Bergedorf 85 ist der Top-Club der letzten Jahre nur noch Kreisligist

So ging eine ruhmreiche Zeit unrühmlich zu Ende. Von 2010 bis 2017 spielte der FC Bergedorf 85 in der Frauen-Regionalliga, wurde dreimal Vize-Meister und stand vor dem Sprung in die 2. Bundesliga. Und auch nach dem Rückzug aus dem überregionalen Fußball waren die Bergedorferinnen zuletzt fünf Jahre lang in der Oberliga das Aushängeschild der Region.

Die bisherige 2. Mannschaft des FC Bergedorf 85 kickt nun als neue „Erste“ in der Kreisliga weiter. Was bleibt, ist die Erinnerung an eine große Zeit. „Alles ist wie ein Kartenhaus zusammengefallen“, klagt Pinnow. „Dabei tut der Verband mit seinem ,Tag des Mädchenfußballs’ immer so Frauenfußball-freundlich.“

Erfolgsgeschichte ASV Bergedorf 85: Aufstieg in die Bezirksliga

Währenddessen ist der ASV Bergedorf 85 an seinem Lokalrivalen vorbeigezogen. Gleich im ersten Jahr ihres Bestehens schafften die 1. Damen unter Trainer Javier Navarro als bester Tabellenzweiter der Kreisligen den Aufstieg in die Bezirksliga. „Wir wollen gern noch weiter hoch. Nächster Stopp: Landesliga“, sagt Coach Navarro.

Nationalspielerin Alexandra Popp: Vorbild für die Jugend.
Nationalspielerin Alexandra Popp: Vorbild für die Jugend. © dpa | Hendrik Schmidt

Doch das sei ein schwieriges Unterfangen. „Es gibt einfach keine Straßenfußballerinnen mehr“, hat Navarro beobachtet. „Welche, bei denen man sofort sieht, dass sie früher mit Jungs gekickt haben.“ Vor allem bei den jüngeren Spielerinnen habe Fußball zudem nicht unbedingt die oberste Priorität. „Da heißt es dann ,Ich möchte lieber was mit meinem Freund machen’ oder eine hat mal abgesagt mit der Begründung: ,Meine Schuhe sind noch nass.“ Wir haben schon gescherzt: Irgendwann sagt mal eine wegen einer Ohrläppchenzerrung ab.“

Mit dem Ausscheiden des deutschen Teams fehlt der Schub für den Amateursport

Doch die Euphorie des Aufstiegs, die wollen sie mitnehmen in die neue Saison. „Wir fühlen uns alle sehr wohl im ASV Bergedorf 85“, betont Navarro, der im Januar 2022 mit dem kompletten Team vom FTSV Lorbeer an die Sander Tannen gewechselt war. Doch der Misserfolg von Brisbane sei ein Dämpfer für die Nachwuchsarbeit. „Es ist schade, dass die Nationalelf in Australien nicht weitergekommen ist“, sagt er. „Das hätte dem Frauenfußball schon einen Schub gegeben.“

Vom fatalen Scheitern der deutschen Damen hörte Saskia Posner, Co-Trainerin des SC Vier- und Marschlande, beim Wandern in den Dolomiten. Doch bei aller Enttäuschung sieht sie vor allem das Positive. „Es ist schön, dass es jetzt auch im Frauenfußball Vorbilder gibt, dass junge Mädchen sagen: ,Ich will so werden wie Alexandra Popp.’“

Die Spielerinnen des SCVM halten zusammen – auf und neben dem Platz

Um im Frauenfußball dauerhaft erfolgreich zu sein, käme es vor allem auf den Zusammenhalt innerhalb des Teams und des gesamten Vereins an. Und da mache den Vier- und Marschländerinnen so schnell niemand etwas vor. „Beim Oktoberfest im Spadenland zum Beispiel haben wir 100 Plätze gebucht“, erläutert Posner. „Da fahren vier Herrenteams und unsere 1. Damen gemeinsam hin. So etwas ist einfach schön. Das ist ein Dorfverein im besten Sinne.“

Der Zusammenhalt kommt nicht von ungefähr. Viele Spielerinnen kicken schon seit der E-Jugend gemeinsam unter Trainer André Liem. Es ist ein über Jahre gewachsenes Team, das so schnell nichts aus der Bahn wirft. Erst recht keine verpatzte Fußball-Weltmeisterschaft.