Hamburg. Otto Garbs ist ein Ochsenwerder Original. Seine Dorfkneipe nicht minder. Warum der 84-Jährige immer noch hinterm Tresen steht.
Otto Garbs ist in die Jahre gekommen: 84 ist der Wirt des Gasthofs Neudorf in Ochsenwerder, gesundheitlich ging es ihm schon besser. Trotzdem bleibt sein Gasthof geöffnet, wenn auch nur an wenigen Tagen. „Ich mache aus alter Verbundenheit weiter. Schließlich kenne ich die meisten Stammgäste schon ewig“, sagt er. Außerdem hat Garbs selbst Spaß daran: Er knobelt mit, übt mit Jagdhornbläsern. Sein Lieblingsgetränk an diesen Abenden ist mittlerweile weder Bier noch Schnaps, sondern knallgelbe Fanta.
Der Gasthof – die letzte Kneipe in Ochsenwerder – wird irgendwann mit Otto Garbs sterben: Der Senior hat keine Kinder, ist unverheiratet und ohne Partnerin. „Im Kreise meiner Familie ist ebenfalls kein Nachfolger in Sicht“, sagt Garbs. Es wäre das Ende einer langen Familientradition: Seine Vorfahren haben das Gasthaus 1837 eröffnet. Seitdem ist es im Besitz der Familie Garbs. Der heutige Wirt wohnt im ersten Stockwerk, über Gaststätte, Clubraum und Saal. Er rückte an die Spitze als sein Vater 1975 starb, hatte aber schon vorher in dem elterlichen Unternehmen mitgearbeitet. Neben der Gaststätte betrieb die Familie auch einen kleinen Krämerladen in dem Haus.
Kult-Kneipe ist Stammsitz von Knoblern, Jagdhornbläsern und vom Korkenklub
„In den 60er-, 70er- und frühen 80er-Jahren brummte es hier“, sagt Garbs. Damals lockten Maskeraden und Dorfabende bis zu 300 Gäste. „Die wurden mit Bussen vorgefahren.“ Sonntagmorgens gab es
„legendäre Frühschoppen“ und am ersten Mai Blaskonzerte der Feuerwehrkapelle Spadenland/Neudorf. Der Clubraum wird inzwischen nicht mehr genutzt, die letzte große Feier im 140-Quadratmeter-Saal ist zehn Jahre her. Bis vor zwei Jahren haben Vereine ihn für Versammlungen gemietet, dann kam Corona. „Außerdem habe ich kaum noch Personal bekommen können“, sagt Garbs.
Anfangs, als junger Wirt, habe er gern mitgefeiert und auch mal ein Glas zu viel getrunken: „Aber da war ich am nächsten Morgen, nach einem Dorfabend, kaum dazu in der Lage, mit den Kellnern abzurechnen. Daraufhin habe ich mich zurückgehalten.“ Nicht selten habe er in der Tür gestanden und Gästen aus Distanz zugeprostet, „um den Alkohol danach schnell und heimlich auszuspucken“.
Otto Garbs’ Herz gehört vor allem der Musik
Der Korkenclub trifft sich am ersten Freitag im Monat, „hat aber wegen Corona für Januar abgesagt“. Dienstags kommen eine Handvoll Stammgäste zum Knobeln, für zwei Stunden, denn um 19.30 Uhr schließt Garbs wieder zu. Otto Garbs knobelt selbst gern mit, „die Gäste bedienen sich selbst“. Auch zwei, drei Sänger würden dann reinschauen, „um auf dem Weg zum Übungsabend einen Whisky zu trinken“. Donnerstags sind die Jagdhornbläser da. Dann haben andere Gäste keinen Zutritt, denn Übungsleiter Garbs trainiert mit den Bläsern die verschiedenen Signale. Der 84-Jährige hat früher auch gejagt. Vor allem aber gehört sein Herz der Musik. Garbs spielte viele Blasinstrumente, etwa Trompete, Tuba und Tenorhorn. An der Decke seiner Gaststube hängen zahlreiche Blasinstrumente, die er im Laufe der Jahrzehnte gesammelt hat – unter Notenblättern, mit denen die Decke tapeziert ist.
Die Kult-Kneipe in Ochsenwerder war schon häufiger Filmkulisse
Der urige Charme der kleinen, nur etwa 30 Quadratmeter großen Kneipe, die von Braun- und Beige-Tönen dominiert wird, lockte im Laufe der Jahrzehnte viele Fernseh- und Kinofilm-Teams an den Dorfer Bogen: Unter anderem wurden in der Gaststätte Szenen für einen „Tatort“-Krimi gedreht.
Mit der von ihm geleiteten Feuerwehrkapelle trat Otto Garbs zuletzt vor vier Jahren auf, beim Spadenländer Oktoberfest. Inzwischen sei er raus: „Die Proben wären mir zu viel. Ich habe auch zu lange pausiert. Man muss dabei bleiben.“
Ein Verkauf des Gasthofes kommt nicht infrage
Otto Garbs ist gelernter Kaufmann, wurde bei Edeka ausgebildet. Das kam ihm in jungen Jahren bei der Arbeit in dem Tante-Emma-Laden seiner Familie zugute, „obwohl der nicht größer war als die Käsetheke eines heutigen Supermarktes“, sagt Garbs und lächelt. In Ochsenwerder habe es vor Jahrzehnten viele kleine Lebensmittelgeschäfte gegeben, weiß der Senior: „In den 1930er-Jahren waren es insgesamt 21.“ 1975, als Otto Garbs das Ruder übernahm, schloss er den kleinen Laden und konzentrierte sich auf den Gaststättenbetrieb. Seine Mutter half ihm dabei, bis zu ihrem Tod 1980.
Verkaufen möchte er den Gasthof Neudorf nicht, betont Garbs: „Das ist mein Zuhause.“ In dem Haus bewahre er seine gesammelten Schätze auf. Der Musikfreund besitzt unter anderem zahlreiche Schallplatten, auch uralte Schellackscheiben. „Die älteste ist von 1897.“ Auf dem alten Plattenspieler in der Kneipe rotiert häufig Marschmusik. Otto Garbs will seine Kneipe weiterhin öffnen, „solange es geht“.