Hamburg. Landwirt beklagt, Behörde stelle zu wenig Geld für Schwanzprämie bereit und warnt: Population verdopple sich jeden Monat.

Um Jagd auf Nutrias zu machen, werden den Jägern in den Vier- und Marschlanden und Bergedorf insgesamt 30.000 Euro als Schwanzprämie zur Verfügung gestellt. Das verkündete die Umweltbehörde (Bukea) vor wenigen Wochen. Eigentlich hatte die Bukea die Ergebnisse eines Gutachtens abwarten wollen um zu erfahren, wie viele Nager es in Hamburg mittlerweile gibt und wie groß die von der invasiven Art verursachten Schäden wirklich sind.

Nun gibt es mit der Wiedereinführung der Schwanzprämie doch eine Sofortmaßnahme. Aus Sicht von Heinz Wulff ist die fünfstellige Summe aber nur ein kleiner Tropfen auf einem wirklich heißen Stein: Denn nach seinen Schätzungen würden die Schäden bereits jetzt im dreistelligen Millionen-Betrag liegen.

Schäden durch Nutrias gehen bereits in die Millionen

Anfang 2021 wurde die Bekämpfung der Nutrias vom Bezirk Bergedorf auf die Bukea übertragen und die bis dahin geltende sogenannte „Schwanzprämie“ als Motivation und Kostenerstattung für die Jäger abgeschafft. Zudem dürfen seitdem die erwachsenen Nutrias im Rahmen des Mutterschutzes nicht getötet werden, sondern nur Jungtiere. Das habe dazu beigetragen, dass die Zahl der Nager, die eigentlich aus Südamerika stammen und hierzulande keine natürlichen Feinde haben, extrem gestiegen sei, stellt Heinz Wulff fest.

Ein Nutria – hier in einem Garten direkt an der Bille am Billwerder Billdeich.
Ein Nutria – hier in einem Garten direkt an der Bille am Billwerder Billdeich. © Thomas Heyen

Gemeinsam mit Gerald Eggers, Vorsitzender des Hegerings der Vier- und Marschlande, hat er als Ortskundiger und mit der Nutriaproblematik vertraute Person die Anzahl der Nutrias im Bezirk Bergedorf geschätzt und Rechnungen angestellt. Ende 2020 habe es etwa ein Nutria auf zehn Hektar gegeben, resümieren die Männer. Seitdem habe sich die Zahl vervielfacht: „Nach intensiver Beratung haben wir einen Bestand von zehn erwachsenen Tieren pro Hektar ermittelt“, stellt Heinz Wulff fest.

30.000 Euro würden gerade einmal für einen Tag reichen

Hochgerechnet auf den Bezirk des Hegerings, der 34 Jagden und Eigenjagden in den Vier- und Marschlanden sowie Boberg und Bergedorf von etwa 15.000 Hektar umfasst, wären das zum jetzigen Zeitpunkt bereits 150.000 erwachsene Nutrias. Doch schon bald werden es deutlich mehr sein, warnt Heinz Wulff. Denn sie vermehren sich rasend schnell: Alle vier Monate werden im Durchschnitt acht Junge pro Wurf geboren. „Daraus folgt, dass sich die Population jeden Monat verdoppelt“, stellt Heinz Wulff fest.

Um zu verhindern, dass die Population weiter wächst, müssten die erwachsenen Tiere nun intensiv bejagt werden, ist Heinz Wulff überzeugt. Allein um den jetzigen Bestand konstant zu halten, müssten 150.000 Jungtiere pro Monat entnommen werden. Würde man von einer Schwanzprämie von zehn Euro pro Tier ausgehen, bräuchte es dafür also allein 1,5 Millionen pro Monat, sodass die von der Behörde zur Verfügung gestellten 30.000 Euro gerade einmal für einen Tag reichen würden, stellt Heinz Wulff fest. Außerdem würde es auch gar nicht genug Jäger, geschweige denn Fallen geben, um diese große Anzahl an Tieren zu schießen oder zu fangen.

Nager vernichten etwa ein Kilo Gemüse, Gräser oder Getreide pro Tag

„Das allein zeigt doch schon, wie groß das Problem bereits ist“, betont der Landwirt, der selbst schon einen erheblichen finanziellen Schaden durch die Nager erlitten hat. Denn die ließen sich die von ihm angebaute Petersilie besonders schmecken und vernichteten auf seinem Acker am Marschbahndamm in Kirchwerder etwa fünf Hektar der Kräuterpflanze. Das habe einen Verlust von 130.000 Euro bedeutet, bilanziert Heinz Wulff, der Petersilie daher schon gar nicht mehr dort anbaut.

Der Graben verlandet zusehends, die Erlen stehen schon merklich schräg, weil der Grabenrand unter ihnen von Nutrias unterhöhlt wurde.
Der Graben verlandet zusehends, die Erlen stehen schon merklich schräg, weil der Grabenrand unter ihnen von Nutrias unterhöhlt wurde. © Lena Diekmann

Eine erwachsene Nutria fresse etwa zwei Kilo Gräser, Getreide, Raps und Gemüse pro Tag. Wenn man von einem Wert von 1 Euro pro Kilo ausgeht, würde täglich ein Schaden von 300.000 Euro entstehen, bilanziert Heinz Wulff. Hochgerechnet auf das Jahr wäre das bei der jetzt geschätzten Anzahl der Tiere ein Schaden von 108 Millionen, so Wulff.

Nager gefährden die Entwässerung des Landgebiets

Es sei eine große Gefahr, die durch die Nutrias für Landwirte entstehe, mahnt Heinz Wulff. Schließlich graben sie ihre Bauten mindestens bis zu fünf Metern in den Untergrund hinein und unterhöhlen so das Feld. Dadurch könne das durchlöcherte Land die tonnenschweren Landmaschinen irgendwann nicht mehr tragen und unter deren Last zusammenbrechen, Trecker inklusive Landwirt am Steuer könnten in den Graben abrutschen, warnt Heinz Wulff.

Der 62-Jährige blickt aber nicht nur mit den Augen eines Landwirts auf die Ausbreitung der Nager, sondern auch als Vorsitzender des Wasserverbandstags Hamburg, in dem verschiedene Wasser-, Boden- und Deichverbände der Stadt organisiert sind. Denn die Nutrias laufen gern an den Gräben entlang, treten so die Ränder hinunter, sodass immer mehr Erde in die Gräben abrutscht und sie verlanden oder gar ganze Rohre verstopfen. „Dann wird auch die Entwässerung etlicher Privatgrundstücke irgendwann nicht mehr funktionieren“, erklärt Heinz Wulff.

Wenn nicht gehandelt wird, geht der Schaden nächstes Jahr in die Milliarden

Um die Nutriabauten mit Erde zu verfüllen und die Graseinsaat wiederherzustellen, müsste man mit mindestens 100 Euro pro Bau rechnen, erklärt Heinz Wulff. Hochgerechnet auf 150.000 Bauten würde das 15 Millionen Euro kosten. Zusammengerechnet würden sich die Kosten, die durch Bekämpfung, Fraßschäden und Wiederherstellung der Gräben ergeben würden, derzeit bereits auf 141 Millionen pro Jahr belaufen, erklärt Heinz Wulff. „Wenn man noch weiter wartet, werden es im nächsten Jahr Milliarden sein“, mahnt der Landwirt und Vorsitzende des Hamburger Wasserverbandstages.

Die Bukea geht davon aus, dass das Gutachten, das auch eine Kosten-Nutzen-Analyse enthalten soll, Ende dieses Monats fertiggestellt wird und die Ergebnisse im August vorliegen, wie aus einem Auskunftsersuchen der CDU hervorgeht. Das Thema steht am Mittwoch, 12. Juli, auf der Tagesordnung, wenn der Umweltausschuss zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammenkommt. Die öffentliche Sitzung beginnt um 18 Uhr im Großen Sitzungssaal des Bergedorfer Rathauses an der Wentorfer Straße 38.