Bergedorf. Politik und Jäger wollen der Plage Herr werden und die invasive Art intensiver bejagen. Warum sie dabei an Grenzen stoßen.
Die Wut auf die Umweltbehörde ist groß: In engem Schulterschluss legen sich Bergedorfs Politiker und Jäger gerade mit der Hamburger Bürokratie an – um den Bezirk vor einer Nutria-Plage zu retten, wie sie nach ihren Worten in Teilen Niedersachsens und Schleswig-Hostens bereits Realität sei. „Noch haben wir eine Chance, die rasant steigende Population der Biberratten durch intensives Bejagen im Rahmen zu halten“, warb Bernd Capeletti (CDU) im Umweltausschuss der Bezirksversammlung für schnelle Entscheidungen.
Tatsächlich sorgen die auf den ersten Blick süßen, den Bibern sehr ähnlichen Tiere in verschiedenen Wohngebieten an Bergedorfs Gewässern bereits regelmäßig für gefährliche Situationen. „Bei uns in Neuallermöhe leben mittlerweile unzählige Nutrias. Und die können ganz schön aggressiv werden“, beschrieb Maria Westberg (Linke) Erlebnisse an den Fleeten in der Nähe ihrer Wohnung. „Früher waren sie scheu. Aber jetzt gehen die teils bis zu 50 Zentimeter großen Nutrias mit ihren scharfen Schneidezähnen auf Hunde, Katzen und auch Kinder los, sobald sie ihnen zu nahe kommen.“ Gleichzeitig würden die Tiere aber auch von vielen Familien regelmäßig gefüttert.
Nutrias haben es sich in Bergedorfs Wohngebieten gut eingerichtet
Eine merkwürdige Mischung aus Miteinander und Aggression, die auch Jäger Gerald Eggers kennt: „Die Nutrias haben sich mittlerweile gut eingerichtet in Neuallermöhe, ebenso wie am Brookdeich und entlang der oberen Bille. Doch sie bauen ihre Höhlen in den Böschungen. Und bei bis zu fünf Würfen pro Jahr mit teils acht Jungen macht das die Ufer und Deiche immer löchriger. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann die ersten nachgeben.“ Das gelte auch nicht zuletzt für den Schleusengraben bei Nettelnburg. „Gleichzeitig werden die Nutrias in Wohngebieten immer aggressiver, weil sie gelernt haben, dass sie sich so die Haustiere weit besser vom Leib halten, als durch Flucht“, sagt der Jäger.
Trotz der wachsenden Probleme ist die Bekämpfung der Nutrias in Bergedorf ins Stocken geraten – und das liegt wesentlich an der Umweltbehörde. Die hat nämlich die sogenannte Schwanzprämie eingefroren, jene 9 Euro, die die Jäger bisher pro erlegtem Tier bekamen. Die Folge: Wurden 2021 noch 1100 Tiere in Bergedorf getötet, sind es in diesem Jahr bisher kaum mehr als 600.
Umweltbehörde will Gutachten abwarten, bevor gehandelt wird
„Wir sind dabei, das ganze Thema neu anzugehen“, versprach Nina Klar im Ausschuss. Sie leitet bei der Umweltbehörde das Referat Arten-, Biotopschutz und Eingriffsregelung. Gerade werde die zuständige Sachbearbeiterstelle neu ausgeschrieben, und es sei ein Gutachten in Vorbereitung. „Aber dafür brauchen wir konkrete Meldungen von Schäden durch Nutrias in Bergedorf. Und da gibt es bisher leider gar nichts.“
Manchem Bergedorfer Umweltpolitiker platzte bei diesen Worten der Kragen: „Wir reden schon seit eineinhalb Jahren über die Nutria-Problematik. Passiert ist nichts, außer Rückschritten“, ärgerte sich Jörg Froh (CDU) und erinnerte daran, dass Bergedorf im Februar nur mit Glück das Binnenhochwasser ohne Schäden überstanden hat, bei dem Wassermassen aus dem Sachsenwald über die Bille in den Bezirk drückten. „Mittlerweile ist bei der Frage der Sicherheit der Wasserläufe innerhalb Bergedorfs Gefahr in Verzug.“
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Nina Klar warb trotzdem eindringlich darum, Zahlen zu liefern. Andernfalls sei das Töten von Tieren in ihrer Behörde kaum durchsetzbar. „Zudem haben wir bereits Schilder an das Bezirksamt geliefert, auf denen ausdrücklich vor dem Füttern der Nutrias gewarnt wird.“ Jäger Gerald Eggers hält die für unsinnig: „Vor allem in Neuallermöhe gibt es eine eingeschworene Gemeinschaft, die die niedlichen Tiere füttern will. Da helfen Schilder gar nichts.“
Jäger fordert: Schwanzprämie wieder aufstocken
Sinnvoll ist aus seiner Sicht, die Schwanzprämien aufzustocken: „Heute fahren wir aus den Vier- und Marschlande zu zweit in Bergedorfs Wohngebiete, um die dort in Lebendfallen gefangenen Nutrias in Transportkörbe zu verstauen und bei uns im Revier dann fachgerecht zu töten. Dafür reichen 9 Euro kaum aus. Denn oft müssen wir uns nur für ein einziges gefangenes Tier auf den Weg machen.“
Wann die Umweltbehörde das Thema Nutrias in Bergedorf endlich angehen wird, ließ Nina Klar im Ausschuss offen. So einfach wollten sich die Politiker aber nicht abspeisen lassen: Das Thema wurde für März 2023 erneut auf die Tagesordnung gesetzt.