Kirchwerder. Nachdem Mutter „Mimi“ vermutlich vergiftet wurde, rettet Storchenvater Pelch fünf Küken. Video zeigt, wie sie aufgepäppelt werden.
Zwei von ihnen hatten noch nicht mal das Licht der Welt erblickt, da waren die fünf Küken schon Halbwaise: Nachdem Mutter „Mimi“ reglos am Rand des Nestes am Reitbrooker Westerdeich gelegen hatte, hatten Anwohner Storchenvater Jürgen Pelch alarmiert. Mithilfe einer Hebebühne ließ er sich zum Nest emporfahren und machte die traurige Entdeckung: Der Vogel war tot.
Zu dem Zeitpunkt waren bereits drei Küken geschlüpft, zwei weitere waren noch im Ei. Zwar brachte das männliche Elterntier noch Futter für den Nachwuchs, doch alleine ohne Störchin „Mimi“ hätte es die Aufzucht der Küken keinesfalls geschafft. Also nahm Jürgen Pelch den Nachwuchs in seine Obhut – und schaffte es sogar, dass auch aus den zwei Eiern noch kleine Störche schlüpften.
Störche: Fünf Küken werden bei Familie Pelch aufgepäppelt
Zuvor habe er einen Test gemacht, den ein Hühnerzüchter ihm mal verraten habe, erklärt Jürgen Pelch: Er legte die Eier in warmes Wasser und tatsächlich, sie begannen richtig zu tanzen, berichtet der 76-Jährige. Das war der Beweis, dass die Küken noch am Leben waren und es sich lohnte, die Eier in eine Brutmaschine zu legen, berichtet Jürgen Pelch, der sich seit fast 50 Jahren ehrenamtlich für den Naturschutzbund Hamburg (Nabu) für den Schutz der Vögel einsetzt. Zwei Tage später war es dann tatsächlich soweit: Die zwei Störche schlüpften.
Dass Jungvögel von Jürgen Pelch und seiner Familie aufgepäppelt werden, kam in den vergangenen Jahrzehnten schon häufiger vor. Zum ersten Mal ist es nun aber gelungen, zwei Eier erfolgreich auszubrüten, berichtet der Gärtner. Somit sind es nun insgesamt fünf Storchengeschwister, die im Garten der Familie Pelch um die Wette klappern – absoluter Rekord: „So viele auf einmal waren es noch nie“, weiß Stephanie Pelch, die ihren Vater kräftig bei der Fütterung des Nachwuchses unterstützt. Schließlich wollen die kleinen Schnäbel sechs- bis siebenmal am Tag gestopft werden. Dann werden kleine Sardinen, Lachs, Krabben oder Mehlwürmer aufgetischt. „Sie sind ganz schön gefräßig“, sagt Jürgen Pelch.
In der Storchenpflegestation Erfde werden sie auf die Auswilderung vorbereitet
„In etwa vier Wochen werden sie bereits so groß sein wie ihre Eltern“, weiß der Storchenvater, der ihnen noch etwa zwei Wochen Starthilfe ins Leben geben will, bevor er sie in die Storchenpflegestation Erfde bringt, wo sie auf die Auswilderung vorbereitet werden. „Es sollen Wildtiere bleiben und sich nicht zu sehr an die Menschen gewöhnen“, erklärt Jürgen Pelch, der den Küken daher auch bewusst keine Namen gegeben hat.
Dass ihre Mutter „Mimi“ einen Namen trug, hatte den Grund, dass sie einer der insgesamt zwölf Störche war, die der Nabu Hamburg in den vergangenen Jahren mit Sendern ausgestattet hatte. Wie einen kleinen Rucksack tragen die Vögel den Sender auf dem Rücken, wodurch ihre Flüge zur Nahrungssuche hier im Norden, aber auch ihre Routen ins Winterquartier nachvollzogen werden können.
Mutter „Mimi“ wurde vom Ost- zum Westzieher
Und dadurch zeigte sich, dass „Mimi“ etwas ganz Besonderes war: Sie wurde vom Ost- zum Westzieher. Zuvor habe man angenommen, dass es in erster Linie genetisch verankert sei, ob ein Storch auf dem Weg ins Winterquartier die Ostroute über den Balkan und die Türkei nach Afrika wählt oder ob er nach Westen in Richtung Spanien oder noch weiter über Marokko nach Afrika zieht, erklärt Nabu-Gebietsbetreuer Dr. Christian Gerbich. Während „Mimi“ zunächst die Ostroute wählte, flog der Vogel in der vergangenen Wintersaison über die Straße von Gibraltar und Marokko bis nach Mali.
Woran der Vogel gestorben ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. „Ich vermute, dass sie vergiftet worden ist“, sagt Jürgen Pelch. So könne sie selbst einen Giftköder oder auch einen vergifteten Nager gefressen haben. Denn wäre sie an einer natürlichen Ursache wie Altersschwäche gestorben, hätte sie wohl kaum noch angefangen zu brüten, mutmaßt auch Tochter Stephanie.
Von zwölf Senderstörchen sind nur noch sechs am Leben
Von einst zwölf Senderstörchen sind somit nur noch sechs Vögel am Leben: Ein Storch verfing sich in der Türkei in einem Fischernetz und ertrank. In der Nähe des Nils und im Tschad verlor sich das Signal von zwei weiteren Störchen, und zwei Senderstörche wurden in Frankreich sowie in der Nähe von Delmenhorst vermutlich von Windkraftanlagen getötet.
- Grundschüler werden Paten für Storch „Jan“ und Partnerin
- Storch „Christian-Eike“ lässt Ringelnatter keine Chance
- Storch von Golfball abgeschossen – Vögel lieben Stormarn trotzdem
Auch wenn fünf Küken durch die Familie Pelch gerettet wurden, fürchtet der Storchenvater, dass die Zahl des Storchennachwuchses in diesem Jahr geringer ausfallen werde als vor zwei Jahren: In 2021 hat es ein Rekordergebnis gegeben, als 29 Paare insgesamt 77 Küken in Hamburg aufzogen. Vergangnes Jahr fiel die Zahl schon wesentlich kleiner aus: Da zogen 30 Brutpaare 61 Küken groß.
Brutbilanz wird am 8. Juni präsentiert
Wie schon 2022 wurden auch in diesem Jahr Küken aus dem Nest geworfen, weil die Elterntiere nicht genug Schnecken, Frösche oder Insekten fanden, um sie groß zu ziehen. Wie bei „Erna“ und „Fiete“ am Achterschlag. Bei den „Internetstars“ vom Nabu, deren Brutgeschehen per Webcam beobachtet werden kann, hatte es zunächst vierfachen Nachwuchs gegeben. Mittlerweile ist aber nur noch ein Küken übrig geblieben, berichtet Jürgen Pelch, der schon seit Jahrzehnten mahnt, dass die Vögel immer weniger Nahrung finden. „Kein Wunder, wenn immer mehr ihres Lebensraums versiegelt wird“, kritisiert Pelch.
Der Storchenvater hat bereits damit begonnen, die Anzahl der Küken seiner Schützlinge zu zählen. Das finale Ergebnis soll dann am 8. Juni in Anwesenheit von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank auf dem Milchhof Reitbrook verkündet werden.