Kirchwerder. Die bei Schiffern berüchtigten Steinwälle in dem Fluss erhalten bei Kirchwerder Kerben. Was damit bezweckt werden soll.
Bei Hobbykapitänen sind sie gefürchtet, und auch so mancher Berufsschiffer hat schon seinen Frachter auf eine der Buhnen gesetzt, die bei Hochwasser der Elbe unsichtbar unter der Wasseroberfläche liegen. Jetzt „knabbern“ in Kirchwerder Bagger an den Buhnen. Doch die Steinwälle, die vom Ufer aus in Richtung Strommitte ragen, sollen keineswegs entfernt werden.
Die Stiftung Lebensraum Elbe hat ein Pilotprojekt gestartet: Vier Buhnen sollen Kerben erhalten, damit sich das Strömungsverhalten des Flusses nahe dem Ufer verändert. Davon könnten Fische und andere kleine Tiere profitieren. Die Arbeiten in dem Naturschutzgebiet sind sehr aufwendig, da sie von der Wasserseite aus erledigt werden müssen.
Buhnen in der Elbe bei Kirchwerder werden eingekerbt
Ein Schlepper zieht zunächst einen selbstfahrenden Bagger auf einem Arbeitsponton zu den Buhnen. Der Bagger schaufelt die einige Meter breiten und tiefen Kerben in die Buhnen. Für jede Buhne wird jeweils eine Woche Arbeitszeit kalkuliert. Gearbeitet werden kann nur bei Niedrigwasser.
Droht eine Sturmflut, müssen die von der Stiftung mit den Arbeiten beauftragten Wasserbauer Bagger und Ponton zurück in den Hafen Oortkaten schleppen. „Deshalb haben die Arbeiten mit einer Woche Verspätung begonnen, weil es in der Vorwoche mehrere starke Fluten gab“, sagt Dr. Elisabeth Klocke, Vorstand der Stiftung Lebensraum Elbe. Die Entwicklung des Wetters werde auch jetzt permanent beobachtet.
Bis Ende Februar müssen die Arbeiten abgeschlossen sein
Der Bagger fährt nicht in den geschützten Uferbereich voller Schilf hinein, arbeitet nur am Rand der Strände, an denen sich die Buhnen befinden, vor allem auf den Buhnen selbst. Weil am 1. März die Brut- und Setzzeit beginnt, die bis zum 30. September dauert, müssen die Arbeiten bis Ende Februar abgeschlossen sein.
In der ersten Buhne befanden sich unter den Schüttsteinen nur kleine Steine und reiner Sand, berichtet Elisabeth Klocke. Dies sei vor Beginn der Arbeiten nicht klar gewesen. „Es kann auch sein, dass wir auf Kriegsschutt stoßen. Der muss dann aufwendiger entsorgt werden“, sagt die studierte Chemikerin.
Sie geht allerdings davon aus, dass auch die anderen drei Buhnen einen Sandkern haben. Nach dem Eingriff sollen die gekerbten denselben Materialmix enthalten, es werde nichts hinzugefügt. Die Oberflächen der gekerbten Bereiche werden ebenfalls mit Schüttsteinen gesichert.
Wattflächen zwischen den Buhnen sind für Tiere uninteressant
Rund 250.000 Euro kosten Planung und Durchführung der Kerbungen sowie ein Teil des Monitorings. Die Buhnen wurden gebaut, um die Fließgeschwindigkeit des Wassers in der Flussmitte zu erhöhen und die Uferkante zu schützen. Durch die hiermit verbundene Erosion vertieft sich die Fahrrinne für die Schifffahrt. Entsprechend verlanden die Bereiche zwischen den Buhnen, die sogenannten Buhnenfelder, mit der Zeit. Sie werden in größeren Zeitabständen unterhalten, der sedimentierte Sand also wieder entfernt.
Erfahrungen aus der nicht-tidebeeinflussten Mittelelbe zeigen, dass die Strömungen und die Strömungsgeschwindigkeiten in den Buhnenfeldern durch Einkerbung der Buhnen verändert werden können, berichtet Elisabeth Klocke. Derzeit bestünden die Buhnenfelder vornehmlich aus Wattflächen. Für Tiere seien diese Bereiche eher uninteressant.
Künftig fließt Wasser durch die Kerben, wo bisher Stillstand herrscht. Dadurch gebe es neue, andere Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten, komme mehr Bewegung rein. „So entstehen wertvolle Lebensräume – und die Buhnenfelder werden für Fische und andere Wasserlebewesen viel interessanter. Wir untersuchen, ob und wie man diese Erfahrungen auf die Tideelbe übertragen kann.“
Zahlreiche Institutionen begleiten den Modellversuch
Drei der zu kerbenden Buhnen befinden sich nebeneinander, die vierte ist weiter weg von ihnen. Zwischen der dritten und der vierten zu kerbenden Buhne liegt eine fünfte, die nicht angefasst wird. Klocke: „Das Ganze ist ein Experiment, ein Modellversuch. Wir wollen sehen, wie und wo sich die Veränderungen am effektivsten auswirken.“
Die Maßnahme wird mit einem umfangreichen Monitoring bis Februar 2024 begleitet – von der Stiftung, dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Elbe mit Sitz in Lauenburg, der Bundesanstalt für Gewässerkunde, dem Helmholtz-Zentrum Hereon (Geesthacht) und der Technischen Universität Braunschweig.
Lebensräume für Fische, Krebse, Würmer und Käfer erhofft
„Das Mitwirken zahlreicher Institutionen zeigt, dass es ein großes, bundesweites Interesse an dem Pilotprojekt gibt“, sagt Elisabeth Klocke. Nach ersten Erkenntnissen in einem Jahr will die Stiftung die vier Buhnen in Krauel auch in den folgenden Jahren weiter beobachten.
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Sollten sich die Lebensräume für Fische, Krebse, Würmer und Käfer aufgrund des Eingriffs positiv verändern, wollen Elisabeth Klocke und ihr Team weitere Buhnen in der Tideelbe kerben lassen. „Zwischen Hamburger Hafen und der Geesthachter Elbbrücke gibt es rund 100 Buhnen“, sagt die Stiftungs-Chefin. „Sie wurden vor dem Krieg gebaut, sind vermutlich etwa 100 Jahre alt.“