Kirchwerder. Sechs zertifizierte Frauen helfen ehrenamtlich bei der Trauerbewältigung. Warum auch unter den Besuchern keine Männer sind.
Im Trauercafé Kirchwerder treffen sich regelmäßig Frauen, die eines gemeinsam haben: den Verlust eines geliebten Menschen, den sie noch nicht verarbeitet haben. In der Gemeinschaft wird über die damit verbundenen Gefühle, Ängste und Sorgen gesprochen. Die Besucherinnen tauschen sich aus, können sich einbringen oder einfach nur zuhören.
Die Hilfe bei der Trauerbewältigung durch ein ehrenamtliches Teams aus sechs Frauen ist für die Besucher kostenlos – und wird sehr gut angenommen. So gut, dass die Treffen jetzt nicht mehr alle acht Wochen, sondern monatlich zwischen 18 und 20 Uhr in der Pastoratsscheune am Kirchenheerweg 6 a stattfinden. Das nächste Trauercafé ist am Montag, 20. Februar.
Nachfrage nach gemeinsamer Trauerbewältigung ist groß
Das Trauercafé wird von sechs Frauen im Alter von Mitte 40 bis Mitte 70, alle aus den Vierlanden und Bergedorf, betreut: Astrid Hahn, Ina Kühn und Jennifer Marks sowie – bereits seit der Premiere im April 2018 – Claudia Peitzner, Anngret Timmann und Dorthe Peitzner. „Bisher gab es 24 Treffen“, sagt Claudia Peitzner.
Die 47-Jährige ist Spezialistin für schwierige Themen, betreibt als Heilpraktikerin für Psychotherapie eine Praxis in Kirchwerder. Ihre Patienten – vor allem Frauen zwischen 40 und 70 Jahren – haben Probleme mit dem Selbstwertgefühl, wollen zu sich selbst finden und allein ihr Leben meistern. „Es geht dann etwa darum, was man sich zutraut, wenn der langjährige Partner gestorben ist.“
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Alle sechs Organisatorinnen haben fundiertes Wissen
Männer suchen die Praxis von Claudia Peitzner selten auf – „und leider auch das Trauercafé“, sagt sie. „Nur die ersten Male waren Männer zu Gast, ansonsten sind wir eine reine Frauenrunde.“ Ihre Erklärung: „Männer machen das mit sich selbst aus oder haben einen besten Kumpel, dem sie sich anvertrauen können.“ Frauen seien vermutlich aufgeschlossener, sowohl gegenüber Fremden als auch gegenüber solch elementaren, tiefgreifenden Themen wie dem Tod und der Trauer. „Es mag für viele Männer noch befremdlich sein, sich zu öffnen in dem Vertrauen, über die eigenen Gefühle zu sprechen.“
Zu den Treffen kommen durchschnittlich zehn, elf Besucherinnen – Tendenz steigend –, darunter zwei bis vier neue Gesichter. Acht der regelmäßigen Teilnehmerinnen sind Stammgäste, darunter Frauen, die von Beginn an dabei sind. Von den sechs Trauercafé-Betreiberinnen hat nicht nur Claudia Peitzner fundiertes Wissen: Dorthe Peitzner, Astrid Hahn und Anngret Timmann sind ausgebildete, ehrenamtliche Hospizbegleiterinnen. Astrid Hahn und Anngret Timmann lassen sich jetzt zur zertifizierten Trauerbegleiterin ausbilden.
Die Frauen haben meist selbst schmerzhafte Erfahrungen gemacht
Jennifer Markts wiederum engagiert sich auch als Coachin für Persönlichkeitsentwicklung. Die Frauen haben meist selbst schmerzhafte Erfahrungen gemacht, die sie schließlich zu ihren Ehrenämtern geführt haben. So brauchte Claudia Peitzner sehr lange, um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, die 2016 nach nur dreimonatiger Krankheit im Alter von 68 Jahren an Krebs starb.
Treffen für Trauende gebe es in Hamburg mehrere, auch eine Gruppe in Geesthacht. „Diese Gruppen sind oft einem Hospiz angeschlossen und teilweise zeitlich begrenzt, also nur über einen überschaubaren Zeitraum“, sagt Claudia Peitzner. Und: Nicht immer sei die Teilnahme kostenfrei.
Besucherinnen sind mit ihrem Schmerz nicht allein
Das Team vom Trauercafé bietet bei jedem Treffen auch Einzelgespräche an. „Dafür haben wir einen zweiten Raum.“ Die Möglichkeit eines Gesprächs unter vier Augen werde viel genutzt, gerade von neuen Besucherinnen, deren Verluste oft sehr frisch seien. „Wir müssen ja erst einmal Vertrauen zwischen den Besuchern und uns aufbauen, ihnen klar machen, dass sie mit ihrem Schmerz nicht allein sind“, sagt Claudia Peitzner. „Es soll deutlich werden, dass wir alle im selben Boot sitzen und es viele Überschneidungen gibt.“
Unter den Stammgästen wurden schon mehrere Freundschaften geschlossen: Sie fahren etwa zu zweit an die See und besuchen zusammen besondere Orte – Orte, die zumindest für eine der beiden Frauen große Bedeutung haben, weil sie dort früher gern mit ihrem verstorbenen Partner, Elternteil oder Kind waren.
Es wird in der Runde viel geweint, aber auch viel gelacht
Für jeden Termin überlegt sich das Team ein zentrales Thema, mit dem der Abend eröffnet wird, „um die Facetten der Trauer verständlicher zu machen und die Gespräche in Gang zu bringen“, betont Claudia Peitzner. Der Verlauf der Abende sei dann höchst unterschiedlich: „Manchmal wird abendfüllend über das vorgegebene Thema gesprochen, manchmal geht es schnell um ganz andere Aspekte der Trauer. Wir sind immer themenoffen.“
Es werde in der Runde viel geweint, aber auch viel gelacht, was ebenfalls wichtig sei. Die Besucher berichten auch oft von Erfolgen in ihrem Alltag: „Das kann das Tragen eines geliebten gelben Kleids nach langer Trauerphase sein oder der erste Besuch einer Feier ohne den Partner – und sich dabei trotzdem gut gefühlt zu haben.“ Eine andere Teilnehmerin berichtete, dass sie sich endlich überwunden habe, ihren Nachbarn zu fragen, wie eine Heckenschere zu bedienen ist. „Es geht darum, aus dem schwarzen Loch zu kommen, in Gang zu kommen.“
Wahre Gefühle dürfen nicht gezeigt werden
Am 20. Februar, Rosenmontag, lautet das Thema „Hinter welchen Masken wir uns verstecken“. Claudia Peitzner: „In der Trauer wie auch im Alltag verlangt unsere Gesellschaft, dass alles gut aussehen muss. Schwierige Themen wie das Gefühl von Ohnmacht, Verzweiflung oder Hilflosigkeit werden ausgeblendet.“ Die Menschen seien es gewohnt, zu funktionieren und sich ihre wahren Gefühle nicht anmerken zu lassen, anderen nicht zur Last zu fallen, betont die 47-jährige. „Dadurch wird es im Trauerfall für sie dann richtig schwer.“
Die Treffen würden nicht nur den Besuchern gut tun, sondern auch den Organisatorinnen: „Sie bereichern auch uns sehr. Wir lernen von den Gästen und erweitern unseren Horizont. Die Treffen verlassen wir jedes Mal mit einem guten Gefühl.“ Nach längeren Zwangspausen in den Corona-Lockdowns würden alle Frauen die regelmäßigen Treffen nun noch mehr zu schätzen wissen.
Spenden ermöglichen Fortbildungen
Das Team vom Trauercafé freut sich über Spenden, um den Betrieb weiterhin finanzieren zu können. Die Kirchengemeinde unterstützt das Projekt finanziell. Dadurch und durch die Spenden der Besucher können Getränke und Kekse aufgetischt werden, sind auch Fortbildungen möglich. „Wir waren beispielsweise bei einer Coachin in Hamburg, einer hauptberuflichen Trauerbegleiterin, um uns über den Umgang mit Hinterbliebenen nach einem Suizid zu informieren“, sagt Claudia Peitzner.
Die weiteren Termine sind am 8. März, 17. April, 10. Mai, 19. Juni, 12. Juli, 21. August, 13. September, 16. Oktober, 8. November und 18. Dezember. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. „Die Gäste sollen auch spontan kommen und nach ihrer Tagesform entscheiden können.“