Fünfhausen. Fünfhausen. Im Gemeindezentrum gibt es ab 16. April einen Treff für Hinterbliebene. Dort soll gemeinsam gelacht und geweint werden.
. Wir können zum Mond fliegen, Herzen verpflanzen und riesige Informationsmengen in Mikrochips speichern. Doch mit dem Tod können sich nur wenige Menschen auseinandersetzen. Er ist auch in unserer aufgeklärten Gesellschaft noch ein Tabuthema. Dabei ist es wichtig, dass auch die Trauer einen Platz im Leben findet, dass trauernde Menschen Verständnis und Hilfe finden. Denn wer einen lieben Menschen verloren hat, der braucht womöglich Jahre, um wieder „in die Spur zu kommen“. Er ist auch dann noch traurig und bedrückt, wenn die Menschen um ihn herum längst schon wieder zur Tagesordnung übergegangen sind. Genau hier wollen vier Frauen ansetzen, die für die Kirchengemeinde Kirchwerder regelmäßig ein „Trauer-Café“ im Gemeindezentrum Fünfhausen organisieren. Das erste Treffen ist am Montag, 16. April.
Vier Frauen schaffen ein neues Angebot
Claudia Peitzner (42, Heilpraktikerin für Psychotherapie) aus Fünfhausen, Anngret Timmann (68, Rentnerin) aus Kirchwerder, Dorthe Peitzner-Bemmé (51, Kaufmännische Angestellte) aus Bergedorf und Ines Többen (34, Diplom-Psychologin) aus Kuddewörde sind das „Trauer-Café“-Team. Sie wollen für trauernde Menschen in den Vier- und Marschlanden und Bergedorf ein Angebot schaffen, das es in Geesthacht, Reinbek und Schwarzenbek bereits gibt.
Es muss sich nicht alles um den Tod drehen
In gemütlicher, ungezwungener Atmosphäre, bei Getränken und Snacks, sollen sich die Besucher austauschen können. „Wir wollen zu Beginn eines jeden Treffens eine kurze Einführung liefern, Impulse zu verschiedenen Themen liefern“, sagt Claudia Peitzner. „Trauer hat kein Verfallsdatum“ soll eines dieser Themen sein. „Es muss sich aber nicht zwei Stunden lang alles nur um den Tod drehen“, sagt Dorthe Peitzner-Bemmé und fügt hinzu: „Es darf auch über das Wetter und andere unverfängliche Themen gesprochen werden. Es darf auch gelacht werden – geweint natürlich auch.“ Auch für Einzelgespräche gebe es genug Raum.
Merken, dass man mit der Trauer nicht allein ist
Die Teilnehmer sollen andere Betroffene treffen können, merken, dass sie mit ihrer Trauer nicht allein sind. „Wir wollen diese Menschen aus ihrem Schneckenhaus locken“, sagt Dorthe Peitzner-Bemmé . Das „Trauer-Café“ könne eine Art Bindeglied sein zwischen allein zu Hause sein und sich in den Alltag stürzen.
„Wenn Trauernde von ihren Freunden mit eigentlich gut gemeinten Worten wie ,Jetzt muss aber endlich mal Schluss damit sein’ bedacht werden, ziehen sie sich noch mehr zurück“, sagt Claudia Peitzner. „Dann haben sie das Gefühl, in ihrer Trauer nicht gesehen zu werden.“ Doch Trauernden müssten ihre Gefühle zugestanden werden.
Persönliche Erfahrung mit Tod und Trauer
Dorthe Peitzner-Bemmé verlor vor fünf Jahren ihren Mann, nach 25 Ehejahren. Er starb mit 66 an Krebs. Die Bergedorferin suchte sich frühzeitig Hilfe, besuchte schon kurz nach seinem Tod das „Trauer-Café“ in Reinbek – „einmal im Monat, ein Jahr lang“. Es habe ihr sehr geholfen, über ihren Schmerz sprechen zu dürfen, sagt die 51-Jährige.
Anngret Timmann will sich im Ruhestand ehrenamtlich engagieren. Als Hospizhelferin betreut sie in Niedersachsen sterbende Menschen. „Viele andere Menschen schaffen das nicht, aber ich, durch meinen Glauben“, sagt sie. Supervision und Gespräche mit ihrer Koordinatorin würden ihr sehr helfen, die Begegnungen und die Abschiede zu verarbeiten.
Tod der Mutter traf die Familie völlig unvermittelt
Claudia Peitzner hat ebenfalls einen ihr nahestehenden Menschen verloren, der an Krebs starb – ihre Mutter. Nach nur dreimonatiger Krankheit starb sie 2016 im Alter von 68 Jahren. „Das traf unsere Familie völlig unvermittelt. Dort gab es bis dato höchstens mal Schnupfen.“ Während ihrer Ausbildung, in der sie steckte, als ihre Mutter krank war, lernte Claudia Peitzner „Methoden zur Bewältigung meiner Probleme“. So habe sie ihr „Trauergefühl integrieren“ können. „Vorher hatte ich einen Schutzpanzer. Da habe ich die Trauer in die letzte Ecke meines Körpers geschoben und bekam Schulterschmerzen. Doch dann habe ich gelernt, vermeintliche Schwäche zu zeigen.“ Es sei wichtig, sich Zeit für sich selbst zu nehmen, betont die 42-Jährige. Den Umgang mit Trauer will die Heilpraktikerin für Psychotherapie auch als einen Schwerpunkt in ihre Arbeit integrieren.
Intensiv auf ehrenamtliche Aufgabe vorbereitet
Auch Ines Többen hat beruflich mit dem Tod zu tun. Sie arbeitet in einer Reha-Einrichtung für Krebspatienten, darunter auch Todkranke. „Das Thema Trauer braucht in der Gesellschaft mehr Raum, das merke ich auch bei der Arbeit“, sagt die 34-Jährige. Dieses besonders sensible Thema erfordere sehr viel Fingerspitzengefühl, betont sie.
Deshalb haben sich die vier Frauen intensiv auf ihre ehrenamtliche Aufgabe vorbereitet. Sie besuchten andere „Trauer-Cafés“ und hörten sich an, welche Erfahrungen die Leiterin einer solchen Einrichtung in Tostedt machte.
Alle zwei Monate, zwei Stunden
Gottfried Lungfiel und Nils Kiesbye, die Pastoren der Kirchengemeinde, freuen sich über das neue Angebot, berichten die Frauen. Die Kirche stellt den Raum kostenlos zur Verfügung und habe auch weitere Unterstützung zugesagt. „Die Pastoren sind auch für uns als Ansprechpartner da“, sagt Anngret Timmann.
Das „Trauer-Café“ am Lauweg 16 öffnet alle zwei Monate, immer an einem Montag zwischen 19 und 21 Uhr. Die weiteren Termine: 18. Juni, 20. August, 15. Oktober, 17. Dezember. Die Teilnahme ist kostenlos. Die Frauen freuen sich jedoch über Spenden, um die Kosten zu decken. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Jeder ist willkommen.