Kirchwerder. Fachkräfte- und Materialmangel legen die Branche weitgehend lahm. Metin Hakverdi (SPD) hört in Kirchwerder, was das Handwerk fordert.

Bergedorfs Handwerksbetriebe haben volle Auftragsbücher, können aber viele Arbeiten nur unter erschwerten Bedingungen ausführen, müssen improvisieren. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der Corona-Pandemie mangelt es an vielen Materialien, die von den Handwerkern dringend benötigt werden. Von diesen und weiteren massiven Problemen erfuhr der Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi (SPD, 52), der an zwei Tagen sechs Handwerksbetriebe in seinen Wahlkreisen Harburg und Bergedorf besuchte. Letzte Station der Tour war die Tischlerei von Julius Bendschneider (61) am Süderquerweg 212. Zu dem Rundgang gesellte sich auch Bezirkshandwerksmeister Christian Hamburg.

Bendschneider konfrontierte den Bundestagsabgeordneten mit einer ganzen Latte von Verbesserungswünschen: Besonders wichtig sei etwa, die duale Ausbildung an der Berufsschule und im Betrieb dem Studiengang gleichzustellen. Das Ansehen der Handwerks-Ausbildung müsse verbessert werden. „Wir können die Energiewende nicht mit arbeitslosen Ex-Studenten schaffen“, sagte Bendschneider. Auch müssten die Zuschüsse für Meisterlehrgänge bundesweit angeglichen werden. Hamburg hinke mit nur 1000 Euro hinterher, in Mecklenburg-Vorpommern bekämen angehende Meister das Dreifache.

Der Handwerksberuf müsse dringend aufgewertet werden

Junge Menschen dränge es ins Studium und die wenigen, die sich für eine Handwerksausbildung entscheiden, würden nach deren Abschluss oft den Beruf wechseln. „Uns fehlen sowohl Indianer als auch Häuptlinge“, sagte Bendschneider. „Dabei sind unsere Vorfahren als Handwerker gut klargekommen.“ Die Vorteile der Handwerksberufe müssten dringend hervorgehoben werden, sagte Hakverdi: „Da kommt uns die Bekämpfung des Klimawandels zugute, denn sie ist ein riesiges Handwerker- und Konjunkturprogramm.“ Deshalb sei das Handwerk „die wichtigste Branche unseres Landes für die kommenden zehn Jahre“.

Doch woher die vielen neuen Fachkräfte, die zur Umsetzung der Klimaziele benötigt werden, kommen sollen, ist unklar. Aufgrund der Pandemie starteten 2020 und 2021 weniger junge Menschen eine Ausbildung zum Handwerker als 2019, weiß Hamburg. „Es gab so gut wie keine Praktika in den Betrieben, aber durch sie werden die meisten Ausbildungsverträge geschlossen.“ Geflüchtete würden das Problem abmildern, betont der Bezirkshandwerksmeister: „Sie machen unter den Auszubildenden in Hamburg 12,5 Prozent aus.“

Nur wenige junge Menschen beginnen eine Handwerker-Ausbildung

Arbeitsuchende Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, würden diesen Sommer keinen Vorteil auf dem Arbeitsmarkt bringen, meint Hakverdi, „aber in den kommenden zehn Jahren“. Jedoch bleibe abzuwarten, wie die rechtlichen Voraussetzungen langfristig aussehen werden. Derzeit ist es Flüchtlingen aus der Ukraine erlaubt, für mindestens ein Jahr in Deutschland zu arbeiten. Hakverdi: „Die Frage ist, ob diese Regelung verlängert wird.“

Doch auch in diesem Sommer würden vermutlich nur wenige junge Menschen eine Handwerker-Ausbildung beginnen, fürchtet Hamburg. Deshalb bedürfe es nun dringend und schnell „Nachvermittlungsaktionen“. Das Dilemma: Für zusätzliche Speeddatings oder Info-Veranstaltungen habe die Handwerkskammer keine Personalressourcen, da die Mitarbeiter mit Krisen-Beratungen und bereits laufenden Projekten an Schulen ausgelastet sind. Und: Viele Unternehmen seien so sehr mit dem Management der gestörten Betriebsabläufe beschäftigt, dass sie kaum Leute dafür abstellen könnten, weiß Hamburg.

Bürokratie ist für die kleinen Betriebe viel zu umfassend

Auch die Regelung der Erweiterung von Betrieben sei laut dem Tischlermeister „eine Katastrophe“: Die Genehmigungsverfahren für Baumaßnahmen dauerten viel zu lange. Christian Hamburg bestätigte, dass es „zu viele Entscheidungsebenen“ gebe. Die Maßstäbe für die Planung großer, komplexer Projekte könnten für kleine Betriebe so nicht angewendet werden. Hamburg: „Der Handwerksbetrieb, der erweitern möchte, benötigt eigentlich einen Mitarbeiter, der sich nur um administrative Dinge im Planungsverfahren kümmert.“ Bendschneider bestätigte, dass die bürokratischen Anforderungen generell gegenüber den Betriebsinhabern kaum noch zumutbar seien.

„Der Senat macht allerdings gegen eine Mehrheitsmeinung Druck, damit nicht nur neue Wohnungen, sondern auch Gewerbebetriebe untergebracht werden können“, entgegnete Hakverdi.

Obwohl die Auftragsbücher voll sind, kann das Handwerk nicht loslegen

Früher habe es vor großen Wohnhäusern in der Stadt Parkplätze für Handwerker gegeben, berichtete Bendschneider. Dies sei vorbei. Seine Mitarbeiter müssten deshalb oft ewig lange nach einem Parkplatz suchen. „Das wird sich noch verschärfen“, sagte Hakverdi. Der Sozialdemokrat hofft auf eine Entschärfung durch digitale Verkehrsleittechnik. Hamburg mag daran nicht glauben: „Das haben wir schon vor 15 Jahren von der Politik gehört.“ Passiert sei nichts, außer, dass Fachkräfte auch aufgrund von Stau und Parkplatzproblemen massiv abgewandert seien. „Viele Betriebe arbeiten im Notfallprotokoll. Sie haben kaum Mitarbeiter, weil die wegen Corona zu Hause sind, und auf absehbare Zeit einen großen Mangel an wichtigen Materialien. Obwohl die Auftragsbücher voll sind, können sie oftmals nicht loslegen“, sagte Hamburg. So mangele es beispielsweise an Sperrholzprodukten, Baustahl und Ziegeln. „Große Bauprojekte können deshalb nicht fertiggestellt werden“, sagt Hamburg. Er fürchtet, dass die Materialsituation „lange unkalkulierbar bleiben“ wird. „Der Bereich Elektro und Sanitär ist wiederum von Kleinstbauteilen abhängig, die oft nicht geliefert werden können – etwa Elektronikchips.“

Masterplan: Neue Flächen sollen bereitgestellt werden

Der Senat hat am Freitag einen „Masterplan Handwerk 2030“ präsentiert, in dem die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit von Senat und Handwerk festgeschrieben sind. Er soll zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Hamburg und zur erfolgreichen Entwicklung des Hamburger Handwerks beitragen. Unter anderem sollen neue Flächen bereitgestellt und der Umstieg auf klimafreundliche Technologien unterstützt werden.