Bergedorf. Krise beschert Gewerken Probleme – Appell des Bezirkshandwerksmeisters.
Wer vor einigen Wochen einen Handwerker benötigte, der hörte meist, dass die Arbeiten erst in einigen Monaten ausgeführt werden könnten, da die Auftragsbücher voll seien. Durch das Coronavirus hat sich die Lage auch im Handwerk dramatisch verändert. Bis auf Friseure und Kosmetiker dürfen alle Gewerke zwar weiter arbeiten, doch es mangelt nun an Aufträgen, berichtet Christian Hamburg (47), Bergedorfs Bezirkshandwerksmeister.
Viele Aufträge würden von den Kunden verschoben, denn niemand wolle derzeit Handwerker in der Wohnung haben. „Die Menschen arbeiten im Homeoffice, haben ihre Kinder zu Hause. Da wollen sie nicht noch Handwerker um sich herum haben, auch wenn die Wohnungen und Häuser groß genug sind, um sich aus dem Weg zu gehen“, sagt Hamburg. Einen Rechtsanspruch gebe es auf das Verschieben von Terminen nicht, doch aus Kulanz würden die Betriebe sich in der Regel darauf einlassen. „Schließlich will keiner seine Kunden vergraulen“, sagt Hamburg.
Nur kleinere Aufträge
Neue Aufträge würden kaum reinkommen, und wenn, dann sollten die Handwerker auch hier erst zum Jahresende anrücken, berichtet der Bezirkshandwerksmeister. Zudem bekämen die Betriebe fast nur kleinere Aufträge rein. Hamburg: „So verkaufen etwa die Sanitärfachleute keine neuen Badezimmer. Doch diese Einnahmen haben sie dringend nötig.“ Bäcker und Schlachter würden gewaltige Umsatzeinbußen verzeichnen: „Die Menschen kaufen nun für einen längeren Zeitraum ein, greifen zu Fertig- und Tiefkühlkost.“ Hinzu kommt, dass die Großküchen, Restaurants, Schulen und Kitas als Kunden ausfallen.
Wenn Handwerker in Innenräumen oder auf Draußen-Baustellen tätig sind, dann wegen der Auflagen (Abstand halten) meist im Schichtbetrieb. Das führe allerdings mitunter dazu, dass Auftraggeber Arbeiten absagen, weil sie ihnen derzeit zu lange dauerten. Materialengpässe machen dem Handwerk ebenfalls zu schaffen: „Produkte aus China und Italien werden nicht geliefert, andere Waren kommen mit Lkw, die tagelang an der Grenze stehen“, sagt der Bezirkshandwerksmeister, der von einer „Schlaglochpiste der Auftragsabwicklung“ spricht.
Abläufe umstrukturieren
Die neuen Sicherheits-Regelungen – zwei Meter Abstand, nur zwei Mitarbeiter im Einsatz, nur ein Kunde zur Zeit im Geschäft, Handhygiene – verzögern die Abläufe. Die Betriebsinhaber müssten nun – wie alle Firmenchefs – die Abläufe so umstrukturieren, dass einzelne infizierte Mitarbeiter nicht den gesamten Betrieb lahmlegen.
Die Einschränkungen für das Hamburger Handwerk seien laut Hamburg eine „Grauzone“: Während in Schleswig-Holstein eindeutig geregelt sei, dass „tätigkeitsbezogene Produkte“ verkauft werden dürften, könne der Raumausstatter mit dem Kunden in seiner Laden-Werkstatt die zwar die Polsterung eines Stuhls planen, dürfe ihm aber keine Stoffe verkaufen. Die Ausstellungsbereich der Betriebe seien deshalb oft geschlossen. Kfz- und Fahrradwerkstätten dürfen reparieren, aber keine Fahrzeuge verkaufen.
Fahrendes Büro
Da die Kollegen „nicht völlig fantasielos“ seien, würden sie Fliesen aus ihrer Ausstellung einsammeln und beim Kunden präsentieren. Hamburg, Betreiber des Maler- und Raumausstatter-Betriebes „Ewald Hamburg“ (22 Mitarbeiter) in Altengamme, setzt auf verstärkte Telefon-Beratung, hat einen Lieferservice eingerichtet. Farbeimer und andere Produkte können auch vor dem Laden – kontaktlos – abgeholt werden. „Außerdem bin ich mit meinem fahrenden Büro in einem Transporter unterwegs. Darin habe ich einen Tisch und einen PC mit Internetanschluss. So kann ich die Kunden vor ihrer Tür schneller beraten.“
Hamburg hofft, dass nicht nur zwangsgeschlossene Geschäfte, sondern auch die Betriebe, die nur sehr stark eingeschränkt arbeiten können, in finanzieller Notlage ebenfalls Platz unter dem Schutzschirm (Zuschüsse) der Stadt finden. Denn auch Baufirmen, die derzeit noch „uneingeschränkt buddeln“, etwa im Auftrag der Stadt, würden die Krise vermutlich noch zu spüren bekommen, glaubt Hamburg: „Wenn die Stadt an den Straßensanierungen sparen muss und wenn große Kunden aus Gastronomie und Einzelhandel ihre Aufträge absagen oder verschieben, dann wird es auch dort eng.“
„Beim Bäcker nebenan kaufen“
In Bergedorf gibt es rund 1000 Handwerksbetriebe mit etwa 10.000 Mitarbeitern. Hamburg appelliert an die lokale Wirtschaft, sich gegenseitig zu unterstützen: „Der Maler sollte weiterhin beim Bäcker nebenan sein Brötchen kaufen.“ Es gehe darum, „Ideen zu entwickeln und kreativ zu sein“.