Hamburg. Weil sie wieder Fußball spielen wollte, es aber im Verein keine Frauenmannschaft gab, gründete Anika Bolle eine – mit großem Erfolg.
Für Anika „Ani“ Bolle fühlt es sich an, wie verliebt zu sein. Und dabei denkt die 35-Jährige nicht etwa an einen Mann, sondern an einen runden Ball. Für die dreifache Mutter hat es in ihrem Leben nie einen Sport gegeben, der sie so begeistern konnte wie der Fußball. „Etwas anderes war für mich nie eine Option“, betont Ani Bolle, die vor allem auch Teamgeist und Gemeinschaft an ihrem Lieblingssport schätzt.
Und die findet sie seit gut einem Jahr wieder in einer Mannschaft, die es ohne sie wohl gar nicht gegeben hätte: die 1. Damen vom SV Curslack-Neuengamme. Zu dem Vierländer Verein mit Heimat am Gramkowweg hatte Ani Bolle Kontakt, weil ihr ältester Sohn dort auf Torejagd ging. Und während sie mit anderen Eltern am Spielfeldrand stand, stieg auch in ihr selbst wieder die Lust zu spielen. 15 Jahre lang war sie da vereinslos gewesen, nachdem sie während der Schulzeit in Wilhelmsburg mit dem Fußball angefangen hatte.
SVCN hat erstmals eine Frauen-Fußballmanschaft
Doch Ani Bolle musste feststellen, dass es beim SVCN gar keine Frauenmannschaft in der Fußballabteilung gab. Also entschied sich die 35-Jährige dazu, selbst eine Mannschaft zu gründen. Und bekam direkt viel Zuspruch von anderen Müttern und auch von der Vereinsführung um Vorsitzenden Klaus Mangelsdorff. „Er war gleich ein großer Unterstützer und hat uns direkt einen ersten Sponsor besorgt“, betont Ani Bolle.
Um Mitspielerinnen zu finden, postete sie in der Facebook-Gruppe „Marktplatz Vier- und Marschlande“ erstmals ihre Idee – und dann ging es Schlag auf Schlag, erinnert sich die 35-Jährige. Beim ersten Training waren gleich sieben weitere Frauen mit dabei, wenig später stieß auch Katja Soens aus Neuengamme zu der Truppe. Ein Schlüsselereignis, wie Ani Bolle sich erinnert. Denn die 41-Jährige brachte auch ihren Partner Stephan Pries mit zum Training.
Erfahrene Spielerinnen und absolute Neulinge gehen gemeinsam auf Torejagd
Der hatte bis Ende der 1990er-Jahre als Vertragsamateur Fußball gespielt und war im Kader vom VfL 93 und Altona 93 sogar in der 3. Liga (früher Regionalliga) aufgelaufen. Die Frauen vom SVCN erkannten in ihm direkt den passenden Trainer und engagierten ihn quasi vom Fleck weg. In der Rolle hatte der 51-Jährige zwar noch keine Erfahrung, aber in seiner Fußball-Laufbahn 21 Trainer, darunter vier Profitrainer gehabt. „Da habe ich mir einiges abgucken können“, stellt Stephan Pries fest, der mittlerweile mit Lars Wilk sogar einen Co-Trainer an seiner Seite hat.
Schnell wuchs der Kader der Frauenmannschaft an. Das Besondere: Unter den Spielerinnen waren sowohl erfahrene Kickerinnen, die auch schon in höhren Ligen gespielt hatten, als auch absolute Neulinge, die zuvor noch nie einen Ball geschossen hatten. „Wir sind ein bunt gemischter, wilder Haufen“, stellt Ani Bolle fest. Die verschiedenen Niveaus unter einen Hut zu bekommen, sei anfangs tatsächlich gar nicht so einfach gewesen. Daher setzte Stephan Pries nicht darauf, die Kondition der Damen zu verbessern, sondern voll und ganz auf den Umgang mit dem Ball.
Damen laufen in der neuen Saison erstmals auf dem 11er-Feld auf
Das habe Wirkung gezeigt, ist der Trainer überzeugt. „Jede Spielerin hat sich weiterentwickelt“, sagt Stephan Pries. Und vor allem sei mit steigendem Können auch der Ehrgeiz bei jeder geweckt worden. Und nach dem ersten Jahr in der Sonderklasse auf dem 7er-Feld hat die Mannschaft für die neue Saison für das 11er-Feld in der Kreisliga gemeldet. „Jetzt spielen wir endlich richtigen Fußball“, stellt Ani Bolle fest und meint das keineswegs despektierlich.
Mittlerweile gehören 20 Frauen zum Kader, „und es dürfen gerne noch mehr werden“, betont die Mannschaft. Ebenso wie ihre Erfahrung auf dem Platz ist auch ihr Alter bunt gemischt und liegt zwischen 16 und 49 Jahren, wobei die Teenagerin eine Sonderrolle aus Gründungszeiten genießt. Eigentlich liege das Einstiegsalter bei 18 Jahren. Doch auch den weiblichen Fußball-Nachwuchs habe man definitiv im Blick, betont Nancy Granström, die sich im SVCN als Obfrau für den Frauenfußball engagiert.
Frauenfußball bekommt immer mehr Aufmerksamkeit
Denn Frauenfußball erfreue sich einer wachsenden Beliebtheit und werde mehr und mehr in den Fokus gerückt, ist die 44-Jährige überzeugt. Und das vor allem auch dank der TV-Präsenz großer Turniere. Denn selbst wenn die deutsche Mannschaft zuletzt bei der Weltmeisterschaft (WM), die erst vor fast zwei Wochen mit dem Titelgewinn Spaniens endete, enttäuscht habe, habe das erneut viel Aufmerksamkeit für den Frauenfußball gebracht, meint Nancy Granström.
Insgesamt sei die Begeisterung für den Frauenfußball groß, bestätigt auch Carsten Byernetzki, Leitung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit sowie stellvertretender Geschäftsführer im Hamburger Fußball-Verband. Das hänge maßgeblich am ehrenamtlichen Engagement in den Vereinen. „Dort, wo es gute und kontinuierliche Angebote gibt, kommen die Mädchen und Frauen und spielen gerne Fußball“, sagt er.
Mehr als 100 Frauen-Mannschaften sind in Hamburg im Spielbetrieb
Letztlich sei aber die Sichtbarkeit an sich auch der Frauen-Bundesliga eine gute Botschaft und die tollen Spiele in Australien und Neuseeland wären auch ohne die Deutsche Nationalmannschaft am Ende eine tolle Werbung für den Frauenfußball, so Byernetzki. Die Anzahl der Frauenmannschaften im Hamburger Fußball-Verband bewege sich mit um die 100 Mannschaften auf einem hohen Niveau, meint der stellvertretende Geschäftsführer. Nachdem in der Saison 2019/20 91 Frauen-Mannschaften im Spielbetrieb waren, sind es in dieser Saison 104 Teams.
Im Bezirk Bergedorf gehen Frauen etwa auch beim SCVM, SV Altengamme, im ASV Bergedorf oder FC Bergedorf 85 auf Torejagd. Und auch beim SVCN soll die noch junge Abteilung wachsen: „Wir sehen, dass der Bedarf da ist und wollen auch ein Angebot für Mädchen schaffen und mittelfristig eine zweite Frauenmannschaft aufbauen“, sagt Nancy Granström.
SVCN hat ein großes Platzproblem
Allerdings müsste dann auch das Platzproblem des Vereins dringend gelöst werden, betont Nancy Granström. Schon im März hatte sich die Vereinsführung im Sportausschuss der Bezirksversammlung zu Wort gemeldet und über zu wenig Platz für die Fußballabteilung geklagt. Denn 25 Teams müssen sich den einen Platz am Gramkowweg teilen.
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In der Zeit, als dort zuletzt Kunstrasen verlegt wurde, konnten die Frauen auf eine Privatfläche ausweichen, die ihnen Sven Johannsen am Warwischer Hinterdeich zur Verfügung stellte. Dafür ist das Team sehr dankbar, war dadurch in den vergangenen Monaten ein Training und auch Vorbereitung auf die neue Saison überhaupt möglich. Trotzdem verdeutliche es, dass der Verein massive Platzprobleme habe, so Nancy Granström.
Saisonstart mit Pokalspiel im heimischen Stadion
Und dabei bekommt der Verein auch Rückendeckung von der Lokalpolitik: In einem interfraktionellen Antrag hatten Grüne, SPD, FDP, Linke und CDU Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann darum gebeten, Möglichkeiten für eine Erweiterung der Sportanlagen des SVCN am Gramkowweg oder auch an anderen Standorten zu eruieren. Ein Bericht der Ergebnisse steht noch aus.
Die 1. Damen werden am Sonntag, 3. September, im Stadion am Gramkowweg auflaufen, denn nach einigen Freundschaft- und Testspielen in der Vorbereitung geht es nun richtig los: Im Verbandspokal bestreiten sie ihr erstes Spiel gegen die 1. Frauenmannschaft des TSV Reinbek. Anpfiff ist um 15 Uhr. Saisonauftakt in der Kreisliga ist dann am Sonnabend, 9. September. Dann treten die Frauen auswärts um 14.30 Uhr bei den 2. Frauen vom Rahlstedter SC an.
Kontakt zum Team gibt es über Instagram (svcn_damen) oder über die Internetseite des Vereins www.svcn.de.