Curslack/Neuengamme. Zbigniew Zodel wagt sich aus der Anonymität der Großstadt hinein ins Landgebiet. Was den neuen Polizeiposten an seiner Aufgabe reizt.

Als Zivilfahnder bei der Polizei Hamburg ist es üblich, einen Spitznamen von den Kollegen verpasst zu bekommen. Aufgrund seiner Haarpracht und seines Nachnamens sei aus ihm schnell „Zoddel“ geworden, verrät Zbigniew Zodel lächelnd und fährt sich dabei mit der Hand über seine Glatze.

14 Jahre lang machte der Oberkommissar zuletzt in Wilhelmsburg Jagd auf Einbrecher, Drogendealer oder Brandstifter. Doch aus dem Zivilfahnder ist nun ein Dorfsheriff geworden: Der 47-Jährige ist der neue Polizeiposten für Curslack und Neuengamme. Und auch wenn er jetzt wieder Uniform trägt, bleibt der Spitzname gleich: „Ich war Zoddel und bleibe Zoddel“, sagt der Polizeibeamte ganz bürgernah und bodenständig.

Polizei Hamburg: Auch als Dorfsheriff möchte er „Zoddel“ genannt werden

Seine ersten Lebensjahre verbrachte „Zoddel“ in Bromberg, etwa 150 Kilometer südlich von Danzig. Im Alter von etwa fünf Jahren siedelte er mit seinen Eltern von Polen nach Hamburg um. Aufgewachsen in Billstedt war für ihn schon ein gutes Jahr vor dem Abitur klar, wie sein beruflicher Weg aussehen würde: „Ich habe in meinem Leben nur eine einzige Bewerbung geschrieben und die war für die Hamburger Polizei“, stellt der Ordnungshüter fest. Einen Plan B habe es nicht gegeben: Für Zbigniew Zodel stand fest, dass er Polizist werden würde.

Nach 28 Jahren im Polizeidienst wagt er nun aber noch einmal eine 180-Grad-Wende und etwas grundlegend Neues: Denn im Gegensatz zur Tätigkeit als Zivilfahnder bewegt er sich als Polizeiposten nun nicht mehr in der Anonymität der Großstadt, sondern ist mittendrin im Dorfleben. Auch wenn er sich an das Tragen einer Uniform noch immer gewöhnen muss, fühlt er sich total wohl in seiner neuen Rolle: „Man erhält viel positives Feedback und eine spürbare Wertschätzung vonseiten der Landbevölkerung für die geleistete Arbeit“, erklärt „Zoddel“, der für die Polizei bei Vernehmungen auch als Dolmetscher für die polnische Sprache im Einsatz ist.

Vorgänger Matthias Lange investierte viel Herzblut in die Postenübergabe

Schon in der kurzen Zeit, die er nun in Curslack und Neuengamme aktiv ist, habe er in Gesprächen mit Anwohnern immer wieder festgestellt, wie außerordentlich wichtig ihnen ihr Dorfsheriff vor Ort ist, an den man sich mit den alltäglichen Sorgen und Nöten wenden kann, stellt der 47-Jährige fest. Dieses entgegengebrachte Vertrauen sei als Ergebnis der langjährigen und zuverlässigen Arbeit der Postenvorgänger anzuerkennen, betont Zodel.

Ein Herz und eine Seele: Dorfsheriff Zbigniew Zodel (l.) mit Vorgänger Matthias Lange, der ihn mit viel Herzblut in das Postengebiet einführte.
Ein Herz und eine Seele: Dorfsheriff Zbigniew Zodel (l.) mit Vorgänger Matthias Lange, der ihn mit viel Herzblut in das Postengebiet einführte. © Privat

Ihm ist bewusst, in welche großen und tiefen Fußstapfen er tritt – und das nicht erst, seitdem Vorgänger Matthias Lange vor zweieinhalb Wochen von gut 300 Bürgern mit einem bewegenden Überraschungsumzug durchs Postengebiet in den Ruhestand verabschiedet worden ist. Der pensionierte Hauptkommissar hatte seinen designierten Nachfolger bereits im Laufe des vergangenen Jahres zu großen Festivitäten und Laternenumzügen mitgenommen und bei Vereinen und Institutionen vorgestellt. „Wie viel Herzblut er in eine ausgiebige Übergabe seines Postens gesteckt hat, ist keinesfalls selbstverständlich“, betont der neue Dorfsheriff.

Kindheit und Kinder brachten ihm das Landgebiet nah

Nach derzeitigem Stand bleiben Zbigniew Zodel noch 13 Dienstjahre bis zur Pensionierung. Und die möchte er gern als Dorfsheriff verbringen, die Herausforderung annehmen und eigene Spuren hinterlassen: „Mein Anspruch und meine Aufgabe wird es in Zukunft sein, dieses gelebte Miteinander, sowohl mit der Wohnbevölkerung, den Gewerbetreibenden und den zahlreich vertretenen Institutionen wie Freiwilligen Feuerwehren, Kirchengemeinden und den traditionsreichen Verbänden und Vereinen, in den Vierlanden zu pflegen und mitzugestalten“, sagt der Oberkommissar, der mit seiner Frau Agnes und den 17 Jahre alten Zwillingssöhnen Adrian und Oliver in Escheburg lebt.

Das Landgebiet ist ihm aber nicht erst seit seiner ersten Hospitation bei den Polizeiposten im Herbst 2021 oder seiner Versetzung ans Bergedorfer Polizeikommissariat im vergangen August bekannt. Als Kind und Jugendlicher ging es im Sommer mit dem Fahrrad aus Billstedt häufig an den Hohendeicher See, Eichbaumsee oder auch in die Boberger Niederung.

Mehr Zeit für Hobbys wie Spinning oder Tauchen

Zudem entstand durch die beiden Söhne, die zuletzt sieben Jahre lang beim Sportclub Vier- und Marschlande (SCVM) Fußball spielten, ein enger Kontakt zu Trainern und anderen Eltern. Nun, da ihr Vater beruflich in die Vierlande wechselt, werden Adrian und Oliver jedoch das Landgebiet verlassen und künftig für den Düneberger SV auf Torejagd gehen. Nachdem die Zwillinge ihn und seine Frau seit ihrer Geburt ganz gut auf Trab gehalten hätten, beginne allmählich der Abnabelungsprozess, stellt ihr Vater fest.

Deshalb und auch, weil er nun nicht mehr in den Schichtdienst eingebunden ist, gebe es nun wieder mehr Zeit für Hobbys wie Spinning oder vielleicht auch den Tauchsport. Ein Urlaubstaucher sei er nie gewesen, habe das Tauchen in der Ostsee gelernt und mit Neoprenanzug und Flossen heimische Gewässer erkundet. „Den Hohendeicher See kenne ich also auch unter Wasser ganz gut“, stellt „Zoddel“ fest.

Dorfsheriff soll mittelfristig ein Büro im Postengebiet beziehen

Die erste Bewährungsprobe im Revier werde das Erdbeerfest sein, das in einer Woche (17. und 18. Juni) am Rieck-Haus gefeiert wird. Vor allem der Verkehr sei bei dem Fest, das an beiden Tagen etwa 4500 Besucher nach Curslack lockt, eine Herausforderung, da der Curslacker Deich zur Einbahnstraße wird und nur wenig Parkplätze nahe dem Freilichtmuseum für Besucher zur Verfügung stehen. Stattdessen pendeln Busse alle 30 Minuten vom Bahnhof Bergedorf über die schmale Deichstraße zum Festgelände.

Falls er doch noch eine spezielle Frage hat weiß er, dass er seinen Vorgänger kontaktieren darf. „Er ist nicht aus der Welt und dafür bin ich außerordentlich dankbar“, sagt „Zoddel“, der von Matthias Lange und seiner Frau Imke Jans zuletzt schon liebevoll „Mitbewohner“ genannt wurde, weil er seit März ständig das Polizeipostenbüro am Curslacker Deich mitbenutzte.

Damit ist seit Pensionsbeginn von Matthias Lange nun aber tatsächlich Schluss. Mittelfristig soll der neue Dorfsheriff ein Büro in seinem Revier beziehen. Ein Objekt ist bereits in Aussicht, aber noch nicht spruchreif, heißt es von Seiten der Polizei. Bis dahin kann „Zoddel“ erstmal für die Arbeit am Dienstlaptop im Altengammer Polizeiposten einkehren – und ist für Bürgerinnen und Bürger unter der bekannten Postennummer zu erreichen: 040/428 65 43 56.