Hamburg. Eine neue Spezialeinheit kümmert sich um das Thema Herzstillstand und bietet schnellste Diagnostik. Wie das funktioniert.
Beim Hinauflaufen eines kleinen Anstiegs im Bergedorfer Gehölz bekommt der 48 Jahre alte Hobbysportler plötzlich Atemnot, spürt ein Ziehen in der Brust – und klappt bewusstlos zusammen. Plötzlicher Herzstillstand mitten im Wald! Glücklicherweise sind noch weitere Läufer im Gehölz unterwegs, einer von ihnen holt den Mann durch geeignete Erste-Hilfe-Maßnahmen zurück ins Leben.
Ein fiktives, aber keineswegs realitätsfernes Beispiel. Doch wie geht es weiter? Welche Überlebenschancen haben die Betroffenen? Prognosen sind wegen der Schwere der Erkrankung schwierig und hängen auch davon ab, wie das behandelnde Krankenhaus fachmedizinisch und von der Ausstattung für solche Akutmedizin aufgestellt ist. Das Agaplesion Bethesda Krankenhaus in Bergedorf hat nun eine neue Spezialeinheit für solche Fälle: das Cardiac Arrest Center (CAC).
Herzstillstand: Die ersten sechs bis acht Minuten entscheiden
„Die ersten sechs bis acht Minuten nach einem möglichen Herz-Kreislaufstillstand können entscheidend sein“, sagt Dr. Gesine Janssen. Sie leitet in der Klinik das fünfköpfige Team des – ein Kollektiv aus Medizinern und Pflegekräften, das spezialisiert darauf ist, reanimierte Patienten nach ihrer Einlieferung in die Klinik bestmöglich zu versorgen und ihnen ein lebenswertes Leben nach der Entlassung zu ermöglichen. Den Vorteil eines so eingespielten Teams beschreibt Janssen, seit 2018 Oberärztin und stellvertretende Leiterin der Intensivmedizin, ganz nüchtern mit diesen Worten: „Es spart Zeit. Und es rettet Leben.“
Das müssen Krankenhäuser für dieses Zertifikat leisten: Ärzte und Pfleger verfügen über zusätzliche Qualifikationen. „Es braucht speziell ausgebildete Internisten“, sagt Gesine Janssen und ergänzt: „Etwa in der interventionellen Kardiologie oder bei der Reanimation.“ Auch die Vernetzung verschiedener Abteilungen, die interdisziplinär-fachliche Versorgung, ist ein Faktor: Außer dem Team der Notaufnahme werden die Kräfte aus der Intensivmedizin, der Kliniken für Kardiologie und Neurologie sowie den Fachrichtungen Anästhesie und Radiologie hier gebündelt. Auch eine 24-stündige Bereitschaft ist Grundvoraussetzung.
Bethesda Krankenhaus in Bergedorf hat eine neue Spezialeinheit
Zeit ist der wohl bedeutendste Faktor im CAC. Es geht darum, dass sich Krankenhäuser wie das Bethesda schon bei der Erstmeldung aus Rettungswagen oder -hubschrauber durch gezielte Fragen bestmöglich darauf einrichten, was genau auf sie zukommt – dazu zählt etwa, welche Qualität die sogenannte Laienreanimation wie beim Ausgangsbeispiel hatte. Die Kette zwischen Rettungstransport und einer möglichen Not-OP soll so kurz wie möglich gehalten werden. Dazu gehört auch, dass gezielt CAC-Kliniken mit optimaler Versorgungsstruktur angefahren werden und keine anderen, weniger gut ausgestatteten Krankenhäuser. „So gut und präzise die Alarmierungskaskade ist, umso besser können wir die Behandlung vorbereiten“, sagt Gesine Janssen. Und umso größer sind auch die Überlebenschancen des reanimierten Patienten – und umso besser ist seine gesundheitliche Prognose für die Zukunft. Aber: Je mehr das Gehirn geschädigt ist, desto geringer sind seine Chancen.
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Wie wichtig die richtige Behandlung bei reanimierten Patienten von draußen ist, zeigt die Statistik aus dem Jahr 2019: Nach Angaben des Deutschen Reanimationsregisters verließen nur elf Prozent von 50.000 Reanimierten die Klinik lebendig. Generell sei die Einschätzung, wie Reanimierte einen derartigen Eingriff überstehen, laut Gesine Janssen „schwierig“. Sie konkretisiert: „Ob ein Patienten überlebt, lässt sich vier bis sieben Tage nach der Reanimation einschätzen. Gleiches gilt für die Frage, ob er im Anschluss ein weitestgehend normales Leben führen kann.“
Entwickelt wurde das Cardiac Arrest Center vom Deutschen Rat für Wiederbelebung. Es wird gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie durch eine Prüfungskommission den Kliniken zugesprochen. Die Bergedorfer Klinik behält den CAC-Status bis September 2024. Dann muss wieder ein Prüfverfahren durchlaufen werden.