Hamburg. Das Lichtwarkheft 2021 erzählt von Bergedorf Wasserburg und welche Rolle 200.000 Goldtaler in Bergedorfs Geschichte spielten.
Dass Bergedorfs Schloss eigentlich eine Wasserburg ist – und eine sehr wehrhafte dazu – hat dem kleinen Städtchen am wichtigsten Wendepunkt seiner Geschichte immerhin sein Wahrzeichen gerettet: Vor gut 600 Jahren, im Juni 1420, stand ein rund 4000 Mann starkes Söldnerheer der Hansestädte Hamburg und Lübeck vor den Toren der Burg. Es war der entscheidende Feldzug der beiden Schwesterstädte gegen die vielen Raubritter, die entlang ihrer Handelswege mit Waffengewalt Zölle eintrieben und so den Zorn der mächtigen Städte auf sich zogen. Bergedorf war Sitz von Erich V., einem der Herzöge von Sachsen-Lauenburg, die nach langwierigem Familienzwist verarmt waren und sich somit auf das Raubrittertum verlagern mussten.
Die Angreifer plünderten zwar das Städtchen Bergedorf und legten es in Schutt und Asche. Aber die Burg hielt ihrem Ansturm fast eine Woche stand und damit so lange, dass die entnervten Angreifer schließlich der kampflosen Übergabe und etlichen Bedingungen der Bergedorfer zustimmten. Wie schlimm es hätte ausgehen können, zeigen die anschließenden Siege des Söldnerheers über die Riepenburg und die Festung Kuddewörde. Beide Anlagen wurden komplett von der Landkarte getilgt.
1420 wurde Bergedorf aus dem Herzogtum Lauenburg herausgelöst
Dennoch hatte der Sturm auch für Bergedorf erhebliche Folgen: Im Perleberger Frieden vom 23. August 1420 wurden Bergedorf und mit ihm die Vierlande sowie die Dorfschaft Geesthacht und der halbe Sachsenwald aus dem Herzogtum Lauenburg herausgelöst. Alles ging in das gemeinsame Eigentum Hamburgs und Lübecks über-- und zwar mit allem „Zubehör“, wie es damals hieß. Sämtliche Details zu diesem Vertrag beleuchtet Carsten Walczok in einem Betrag im neuen Lichtwark-Heft vom Kultur- & Geschichtskontor (8 Euro; 120 Seiten, in allen Buchhandlungen). Er ordnet den „Frieden zu Perleberg“ in den Kontext seiner Zeit ein und nimmt die Leser mit auf eine Zeitreise in die brandenburgische Stadt Perleberg in der Prignitz anno 1420.
Wichtig für die Hansestädte war neben den nun sicheren Handelswegen vor allem der bei Zollenspieker auf der Elbe erhobene „Eßlinger Zoll“. Seine Einnahmen waren so hoch, dass das eroberte Areal trotz teurer Deichbauten Jahr für Jahr viel Geld in die Stadtkassen spülte.
Bergedorfer waren fast 500 Jahre lang „Diener zweier Herren“
Für die Bergedorfer bedeutete der Machtwechsel allerdings, dass sie nun fast 500 Jahre „Diener zweier Herren“ sein sollten. Während im Rest Europas um das Jahr 1500 die Neuzeit mit ihre vielen Freiheiten anbrach, blieben die Bergedorfer wirtschaftlich, rechtlich und sogar kirchlich im Mittelalter stecken. Das änderte sich erst, als das verarmte Lübeck in den 1860er-Jahren fürchteten musste, dass die Abschaffung der Zölle Bergedorf zum Zuschuss-Objekt machen könnte.
1868 kaufte Hamburg Lübeck Bergedorf ab – für fünf Millionen Euro
Nach kuriosen Verhandlungen kaufte Hamburg 1868 Lübeck dessen ideelle Hälfte ab. Der Preis: 200.000 Goldtaler, umgerechnet fünf Millionen Euro. Bergedorf war damit eine eigenständige Stadt im Land Hamburg, durchlief eine rasante Industrialisierung und wurde zu dem, wie wir es heute kennen.
Nächster Teil unserer Serie:
Die Flut von 1771 – als das Wasser in Bergedorf bis an den Geesthang steht