Hamburg. Schulbehörde bewertet nach acht Jahren soziale Zusammensetzung der Schülerschaft neu – mit konkreten Auswirkungen auf den Unterricht.

Acht Jahre ist es inzwischen her, dass Hamburgs Schulen auf diesem Prüfstand waren. Jetzt ließ die Schulbehörde erneut den „Sozialindex“ berechnen, der die sozioökonomische Zusammensetzung einer Schülerschaft beschreibt und auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet: Die 1 bekommen Schulen, in der Kinder „aus ungünstigen Verhältnissen“ stammen, die 6 bedeutet eine „eher privilegierte“ Umgebung.

Für 137 der insgesamt 311 staatlichen Schulen (85 Grundschulen, 24 Stadtteilschulen und 28 Gymnasien) der Hansestadt ergibt sich aus den sozialen Rahmendaten nun eine Veränderung. In Bergedorf etwa wurden sechs Grundschulen abgestuft, die Schule am Mittleren Landweg sogar von 5 auf 3 – wohl durch den Zuzug förderbedürftiger Flüchtlingskinder.

Welche Bergedorfer Schulen von dem neuen Hamburger Sozialindex profitieren

Auch drei Gymnasien und zwei Stadtteilschulen (STS) sackten ab, zwei andere indes, in Kirchwerder und am Richard-Linde-Weg, wurden um eine Stufe hochgerechnet. Und so wird derzeit in vielen Elternbeiräten diskutiert, welche Folgen zu erwarten sind. Denn die Behörde versucht, die Bildungslandschaft durch die Verteilung der Ressourcen (Geld für Lehrer und Sekretariate) gerechter zu gestalten.

Zunächst aber zu den Kriterien, die das beauftragte Institut für Bildungsmonitoring und Qualitätssicherung zugrunde legte: Bewertet wurden der Schüleranteil mit nicht-deutscher Familiensprache, der sonderpädagogische Förderbedarf, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, die Sozialhilfeempfänger unter 15 Jahren sowie die Zahl der Hilfen zur Erziehung und der Schulabgänger mit Abitur.

Wohnquartier im Fokus: Von Arbeitslosenquote bis zur Wahlbeteiligung

Das Luisen-Gymnasium rutschte von 6 auf 5 ab und damit auf das gleiche Index-Niveau wie das Hansa-Gymnasium.
Das Luisen-Gymnasium rutschte von 6 auf 5 ab und damit auf das gleiche Index-Niveau wie das Hansa-Gymnasium. © Anne Strickstrock

Aber nicht nur die Kinder und Jugendlichen selbst stehen im Fokus, sondern das ganze Wohnquartier, also der Schulbezirk: Da wird auf die Arbeitslosenzahl ebenso geguckt wie auf die Wahlbeteiligung zur Bürgerschaftswahl 2020. So soll ein Spiegel der umliegenden Gesellschaft entstehen, für die sich die Schule verantwortlich sieht und entsprechende Angebote schafft.

Nun ist etwa das Luisen-Gymnasium von 6 auf 5 gerutscht und damit auf dem gleichen Index-Niveau wie das Hansa-Gymnasium. „Da sind nicht mehr nur die Kinder aus dem Villenviertel. Das Klientel durchmischt sich immer mehr, die Schüler bringen andere Anforderungen mit“, erläutert Sven Kuvecke, der dem Bergedorfer Kreiselternrat vorsteht.

Indexstufen 1 und 2 haben Auswirkungen auf künftige Klassenstärke

Erheblich sind die Auswirkungen bei den Jüngsten: Dass zum Beispiel die Anton-Rée-Grundschule in Neuallermöhe von 3 auf 2 rutschte, ist dort Anlass zur Freude. Die Indexstufen 1 und 2 bedeuten nämlich, dass nur noch 19 statt 23 Kinder pro Klasse erlaubt sind. Zudem gibt es in den Grundschulen „rund fünf bis zehn Prozent mehr Personal in jeder Stufe“, erklärt die Schulbehörde.

Bei den Stadtteilschulen seien es gerade mal zwei Prozent. Bei den weiterführenden Schulen geht es vor allem um Lehrerstunden, damit ausreichend Personal für die Sprachförderung und die Inklusion zur Verfügung steht, für Ganztagsangebote am Nachmittag und für das Schulbüro.

Stadtteilschule Kirchwerder wird nach Aufwertung Lehrerstunden verlieren

Die sozialen Rahmendaten ließen die Stadtteilschule am Richard-Linde-Weg von Stufe 2 auf 3 klettern.
Die sozialen Rahmendaten ließen die Stadtteilschule am Richard-Linde-Weg von Stufe 2 auf 3 klettern. © Anne Strickstrock

Alles hat zwei Seiten: „Ich schreie zwar nicht yippie, aber es ist doch toll, wenn sich unser Einzugsgebiet zum Guten verändert hat“, meint etwa Andreas Nast, der die STS am Richard-Linde-Weg leitet, die von 2 auf 3 kletterte. Er ist stolz auf fleißige Jugendliche: „An Bergedorfs Stadtteilschulen machen im Schnitt 44,7 Prozent das Abitur. Bei uns sind es 45,5 Prozent.“ Wie viele Lehrerstunden nun abgegeben werden müssen, weiß er noch nicht, er wartet auf Angaben der Behörde.

Auch die hochgestufte STS Kirchwerder wird Lehrerstunden verlieren. „Da ist ein großer Zuzug aus dem Mittelstand, und die Schüler wandern nicht mehr ab“, meint Thimo Witting. Er hingegen leitet die STS Bergedorf (GSB), die von 4 auf 3 rutschte: „Da bekommen wir wohl ein bisschen mehr für die Sprachförderung.“

Hamburgweit sollen insgesamt 115 Lehrerstellen nun umverteilt werden

Dennoch ärgert sich Witting, denn „die gesamte Finanzierung ist ja gedeckelt. Da wird nur umverteilt und gar nicht gefragt, ob das reicht, wenn der Bedarf insgesamt gestiegen ist, um Bildungsnachteile auszugleichen“.

Hamburgweit sollen insgesamt 115 Stellen umverteilt, „jedoch keine Stellen abgebaut werden“, betont die Behörde. „In etwa fünf Jahren“ möchte Schulsenator Ties Rabe (SPD) den Sozialindex erneut aktualisieren.