Hamburg. Mehr Verbrechen im Bezirk trotz Corona-Pandemie registriert. Wo sich die Bergedorfer Zahlen von denen in Hamburg unterscheiden.
Das Jahr 2020 beschert Hamburg im fünften Jahr in Folge eine sinkende Kriminalität. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervor, die am Dienstag im Hamburger Rathaus vorgestellt wurde. Der Bezirk Bergedorf bleibt dabei trotz eines leichten Anstiegs um 391 Fälle weiter unter der Marke von 10.000 Straftaten im Jahr, im vergangenen Jahr wurden 9861 Fälle erfasst (2019: 9470). Ein vergleichbar niedriges Niveau war in Bergedorf Ende der 1980er-Jahre erreicht worden.
Auch in Hamburg fiel die Zahl der Straftaten auf einen historischen Tiefstand seit 1979 mit 203.526 Fällen, ein Minus von 3,5 Prozent im Vergleich zu 2019. Die registrierten Straftaten sind somit in der Metropole im fünften Jahr in Folge rückläufig. Polizeipräsident Ralf Martin Meyer freut sich darüber, merkt aber auch an, dass die Zahlen durch Corona „einen gewissen Schluss der Nichtvergleichbarkeit“ zuließen.
Kriminalitätsstatistik: Rasanter Anstieg der Rauschgiftdelikte in Bergedorf
Die PKS-Trends: weniger Einbrüche, Taschendiebstähle und Schwarzfahrerei, dafür mehr Fahrraddiebstähle, Internet- und auch Drogenkriminalität. Letzteres ist auch für Bergedorf signifikant: Es wurden fast 50 Prozent mehr Rauschgiftdelikte (von 452 auf 677 Fälle) erfasst, vornehmlich in Neuallermöhe. Doch von einem neuen Drogen-Hotspot, weil sich Dealer aufgrund derzeit verwaister Absatzmärkte auf dem Kiez oder dem Hansa-Platz möglicherweise in Randbezirke zurückziehen würden, will Bergedorfs Polizeichef Olaf Sobotta nicht reden: „Wir haben in Neuallermöhe keine öffentlich wahrnehmbare Drogenszene.“
Wie der rasante Anstieg der Rauschgiftkriminalität zustande kommt, erklärt Polizeisprecher Florian Abbenseth: In den ersten Monaten des Vorjahres habe es mehrere Aufeinandertreffen von offenbar rivalisierenden Jugendgruppen speziell im Bereich der S-Bahnstation Allermöhe und dem angrenzenden Fleetplatz gegeben. Zu den polizeilichen Erkenntnissen kamen mehrere Beschwerden von Anwohnern hinzu. „Daraufhin haben wir ab März 2020 dort auf ein Präsenzkonzept gesetzt“, sagt Abbenseth und: „Wer viel kontrolliert, findet auch viel.“ Denn Drogenhandel oder -besitz ist ein Kontrolldelikt. Immer wieder seien bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen überwiegend weiche Drogen gefunden worden.
Zahl der Wohnungseinbrüche sinkt auf historischen Tiefstand
Wie in ganz Hamburg gab es auch in Bergedorf weniger Raubstraftaten und auch deutlich weniger Wohnungseinbrüche. Kamen 2019 86 Raubdelikte zur Anzeige, waren es im vergangenen Jahr 66. Was Einbrüche angeht, haben offensichtlich die Begleiterscheinungen der Pandemie den starken Rückgang forciert. 2019 wurde 218-mal in Bergedorf eingebrochen, im vergangenen Jahr 149-mal. Die Erklärung der Polizei: Menschen verbringen mehr Zeit zu Hause, die Polizei kontrolliert mehr, Türen und Fenster sind einbruchsicherer, und Grenzkontrollen seien wegen der Pandemie erhöht worden. In Hamburg sank die Zahl der Wohnungseinbrüche auf den historischen Tiefstand (seit 1972) von 3442 Fälle.
Das Jahr 2020 startete dabei im Bezirk äußerst blutig: In der Silvesternacht stach bei einem Familienstreit in einer Wohnung an der Fockenweide ein 19-Jähriger seiner Mutter (42) mit einem Messer in den Hals, weil sie bei einer Auseinandersetzung mit dem Vater dazwischen gegangen war. Die Frau wurde lebensgefährlich verletzt, überlebte aber.
Zwei Mordversuche und fünfmal Totschlag in der Bergedorfer Statistik
Der Fall taucht unter der Rubrik „Totschlag“ in der Kriminalstatistik auf. Der Beilangriff vom 2. Dezember 2020 vor einem Wohnhaus an der Straße Am Güterbahnhof, bei dem ein 53-Jähriger lebensgefährlich am Kopf verletzt wurde, ist dagegen statistisch noch nicht verzeichnet. Polizeisprecher Florian Abbenseth klärt auf: „In der 2020er-Statistik können bei Mord oder Totschlag auch Fälle aus dem Jahr 2019 auftauchen. Die Fälle werden erst dann erfasst, wenn die Ermittlungen dazu abgeschlossen sind.“
Insgesamt gab es, nachdem die Kriminalstatistik 2019 keinen Mord und zweimal Totschlag auswies, im Jahr 2020 zwei Mordversuche sowie insgesamt fünfmal Totschlag, davon vier Versuche und eine Vollendung.
Trotz Lockdown: Zahl der Körperverletzungen im Bezirk sinkt nur leicht
Auch die Zahl der Körperverletzungen im Bezirk Bergedorf ist trotz Kontaktbeschränkungen und weniger Treffen auf öffentlichen Plätzen nur marginal gesunken, von 1179 auf 1152 Fälle. Das ist für die Polizei insofern erklärbar, weil sich Tatorte durch vermehrtes Zuhausebleiben in die eigenen vier Wände verlagert haben könnten. Auch die Zahl der gefährlichen und schweren Körperverletzungen (303 auf 271) sank nur geringfügig.
Während in Hamburg generell die Zahl der Diebstähle rückläufig ist, macht sie im Bezirk Bergedorf den Löwenanteil der Kriminalstatistik aus, stieg sogar noch einmal leicht auf 4254 Fälle (2019: 4226) an. Im Detail: Es wurden 98 Pkw gestohlen, 926-mal wurden Ladendiebstähle angezeigt und auch die Anzahl der Taschendiebstähle, ansonsten hamburgweit deutlich zurückgegangen, stieg in Bergedorf von 392 auf 441 Taten an.
Aufklärungsquote bei gestohlenen Fahrrädern liegt bei vier Prozent
Eine konkrete Erklärung hat Polizeisprecher Abbenseth nicht, spekuliert aber auch hier auf Auswirkungen der Corona-Pandemie. Durch geschlossene Geschäfte gebe es für die Bergedorfer kaum Anreize, in die Hamburger City zu fahren: „Man bleibt im eigenen Viertel, und das tun die Diebe vermutlich dann auch.“
Auch die Zunahme von mehr Fahrraddiebstählen ist in Bergedorf nicht zu übersehen. Wurden im Jahr 2019 noch 553 Räder gestohlen, waren es im Corona-Jahr 660. Die Ermittler begründen dies damit, dass insgesamt mehr Rad gefahren wurde, das Fahrrad als Sportgerät und Alternative zum öffentlichen Nahverkehr eine große Nachfrage erfuhr. Hingegen ist die Aufklärungsquote mit vier Prozent extrem niedrig, viele Diebstähle können oft nicht nachverfolgt werden. Deshalb rät die Polizei zur Radcodierung.
„Enkeltrick“ umgemünzt: Polizei warnt vor falschen Corona-Anrufen
Betrugsdelikte sind in Bergedorf etwas weniger geworden (von 923 auf 912 Taten). Die Hamburger Polizei hingegen erfasste im vergangenen Jahr insgesamt mehr Waren- und Warenkreditbetrug, wo das Internet als Handelsort eine größere Rolle einnahm. Eine abgewandelte Form des Enkeltricks mit corona-infizierten Angehörigen sei zudem als neue Betrugsmasche am Telefon registriert worden. Detaillierte Daten zur Betrugskriminalität werden im Februar noch gesondert gefasst.