Hamburg/Billwerder. 42-Jähriger wegen versuchten Mordes an ehemaligem Freund verurteilt. Das Hamburger Gericht glaubte nicht an Notwehr.

Mit einer klaffenden Halswunde erschien Philipp M. (Name geändert) in der Nacht zum 29. April vor dem Boberger Unfallkrankenhaus. Dass er es überhaupt bis dahin geschafft hatte, grenzte an ein Wunder. Der 43-Jährige hatte sehr viel Blut verloren, und der rechte Hinterreifen seines VW Golf war zerstochen. Sein früherer Freund Andreas T. hatte ihm die lebensgefährliche Verletzung zugefügt und mit der Tatwaffe den Reifen zerstochen. Mit einer Notoperation konnten die Ärzte Philipp M. retten (wir berichteten).

Am Montagabend erging vor dem Hamburger Landgericht das Urteil gegen den Messerstecher: acht Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchten Mordes. Der 42 Jahre alte Angeklagte habe heimtückisch gehandelt, sein Opfer habe nicht mit dem Angriff rechnen müssen. Mit dem Urteil entsprach die Kammer der Forderung der Staatsanwaltschaft.

Angeklagter erschien blutverschmiert auf der Bergedorfer Wache

Zwölf Tage lang hatte das Gericht verhandelt, um den Tathergang und das Motiv des Angeklagten aufzuklären. Andreas T. hatte zunächst zum Tatvorwurf geschwiegen. Am dritten Verhandlungstag präsentierte er dem Gericht dann eine Notwehr-Version: Sein Ex-Freund sei im Auto auf einem einsam gelegenen Wendehammer in Billwerder mit dem Messer auf ihn losgegangen, bei der anschließenden Rangelei müsse er sich selbst das Messer in den Hals gerammt haben. Auch mit dem zerstochenen Reifen wollte er nichts zu tun haben.

Der medizinische Sachverständige fand jedoch Blutspuren des Opfers an dem Reifen, und auch die Notwehr-Aussage hielt das Gericht für ausgeschlossen. Dabei hatte Andreas T. diese Geschichte noch in der Tatnacht auch den Beamten der Bergedorfer Polizeiwache erzählt. Mit blutverschmierter Kleidung, blutigen Händen und zitternd am ganzen Körper war er dort erschienen, um Anzeige gegen Philipp M. zu erstatten. Gleichzeitig sagt er, er habe „Scheiße gebaut“.

Gericht ist überzeugt: Angeklagter wollte sein Opfer töten

Die Bergedorfer Beamten waren jedoch bereits gewarnt. Das Boberger Krankenhaus hatte die Billstedter Polizei alarmiert, die ein Tötungsdelikt annahm und alle umliegenden Wachen informierte. Andreas T. wurde festgenommen und saß bis zum Urteil in Untersuchungshaft.

Der Angeklagte wollte sein Opfer töten, daran hatte das Gericht keinen Zweifel. Aber warum? Andreas T. hatte lange Zeit als unangemeldeter Untermieter bei Philipp M. gewohnt, der wollte ihn offenbar loswerden. Auch Geld könnte eine Rolle gespielt haben, angeblich schuldete Philipp M. seinem Ex-Freund einen fünfstelligen Betrag. Schließlich ging es noch um die sexuelle Orientierung des Opfers. Philipp M. habe ihn während der Fahrt „angegrabbelt“, hatte Andreas T. behauptet. Den Tathergang hielt das Gericht für erwiesen, beim Motiv war das Gericht weitgehend auf Vermutungen angewiesen.