Hamburg. Ehepaar am Durchdeich ist mit den Nerven am Ende. In vielen Räumen haben sich Risse gebildet. „Wir fühlen uns hilflos.“
Wenn sich Lkw, HVV-Busse und andere große Fahrzeuge auf dem Durchdeich in Fünfhausen entgegenkommen, weichen sie oft auf den Gehweg aus, weil die Straße schmal ist. Doch das Auf- und Abfahren auf und vom hohen Kantstein erzeugt laute Geräusche – und erschüttere das Haus, beklagt Anwohner Andreas Stier. „Dann wackeln Bett, Schreibtisch und Regale. Es knackt im ganzen Haus, die Decken senken sich, und die Leuchter wackeln. Gläser klirren, und LED-Lampen fallen aus der Fassung“.
Der 59-Jährige und seine Frau Stephanie Stier (47) leben in einem Einfamilienhaus direkt am Durchdeich, Ecke Fersenweg. Täglich gebe es bis zu zehn „heftige Erschütterungen“, sagt Andreas Stier. Hinzu komme, dass sich auch die Fahrer der großen Fahrzeuge oftmals nicht an das Tempo-30-Limit halten würden, das auf dem Durchdeich gilt. Er und seine Frau seien mit den Nerven am Ende – auch weil sie sich seit einem Jahr vergeblich um Hilfe bemühen, sagt der 59-Jährige. Politik und Verwaltung bestreiten, dass es am Durchdeich solche Probleme gibt. „Wir fühlen uns hilflos und von allen zuständigen Institutionen verlassen“, sagt Stier, der nun einen Anwalt beauftragen will.
Durchdeich Fünfhausen: Linienbusse erschüttern Haus – Bewohner verzweifeln
Als sie in den Corona-Lockdowns von zu Hause aus arbeiteten, bemerkten die Stiers, dass ihr Haus häufig erzitterte. „Das Problem gab es schon vorher, aber aufgrund der nahe gelegenen Neubaugebiete sind hier inzwischen viel mehr Busse unterwegs, bis zu zehn in einer halben Stunde“, sagt Stier. Auch die Verbreiterung des Gehwegs vor fast vier Jahren habe zu mehr Ausweichmanövern geführt, sagt der genervte Anwohner. „Es wird ja sogar auf den Gehweg ausgewichen, wenn dort Fußgänger unterwegs sind.“
Das Haus, in dem das Ehepaar seit 15 Jahren lebt, liegt an einem etwa 100 Meter langen, geraden Abschnitt des 5,30 Meter breiten Durchdeichs, der besonders eng ist. „Hier gibt es keine Auffahrten, auf die die Fahrzeuge ausweichen können“, sagt Stier. In anderen Abschnitten werde allerdings auch in Kurven auf den den Gehweg ausgewichen, weiß der Fünfhausener. Die Durchfahrt ist für vom Süderquerweg kommende Fahrzeuge (ausgenommen Busse) mit einer Breite von mehr als 2,10 Metern verboten, „doch da hält sich kaum einer dran“.
Hausbesitzer am Durchdeich geschockt: Kleinere und größere Risse im ganzen Haus
Das schwerwiegendste Problem der Stiers: Im ganzen Haus sind kleine und größere Risse in den Innen- und Außenwänden zu finden. Stier ist davon überzeugt, dass die ständigen Erschütterungen sie verursacht haben. In den Keller sei Wasser durch Risse eingedrungen. „Wir haben das bisher nur provisorisch behoben. Die Risse können jederzeit wieder aufreißen, solange das nicht fachmännisch verdichtet wird.“ Doch das sei nicht billig. Rund 200 Euro mussten die Stiers für die Reparatur einer Gasleitung zahlen, die vom Durchdeich ins Haus führt. Das Ehepaar versucht zu klären, wer für die Schäden am Haus haftet, will auch einen Sachverständigen hinzuziehen.
In seiner Verzweiflung wollte Andreas Stier Busfahrer anzeigen
Stier, der die vorbeifahrenden Busse von seinem Wohnzimmer aus beobachten kann – und von dort aus schon diverse Filmchen und Fotos von sich begegnenden Fahrzeugen gemacht hat –, sagt, dass nur selten (viele) Fahrgäste darin säßen.
Die Polizei war bereits vor Ort, weil Stier in seiner Verzweiflung Busfahrer anzeigen wollte. Er und seine Frau würden ihre Autos häufiger nicht in der eigenen Garage, sondern in dem problematischen Durchdeich-Abschnitt vor ihrem Haus parken, um so Ausweichmanöver zu verhindern.
Der 59-Jährige hat verschiedene Lösungsvorschläge unterbreitet, etwa das Anbringen von Pollern
Stier und auch seine direkten Nachbarn, die Familie Buhr, haben schon vor Monaten die Politik und die Verwaltung eingeschaltet, sogar den Umweltsenator und den Bürgermeister angeschrieben. Die Erschütterungen waren Thema im Regional- und im Hauptausschuss, es gibt Stellungnahmen von Polizei, Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH) und Bergedorfer Bezirksamt. „Sie sehen hier kein Problem und können unsere Kritik nicht nachvollziehen“, sagt der 59-Jährige.
Er hatte verschiedene Lösungsvorschläge gemacht: Sie reichen von Wartebereichen für Busse und einer anderen Taktung oder Streckenführung der Busverkehrs (Ringverkehr) über eine Absenkung der Bordsteine bis zur Einbahnstraßenregelung. „Schnell umsetzbar und kostengünstig wäre sicherlich auch das Aufstellen von Pollern oder Betonringen, sodass die Fahrzeuge anhalten und den Gegenverkehr abwarten müssen.“
Für Durchfahrtsbeschränkung oder eine Einbahnstraßenregelung gibt es keine rechtlichen Voraussetzungen
Stephanie Pelch, Präsidentin der Bezirksversammlung, teilte den genervten Anliegern im September mit, dass die Verkehrspolizei den Straßenbaulastträger (Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer der Stadt Hamburg) als zuständig nennt, wenn es um Mängel an Bausubstanz durch Erschütterungen oder die „Beurteilung einer notwendigen Durchfahrtsbeschränkung zum Zwecke des Substanzschutzes oder Maßnahmen zum Schutz des Gehweges“ geht. Und: „Für die straßenverkehrsbehördliche Anordnung einer Durchfahrtsbeschränkung oder einer Einbahnstraße liegen die rechtlichen Voraussetzungen nicht vor.“
Weiter teilt Stephanie Pelch mit, dass nach Angaben der VHH der Busfahrplan so getaktet sei, „dass ein Begegnungsverkehr regelhaft nicht stattfindet. Allerdings sollen in der Vergangenheit Leerfahrten zum Betriebshof durch den Durchdeich stattgefunden haben. Dies soll zukünftig nicht mehr erfolgen“.
Verkehr auf dem Durchdeich wird nun im Regionalausschuss thematisiert
Auch das Bezirksamt wird in dem Schreiben mit einer Stellungnahme zitiert: „Eine Absenkung der Bordsteine am Sandbrack kann aufgrund der flach verlegten Leitungen seitens der Leitungsbehörden nicht in Erwägung gezogen werden“, heißt es unter anderem. Und: „Auf der Seeseite befindet sich neben dem Bord ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet. Daher darf dort keine Bordabsenkung zur Befahrung der unbefestigten Flächen vorgenommen werden.“
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Am 10. Dezember soll der Verkehr auf dem Durchdeich Thema im nichtöffentlichen Teil des Regionalausschusses sein. „Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen, da es eine zweite Eingabe zu dem Thema gibt. Diese ist in den Regionalausschuss überwiesen worden“, bestätigt Stephanie Pelch und fügt hinzu: „Ich kann versichern, dass Verwaltung und Polizei sehr bemüht sind, Lösungen beziehungsweise Verbesserungsmöglichkeiten zu finden – allerdings ist das nicht leicht, da die Lösungen dann immer für den ganzen Straßenzug gefunden werden müssen.“