Hamburg. Silvia Bechtloff (60) managt Verordnungen in der Gesundheits- und Seniorenpflege. Ihre Großfamilie ist kein Hindernis – im Gegenteil.
„Ohne sie würde bei uns nicht viel laufen“, sagen Katharina Dornia und Janina Stecker, die beiden Geschäftsführerinnen von Medicare am Heidhorst in Boberg. Nur äußerst selten stürme Silvia Bechtloff obergenervt aus ihrem Büro, weil ein Arzt mal wieder ein Formular nicht richtig ausgefüllt hat, eine Krankenkasse die Kosten nicht übernehmen will, etwa für Hilfe bei den Kompressionsstrümpfen. „Das sind doch Erbsenzähler ohne Rückgrat“, schimpft die 60-Jährige dann. Sie ist bei der Gesundheits- und Seniorenpflege für das Verordnungsmanagement zuständig. Das klingt knorrig, meint aber, dass hamburgweit 600 Patienten (etwa ein Drittel aus dem Raum Bergedorf) fachgerecht versorgt werden.
„Wer frisch aus der Klinik kommt, kann sich die Strümpfe nunmal nicht selbst anziehen. Da muss schon einer von unseren 200 Mitarbeitern vorbeikommen“, weiß Bechtloff, die sich um Widersprüche kümmert, um jede Bewilligung kämpft. „Demente Senioren brauchen Hilfe bei der Medikamentengabe, andere bei Insulinspritzen oder beim Verbandswechsel. Da gibt es keine Ausrede, alles andere wäre gesundheitsschädlich.“
Lohbrüggerin arbeitet in der Pflege und hat neun Kinder: „Aufregen bringt ja nichts“
Schwer vorstellbar, dass die Frau in diesem „wunderbar familiären Unternehmen“ geduldig in den Warteschleifen der Krankenkassen hängt. Aber „aufregen bringt ja nichts“, meint Silvia Bechtloff, die sich gern kümmert und sehr pragmatisch zupacken kann: Immerhin ist sie Mutter von neun Kindern!
Als Einzelkind wuchs sie selbst an der Korachstraße in Lohbrügge auf und absolvierte nach dem Schulabschluss am Binnenfeldredder zunächst eine Lehre zur Bankkauffrau. In der Haspa-Filiale an der Vierlandenstraße lernte sie auch ihren Mann Andreas kennen, der sieben Geschwister hat: „Uns war gleich klar, dass wir auch viele Kinder haben wollen. Aber auf die Menge haben wir uns nicht festgelegt.“
„Nicht alle Kinder an meinem Rockzipfel“
Alle neun Kinder kamen im Bethesda-Krankenhaus zur Welt, heute sind sie zwischen 40 und 27 Jahre alt. Doris war das 1984 erste Baby, es folgten Marit und Eric, Timo und Felix, Arvid, Kristin, Ronja und Wencke. Fünf Kinderzimmer sollten es sein, und so reichte bald das 130-Quadratmeter-Haus am Moosberg nicht mehr aus, kam ein kleineres Haus seitlich des Gartens dazu. „Mit drei Kleinen war es noch anstrengend, aber später hingen sie nicht mehr alle an meinem Rockzipfel, guckten auch mal die Größeren nach den Kleinen.“
Dennoch ist eine große Familie natürlich eine logistische Herausforderung, wenn auch kein Kindergarten gebraucht wurde. Dann kamen aber morgens die vielen Schulbrote dazu, mussten Unmengen Lebensmittel und wöchentlich mindestens 15 Liter Milch eingekauft werden. „Extrawürste gab es beim Essen nicht. Wer etwas nicht mochte, nahm sich eben Müsli, Haferflocken oder Cornflakes“, so die Vielfachmutter, die ihren sehr selbstständigen Kindern auch nicht hinterherräumte: „Die haben Füße und können selbst im Keller die Waschmaschine bedienen, die natürlich täglich lief.“
Zwischen lauten Jungs und zickenden Mädchen
Pragmatisch ging es auch im Urlaub zu: Alle rein in den umgebauten VW-Bus, die Reisetaschen in den Anhänger und ab zum Zelten nach Norwegen. „Zu der Zeit hatten wir auch keine Katzen, Karnickel oder Meerschweinchen“, erzählt Silvia Bechtloff. Natürlich sei sie auch nicht immer entspannt gewesen und „sehr müde“, wenn etwa alle Kinder gleichzeitig Scharlach hatten oder die Windpocken. Außerdem nervte manchmal der Lärmpegel, aber „mir war lieber, wenn sich die Jungs durchs Haus jagen als wenn sich pubertierende Mädchen wegen einer Haarspange anzicken“.
Meist aber waren alle gut miteinander, außerdem mit ihren 41 Cousins und Cousinen („meine Schwägerin in Havighorst hat allein elf Kinder“). Und Probleme mit Schulnoten und Hausaufgaben seien auch selten gewesen. Schließlich ist aus allen was Ordentliches geworden, etwa Finanzwirtin und Techniker, TV-Autorin, Optikerin, Mechatroniker, Kaufleute und eine Medizinische Fachangestellte beim Kinderarzt.
Zunächst halbtags startetet Mutter Bechtloff 2009 wieder mit der Arbeit außer Haus: „Anfangs hatten wir bei Medicare kleine Büros direkt am Fischmarkt, seit 2016 sind wir hier in Boberg“. Und das sogar mit 20 Auszubildenden, angehende Pflegefachkräfte. „Aber auch die Pflegehilfskräfte, die unsere Patienten und Senioren waschen, bekochen, mit ihnen spazieren gehen oder die Wohnung putzen, sind superwichtig“, lobt Geschäftsführerin Katharina Dornia (42), deren Mutter, Krankenschwester Brigitte Dornia, einst die Firma gründete. Die heute 66-Jährige legte den Grundstein dafür, dass inzwischen Menschen zwischen Norderstedt und Wedel, Seevetal und Kirchwerder versorgt werden.
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Und was bitte macht „Kümmerin“ Silvia Bechtloff, wenn sie Feierabend hat? Tatsächlich radelt und wandert sie gerne, aber da wären ja auch noch die elf Enkel im Alter zwischen drei Monaten und elf Jahren, die wollen sicher auch mal einen schönen Ausflug machen – wie einst Kristin, die „Nummer sieben“: Sie hat eine Urkunde als Patenkind von Bundespräsident Roman Herzog (1994-1999). „Der hat einmal seine gesamten Patenkinder nördlich von Hannover eingeladen. Da wurden wir mit zig Reisebussen zum Heidepark kutschiert“, erinnert sich lachend die neunfache Mutter.