Hamburg. Emilio Ender musste schon vor zwei Jahrzehnten schließen. Doch sein Rastro-Club ist bis heute sehr lebendig – samt vieler Anekdoten.

Der spanische Name für Trödel hat bei Bergedorfs Kneipengängern einen guten Klang: Rastro ist vielen bis heute ein Begriff, nicht nur weil der Name so gut zum Mobiliar der einstigen Kult-Kneipe an der Alten Holstenstraße wenige Meter neben der Bahnbrücke in Lohbrügge passte. Denn zum Sammelsurium aus verschiedensten Tischen und Stühlen, einem Klavier und sogar einer alten Nähmaschine gehörten hier stets auch Musik und Kabarett dazu. Oder besser: der singende, tanzende oder rezitierende Wirt Emilio Ender.

Seit März 2002 schon ist das Rastro nun Geschichte – länger als sein tatsächlich bloß 17 Jahre kurzes Kneipenleben. Doch dem einstigen Wirt Emilio Ender hält eine Fangemeinde die Treue. Rastro-Club nennt sich die Truppe, die sich einmal im Monat um den mittlerweile schon 73-Jährigen schart, und zwar seit er seine Gastronomie geschlossen hat. „Eigentlich sogar noch länger“, ergänzt Emilio, „denn gegründet habe ich den Club schon 1996, damals für besondere Stammgäste, die als Mitglieder eine D-Mark Rabatt auf jedes Getränk bekamen.“

Kult-Kneipe Rastro in Lohbrügge lebt – auch mehr als 20 Jahre nach ihrem Ende

Ohne ihr Rastro treffen sich die Fans jeweils in wechselnden Gastrobetrieben in Bergedorf und Umgebung, sind längst zu einer großen Familie geworden, die sich auch zu Geburtstagen einlädt und zu den Club-Abenden gern auch mit den bereits erwachsenen Kindern kommt. Klar, dass immer auch alte Anekdoten erzählt werden und das eine oder andere von Emilios unzähligen Fotoalben aus dem Rastro durchgeschaut wird, das in jenem betagten Lohbrügger Wohn- und Geschäftshaus gleich neben dem Schuhhaus Wermuth zu finden war, wo heute der Modeladen Elara seinen Sitz hat.

Rastro Club
Lassen die guten Zeiten aus der Kult-Kneipe „Rastro“ jeden Monat wieder aufleben: Der „Rastro Club“ um den ehemaligen Wirt Emilio Ender (M.) bei seinem November-Treffen anno 2024 im Holstenhof an der Lohbrügger Landstraße. © bgz | Ulf-Peter Busse

Was das Rastro so einzigartig gemacht hat? „Wo hat einem sonst der Wirt die Rechnung nicht bloß gegeben, sondern vorgesungen“, erinnert sich Club-Mitglied Dorit Meyer-Ehling. „Oft gab es dazu dann sogar noch ein kleines Konzert auf den Gläsern, die über der Zapfanlage an der Bar hingen.“

Das perfekte Rastro-Duo der 90er-Jahren: Schauspieler Emilio Ender und Wirtin Petra Bödecker

Ohnehin war Bier ein großes Thema im Rastro, das sich nach seinen Anfängen als Tapas-Bar in den 90er-Jahren zum Irish Pub entwickelte, mit großem Kneipen-Kulturprogramm. Hintergrund des Wandels war das Duo Petra Bödecker und Emilio Ender. Sie hatte die Gastronomie 1985 mit ihrem damaligen Ehemann gegründet, er kam 1990 zunächst als Mitarbeiter dazu. Der ausgebildete Schauspieler und die Wirtin wurden ein Paar, setzten auf irische Kultur einschließlich der besonderen Biertradition der grünen Insel.

Rastro
Rückblick: Das Rastro an der Alten Holstenstraße feiert im Sommer 2001 seinen 16. Geburtstag. © Rastro | Emilio Ender

Und Emilio steuerte neben der täglichen Arbeit hinterm Tresen seine Bühnenqualitäten bei. Kabarettabende mit seiner Truppe „Die drei Schaafrichter“, irische Folklore-Festivals und allerlei Lesungen machten das Rastro und seinen singenden Wirt weit über Lohbrügge und Bergedorf hinaus bekannt. Die kleine Bühne mitten im Gastraum wurde zum Geheimtipp.

„Für den Weihnachtsbraten mit Bratkartoffeln gebe ich fünf von sechs Kochmützen“

Gleiches galt für das Essen, bei dem eindeutig der Knoblauch den Ton angab: „Für den Weihnachtsbraten mit Bratkartoffeln gebe ich sechs von fünf Kochmützen“, lobt Rastro-Club-Mitglied Ingrid Wolff die Qualität der Küche, in der Wirtin Petra Bödecker den Ton angab. „Auch das Knobibrot war Extraklasse.“ Allerdings habe es häufig erstaunlich lange gedauert, bis das Essen wirklich auf dem Tisch stand, ergänzt Club-Kollege Knut Ehling: „Das waren durchaus mal zwei Stunden. Aber die zehn Bier bis dahin haben auch sehr gut geschmeckt. Und der singende Wirt Emilio hat die Wartezeit ohnehin wie im Fluge vergehen lassen.“

Rastro
Gemaltes Dankeschön eines Stammgastes: das Rastro mit dem singenden, hier Bier schleppenden Wirt Emilio Ender. © Rastro | Emilio Ender

Der weiß zu schätzen, dass es nicht nur Geschichten wie diese, sondern den Rastro-Club bis heute gibt: „Ich bin dankbar, dass ich das alles erleben darf. Meine Club-Familie hat mich auch durch schwere Zeiten immer begleitet“, erinnert sich Emilio Ender an die letzten Monate des Rastro im Frühjahr 2002. Damals hatte sich Petra, „die große Liebe meines Lebens“, von ihm getrennt und mit dem Kartoffelkeller in Bergedorf ein neues Restaurant eröffnet. Nach drei Monaten machte er die Kult-Kneipe für immer dicht, räumte auch die einst gemeinsame Wohnung in der Etage darüber.

Auch interessant

So schnell wollten seine Stammgäste aber nicht aufgeben. Sie ließen den Rastro-Club weiterleben, hofften zunächst auf eine Zukunft in neuen Räumen. Doch daraus wurde nichts, weil das legendäre Duo Emilio & Petra trotz der gemeinsamen Tochter Charline-Nana nicht wieder zusammenfand. Geblieben sind die Geschichten von damals, etwa jene, an die sich Jörg Abel noch gut erinnert: „Wenn unangenehme Gäste ins Rastro wollten, hat Emilio sie gern mit dem Hinweis abgefangen, dass ‚hier heute leider eine geschlossene Gesellschaft‘ feiert. Und damit hatte er nicht mal unrecht: Eigentlich war es damals schon ein großes Familientreffen, das sich natürlich gern bis weit über 24 Uhr hinaus ausdehnte.“