Hamburg. Bergedorfer sind dankbar, wenn die Berater kostenfrei bei Kündigungen und Rechnungen helfen. Das sind die wichtigsten Themen.

Vor gut einem Jahr eröffnete Hamburgs Verbraucherzentrale eine Dependance in Bergedorf, eine offene Sprechstunde vor Ort, die sich an Verbraucherinnen und Verbraucher mit wenig Einkommen richtet: Ohne Anmeldung, immer donnerstags zwischen 10 und 12 Uhr, ist ein Rechtsberater im „Haus für alle“ in der Serrahnstraße 1 ansprechbar. Wird das von den Bergedorfern gut angenommen?

„Oh, das läuft supergut, es kommen jedes Mal fünf bis zehn Leute. Das ist viel, wenn man sich mindestens 20 Minuten Zeit nehmen will pro Thema. Manchmal sind es ja auch komplizierte Fälle“, sagt Beraterin Alexandra Kalsner, die sich hier mit ihrem Kollegen abwechselt, dem Theologen Hans-Jürgen Köster. Sie beraten etliche Flüchtlinge und sind froh, wenn Übersetzer für Arabisch, Farsi und Russisch zur Verfügung stehen. Aber vor allem viele Bergedorfer Rentner fragen nach Tipps, nachdem sie übers Ohr gehauen wurden: „Meist ist ihnen die Abzocke schrecklich peinlich.“

Verbraucherzentrale: Verträge werden „irgendwie untergeschoben“

An „allererster Stelle“, so Kalsner, stehe die Telefonie: „Es kommen Menschen, die drei und vier Handyverträge unterschrieben haben. Die wurden ihnen irgendwie untergeschoben, obwohl sie manchmal bloß eine SIM-Karte für 15 Euro kaufen wollten. Plötzlich aber haben sie etwas unterschrieben, ohne genau das Kleingedruckte zu lesen.“

Das sei ärgerlich, weil sich die Menschen dadurch verschulden: „Wer dreimal 50 Euro im Monat zahlen muss, hat einen hohen Schaden. Wir raten stets, eine Anzeige gegen den Verkäufer zu erstatten, aber dann heißt es meist, der würde gar nicht mehr in dem Laden arbeiten.“ Das sei speziell in einem Laden in der Bergedorfer Fußgängerzone oft zu hören.

Oft muss gezahlt werden, bis nach zwei Jahren der gekündigte Vertrag ausläuft

Das Problem ist natürlich ein rechtliches, denn wer im Laden unterschreibt, hat kein 14-tägiges Widerspruchsrecht, was viele gar nicht wissen: „Das gilt nur für Onlinegeschäfte, am Telefon oder an der Haustür“, sagt Kalsner: „Das kann man nicht einfach so rückgängig machen, sondern muss alles bestreiten und stornieren. Aber auch wir haben damit nicht immer Erfolg. Oft muss eben gezahlt werden, bis nach zwei Jahren der gekündigte Vertrag ausläuft.“

Das zweite große Thema betrifft die Energie, denn tatsächlich haben einige Bergedorfer einen neuen Vertrag an der Haustür unterschrieben, der „etwas Billigeres“ verspricht. Aber sie wurden übertölpelt.

Die Nummer des Stromzählers sollte geheim bleiben

Zwar können tatsächlich die monatlichen Abschläge günstiger sein, „aber der Grund- und der Verbrauchspreis für Strom ist dann meistens höher“, erfuhr die Beraterin und kennt Fälle, bei denen vor Ort auf einem Tablet unterschrieben wurde: „Dann wird der Vertrag aber erst nach drei Wochen zugeschickt, wenn die 14-tägige Widerspruchsfrist abgelaufen ist.“

Manchmal heiße es auch bloß, man solle unterschreiben, um ein Angebot zugeschickt zu bekommen. Auch das sind meistens Kaufverträge. Ebenso seien manche Kunden an der Haustür nach ihrer Stromzähler-Nummer gefragt worden. Das ist gefährlich: „Mit einer gefälschten Unterschrift kann man den Kunden dann einfach ummelden, auf einen anderen Anbieter.“

Plötzlich flattern Zeitschriften ins Haus

Insbesondere für Menschen, die noch nicht lange in Deutschland leben, sich hier über Kälte und Preise wundern, ist das Abrechnungssystem der Energiewirtschaft schwer verständlich, so Kalsner: „Viele Migranten verstehen das mit dem Abschlag und Preis nicht. Sie zahlen monatlich 100 Euro und sind dann ganz entsetzt, wenn eine horrende Nachzahlung kommt.“

Menschen mit fremd klingenden Nachnamen sind auch beim dritthäufigsten Thema betroffen, den Zeitungsabos: „Plötzlich bekommt man Frauen- oder Autozeitschriften geschickt, irgendwann folgt eine Rechnung. Wenn die Leute dann einen Vertrag abstreiten, kommt leider selten eine Reaktion. Erst dann, wenn wir dann als Verbraucherzentrale anschreiben“, sagt Alexandra Kalsner. Zu 95 Prozent seien solche Verträge ungültig, „weil da ja nichts unterschrieben wurde. Manchmal ging es wohl einfach um Datenklau“.

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Jedenfalls seien viele Bergedorfer dankbar für die Beratungen, die auf solche Tricks und Rechte aufmerksam machen, sagt die Beraterin, die Ethnologie und Soziale Arbeit studiert hat. Für Bergedorfer Gruppen, etwa bei Deutschkursen, Arbeitslosenprojekten oder bei den Stadtteilmüttern, werden die Berater der Hamburger Verbraucherzentrale auch gern präventiv tätig und klären auf.

„Aber alle Leute können sich gern bei uns melden, wenn sie Ärger haben. Dann bekommen wir oft ein besseres Gesamtbild und können den Erfolg von Klagen einschätzen“, sagt Alexandra Kalsner. Denn bisweilen werden die Bergedorfer an die Rechtsanwälte an der Kirchenallee in St. Georg verwiesen.