Hamburg. Im Bergedorfer Billebad erprobt Bäderland eine Künstliche Intelligenz, die Menschen in Not erkennen kann. So funktioniert das Programm.

25 Sekunden schwebt der Testschwimmer regungslos unter der Wasseroberfläche, da piepst es durchdringend am Handgelenk von Michael Dietel. Der Pressesprecher der Bäderland GmbH trägt eine Smartwatch, die mit dem neuen Sicherheitssystem im Bergedorfer Billebad verbunden ist. Drei Kameras überwachen das Erlebnisbecken. Ein Algorithmus analysiert die Bewegungen der Menschen im Wasser. Erkennt die Künstliche Intelligenz (KI) eine mögliche Notsituation, alarmiert der Computer die Rettungsschwimmer am Beckenrand.

Der Einsatz im Billebad ist ein Pilotprojekt der Bäderland GmbH. Ein dreiviertel Jahr dauerten die Vorbereitungen. Jetzt ist die Technik installiert und kann getestet werden. „Wir werden unsere Mitarbeiter im Umgang mit den Geräten schulen und letzte Datenschutzfragen klären“, so Michael Dietel bei der Präsentation des neuen Sicherheitskonzepts am Freitag, 18. Oktober. Nach den Herbstferien soll das neue System dann zum Einsatz kommen. Dabei sollen die Kameras und die KI dahinter kein menschliches Fachpersonal ersetzen. „Es gibt aber immer wieder Situationen, in denen unsere Mitarbeiter kurz abgelenkt sind, weil sie Fragen von Kunden beantworten.“

Künstliche Intelligenz soll Rettungsschwimmer im Billebad unterstützen

An der Decke hängen einfache, handelsübliche Kameras, geschützt gegen Chlor, feuchte Luft und Wärme. „Wir haben die Auflösung sogar etwas heruntergeschraubt, um mehr Serverleistung für unseren Algorithmus übrigzuhaben“, erklärt Florian Grojer von der Firma Lynxight, die das System entworfen hat. Die Computerintelligenz erfasst die Bewegungen aller Menschen, die sich im Schwimmbecken tummeln. Die KI versucht, Abweichungen im Bewegungsverhalten zu erkennen und schlägt dann Alarm. Um das Programm zu trainieren, griffen die Programmierer auf reale Fälle – überwiegend aus den USA – zurück.

KI im Billebad
Insgesamt wurden sieben Kameras im Bergedorfer Billebad angebracht. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Wer regungslos auf dem Beckenboden treibt, zieht die Aufmerksamkeit des Computers mit großer Wahrscheinlichkeit auf sich. Dabei soll das Programm aber feine Unterschiede erkennen. „Echte Bewusstlosigkeit sieht meist doch anders aus als gespielte“, sagt Bäderland-Sprecher Dietel. Laut Florian Grojer ist die KI auch besonders trainiert, das typische „stille Ertrinken“ zu bemerken. „Dabei geht der Kopf kurz über Wasser und taucht dann wieder unter. Die Leute zappeln und schreien nicht, weil alle Energie in das Atmen gesteckt wird“, so der Lynxight-Mitarbeiter.

Rettungsschwimmer sehen Standort des Notfalls auf er Smartwatch

Michael Dietel berichtet aber, dass die meisten Notfälle in Schwimmbädern entweder durch Kinder entstehen, die noch nicht schwimmen können – oder durch Menschen, die Probleme mit dem Herz-Kreislaufsystem haben. „Ansonsten können Leute natürlich ausrutschen und sich den Kopf anschlagen oder nach einem unglücklichen Sprung desorientiert sein“, erklärt Dietel.

Geübte Schwimmer ohne gesundheitliche Probleme geraten in einem Schwimmbad normalerweise nicht in Not – im Gegensatz zu natürlichen Gewässern. „Wir haben ja sozusagen eine Laborsituation, das Wasser ist absolut klar, der Boden ist immer zu sehen.“

Im Notfall wird auf der Smartwatch der Mitarbeiter Alarm ausgelöst

Wenn der Computer einen vermeintlichen Notfall entdeckt, wird auf der Smartwatch der Mitarbeiter ein Alarm ausgelöst. Neben einem Piepen sehen die Rettungsschwimmer eine farbcodierte Einschätzung, wie ernst die Lage ist. Ein leuchtender Punkt in einer Karte des jeweiligen Beckens markiert den möglichen Einsatzort.

Die Uhr zeigt außerdem Kamerabilder des möglichen Notfalls an, damit das Schwimmbadpersonal die Situation weiter einschätzen kann. Lynxight arbeitet stets am Feintuning des Algorithmus. Fehlalarme sind allerdings eingepreist – die erfahrenen Rettungskräfte können die Lage schließlich einschätzen und ignorieren, wenn keine Gefahr besteht.

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Bisher waren in den Anlagen der Bäderland GmbH keine Kameras in Beckennähe installiert. Michael Dietel betont aber, dass der Datenschutz ernst genommen werde. Die Aufnahmen sollen nur sehr kurzfristig –etwa zehn bis 15 Minuten – gespeichert und dann wieder gelöscht werden. Florian Grojer sagt außerdem, dass die Bilder nur auf dem lokalen Server landen und niemals über eine Cloud ins Internet hochgeladen werden.

Bäderland hat für das neue System eine fünfstellige Summe investiert. Der Standort in Bergedorf wurde von dem Unternehmen ausgewählt, weil es „ein sehr abwechslungsreiches Bad“ ist, wie Michael Dietel erklärt. Das Entspannungsbad, das Babybecken, das Freibad und das große Schwimmerbecken sind mehrere verschiedene Umgebungen, in denen sich die Kameras und die dazugehörige KI bewähren können. Derzeit hängen am 25-Meter-Becken in Bergedorf vier Geräte, am kleineren Becken in der Nachbarhalle drei.