Hamburg. Nicole Storz übernahm das Geschäft 2010 von Joachim Gravert. Nun verkündet sie das Aus. Wo und wie die Friseurin weitermachen möchte.

In Bergedorf dürfte jeder diesen Friseur kennen: Bei Gravert an der Alten Holstenstraße haben sich schon Generationen die Haare schneiden lassen. Damit ist es nun bald vorbei. Am 16. November schließt der Friseur und mit ihm verschwindet ein großes Stück vom alten Lohbrügge. 

 „Ein Schock“ sei das für sie gewesen, als sie von der Schließung gehört habe, sagt Elke Kluth. Seit knapp fünf Jahrzehnten hält die Fahrendorferin zusammen mit ihrem Mann dem alteingesessenen Lohbrügger Salon die Treue. Kluth war schon Kundin, als der Salon noch von Friseurmeister Joachim Gravert geführt wurde, der ihn 1975 von Margot Drage übernommen hatte. 2010 gab Gravert den Salon nach 35 Jahren an seine damalige Angestellte Nicole Storz weiter. 14 Jahre später folgt nun das Aus.

Friseur Gravert: Weil Personal fehlt, muss der Salon schließen

„Das ist so traurig. Gravert war immer meine vertrauensvolle Anlaufstelle in Haardingen. Ich weiß nun gar nicht, wo ich zukünftig hingehen soll“, sagt Kluth. Wie der 62-Jährigen geht es vielen Stammkunden des Salons. „Ich bedauere das sehr und bedanke mich bei allen für ihre langjährige Treue, aber die Umstände lassen mir leider keine andere Wahl“, sagt Nicole Storz, Inhaberin des Salons Haar-Team Gravert.  Die Lohbrüggerin hat sich die Entscheidung alles andere als leicht gemacht. Sie wisse um die Bedeutung des Salons in Lohbrügge.

Der Hauptgrund für die Schließung ist das fehlende Personal. „Ich finde schon länger keine Mitarbeiter mehr. Unser Team ist immer weiter zusammengeschrumpft“, sagt die Inhaberin. Ein Problem, das die gesamte Branche betrifft. Weil zum Ende des Jahres der Mietvertrag ausläuft, hat sich die 45-Jährige schweren Herzens entschlossen, den Vertrag nicht zu verlängern.

Personalmangel plagt die Branche: Keine Azubis seit 2010

„Anderen die Haare machen, ist für viele einfach nicht mehr attraktiv“, sagt Storz. Verschärft hat sich das Problem seit der Pandemie: „In der Zeit haben sich viele Kolleginnen beruflich umorientiert und sind unter anderem in den Erzieherberuf abgewandert.“ Ganz zu schweigen vom mangelnden Nachwuchs: „Azubis hatten wir zuletzt 2010 und selbst davon haben nicht alle durchgehalten.“

Das war im Sommer 1995 noch völlig anders, als Storz mit 16 Jahren und zwei weiteren Azubis ihre Ausbildung im Salon Gravert begonnen hat. Zwölf Friseurinnen und ein Friseur – das war der Chef Joachim Gravert selbst – wuschen, schnitten und legten die Haare der weiblichen und männlichen Kundschaft. 

Friseur hat genug Kunden, doch die meisten Stühle bleiben unbesetzt

„Heute sind wir nur noch zu viert“, sagt Storz. Im vorderen Teil des Salons, dort wo die Männer Platz nehmen, schneidet die Chefin die männlichen Kunden allein und verzichtet oft auf Pausen. Im hinteren Teil frisieren ihre Angestellten die Frauen. Viele der 15 Friseurstühle in dem rund 120 Quadratmeter großen Salon bleiben aber meist unbesetzt. Nicht, weil es an Kundschaft mangelt, sondern weil schlicht niemand da ist, der die Kunden bedienen könnte. 

An diesem Vormittag hat Marcel Mittas auf dem Friseurstuhl von Nicole Storz Platz genommen. Und das nicht zum ersten Mal. „Mein Vater hat mich schon als Kind mit in den Salon genommen“, erzählt der 31-Jährige aus Dassendorf. Zwischendurch sei er dem Lohbrügger Salon mal untreu geworden, gesteht er, und landete am Ende wieder bei Gravert. „Hier schneiden sie einfach am besten“, sagt Mittas.

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Auch in Zukunft muss er auf das in knapp drei Jahrzehnten erworbene Können von Nicole Storz aber nicht verzichten. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kolleginnen bleibt sie ihrer Zunft treu. „Ich mag meinen Beruf nach wie vor. Ich habe schon als Kind meinen Puppen immer die Haare gemacht. Ich schätze den Austausch mit den Kunden und liebe es, mit meiner Arbeit dafür zu sorgen, dass sich die Menschen ein Stück wohler in ihrer Haut fühlen.“

Nicole Storz mietet sich künftig einen Friseurstuhl

Die Friseurin wird zukünftig im Salon „Kopf bis Fuß“ an der Lohbrügger Landstraße 9 Männern die Haare schneiden. Hier bleibt sie ihr eigener Chef und mietet sich lediglich einen Friseurstuhl. Ein Modell, das in der Friseurbranche immer mehr verbreitet ist. Woran sich ihre Kunden zukünftig aber gewöhnen müssen: einen Termin zu vereinbaren. Das war bislang – bis auf die Zeit in der Pandemie – nicht nötig, durften die Männer immer spontan zum Schneiden kommen.

Diese Spontanität hat Marcel Mittas immer geschätzt. Ob er zukünftig vorher kurz anruft, kann er nicht versprechen. Eines weiß er hingegen schon: „Vor der Schließung komme ich auf jeden Fall noch einmal zum Schneiden zu Gravert.“ Was zukünftig in den Gewerberäumen an der Alten Holstenstraße zu finden ist, steht noch nicht fest. „Wir sind dabei einen Nachmieter zu finden und bemühen uns sehr, dass hier wieder ein Friseur einzieht“, sagt Susanne Kusch von Hörstel-Immobilien. Dafür steht der Verwalter in Kontakt mit anderen Bergedorfer Friseuren. „Gravert war eine Anlaufstelle für sehr viele Bergedorfer. Ich kenne eigentlich niemanden, der hier noch nie drin war“, sagt Kusch.