Hamburg. 53 Lehrer arbeiten freiberuflich in der CMS Musikschule. Nach einem Gerichtsurteil könnten sie als scheinselbstständig gelten.
Holger Schmidt leitet seit 2007 die CMS Musikschule mit Standorten in Bergedorf, Fünfhausen, Lauenburg und Wohltorf. Die Coronakrise haben die Schulen überstanden, doch jetzt blickt Schmidt voller Sorge nach Berlin. Dort berät derzeit eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Arbeitsministeriums und mehreren Verbänden. Das Thema: Die Zukunft von freiberuflichen Lehrern, unter anderem an Musikschulen. Schmidt weiß: Von den Ergebnissen könnte die Zukunft seiner Einrichtung abhängen.
Denn an den vier Standorten der CMS Musikschule arbeiten 53 Lehrer, die alle selbstständig tätig sind. Fest angestellt sind bei CMS nur zwei Verwaltungskräfte. Seit dem sogenannten „Herrenberg-Urteil“ des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2022 schwebt der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit wie ein Damoklesschwert über den Musikschulen. Damals hatte eine langjährig freiberuflich beschäftigte Musiklehrerin in Baden-Württemberg ihre Festeinstellung eingeklagt, weil sie vergleichbare Tätigkeiten ausübte wie ihre festangestellten Kollegen. Seitdem nimmt die Deutsche Rentenversicherung immer mehr freiberufliche Arbeitsverhältnisse unter die Lupe.
CMS Musikschule: Leiter sieht Zukunft bedroht
„Ich stehe hinter diesem Urteil“, betont Schmidt. Er selbst habe während der Pandemie an einer Grundschule als Musiklehrer gearbeitet und wurde in den Ferien zunächst entlassen, um dann zum Unterrichtsbeginn wieder eingestellt zu werden. „Es darf keine Ungleichbehandlung geben“, sagt der Musikschulleiter. Doch bei CMS arbeiten ausschließlich freiberufliche Musiklehrer, daher gebe es also auch keine Ungerechtigkeit.
„Wir haben hier oft junge Leute, die nur zwei bis drei Jahre bei uns arbeiten“, erklärt Holger Schmidt. Die Musiklehrer beschäftigen sich außerdem mit ihrer eigenen künstlerischen Karriere, gehen auf Tour oder wechseln nach kurzer Zeit ihren Lebensmittelpunkt. Die Flexibilität der Freiberuflichkeit sei also von den Mitarbeitern ausdrücklich gewünscht. Holger Schmidt und sein festangestelltes Team kümmern sich um Verwaltung und Kundenakquise. Der Schulleiter heuert ausdrücklich lieber Lehrer an, die den Unterricht nur als vorübergehende Tätigkeit sehen und dafür noch für die Kunst brennen.
Derzeit finden keine Betriebsprüfungen bei Musikschulen statt
Für dieses Modell scheint nach Ansicht von Holger Schmidt kein Platz in den Vorstellungen der Behörden sein – auch wenn er Wert darauf legt, dass er den Wunsch nach Schutz für Arbeitskräfte absolut nachvollziehen kann. Jetzt hofft Schmidt, dass sich bei den Gesprächen im Bundesministerium für Arbeit in den kommenden Tagen eine flexiblere Sicht auf die Lage durchsetzt. Zurzeit gilt eine Schonfrist: Bis zum 15. Oktober finden aufgrund der laufenden Beratungen keine Betriebsprüfungen statt. Nach Ablauf dieser Frist könnten auch die Arbeitsverhältnisse der CMS-Mitarbeiter überprüft werden.
Falls die Verträge mit den derzeit selbstständigen Musiklehrern als Scheinselbstständigkeit gewertet werden, wird es eng für Holger Schmidt. „Um weitere mögliche Nachzahlungen zu vermeiden, müssten wir zunächst alle Verträge mit den Lehrern auflösen“, sagt der Schulleiter. Anschließend müsste er kalkulieren, wie viele der Lehrer er fest einstellen könnte – und wer davon überhaupt Interesse daran hätte, einen solchen Vertrag zu unterschreiben. Die Folgen für die Schüler und deren Eltern wären gravierend. „Die Kosten für den Unterricht würden wohl um 40 Prozent steigen“, schätzt Schmidt.
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Musikunterricht nur etwas für Kinder von Besserverdienern?
Musikunterricht an privaten Schulen könnte dann nur noch ein Privileg für die Kinder gutverdienender Eltern sein, befürchtet der Bergedorfer Schulleiter. An den vier Schulen von Holger Schmidt werden mehr als 1000 Schüler unterrichtet. Derzeit lernen laut Schmidt deutschlandweit 177.000 Schüler Instrumente an privaten Einrichtungen. Brechen diese weg, könnten die staatlichen Musikschulen den Ansturm der zusätzlichen Kinder und Jugendlichen kaum auffangen. Dabei betrifft das Herrenberg-Urteil auch die Schulen in öffentlicher Hand. In Schleswig-Holstein versprach Bildungsministerin Karin Prien den Einrichtungen deshalb zuletzt mehr Geld vom Land. Die Politik soll Anfang 2025 über ein entsprechendes Gesetz abstimmen.
Holger Schmidt appelliert an die Politik, ein zumindest aus seiner Sicht gut funktionierendes System nicht zu gefährden. „Wir brauchen keine neuen Gesetze, sondern eine klare Unterscheidung zwischen freien, flexiblen Arbeitsmodellen und klassischen Angestelltenverhältnissen.“ Wenn die Politik weiter auf starre Vorschriften beharre, gefährde dies eine der wichtigsten Säulen der musikalischen Ausbildung. Betroffen wären aber auch Volkshochschulen, Anbieter von Sprachkursen und andere Einrichtungen dieser Art.