Hamburg. Das Fachwerkhaus in Zollenspieker gehörte über Generationen Familie Johannsen. Nun ist ein Familienmitglied an der Rettung beteiligt.

Die Sanierung eines alten Hauses ist meist ein aufwendiges, kostspieliges Unterfangen. Handelt es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude, wird es richtig knifflig. Die Eigentümer des denkmalgeschützten Fachwerkhauses am Zollenspieker Hauptdeich 138 hat das nicht abgeschreckt: Sie lassen die wohl vor 236 Jahren errichtete Kate aufwendig kernsanieren. Rund 800.000 Euro sind dafür veranschlagt.

Zu den Handwerkern, die sich um die Instandsetzung des kleinen Wohnhauses kümmern, zählt Tischlermeisterin Birte Lena Meier aus Kirchwerder. Die 28-Jährige hat auch eine persönliche Verbindung zu dem Haus: Es gehörte einst ihrer Familie.

Denkmalgeschütztes Fachwerkhaus wird aufwendig saniert

„Mein verstorbener Großvater hat in den 1930er- und 40er-Jahren noch einen Teil seiner Kindheit und Jugend in dem Haus verbracht. Es war das Haus einer Tante. Seine Tochter, meine Mutter, hat dort nie gewohnt, aber ihre Großeltern dort häufig besucht“, sagt die 28-Jährige.

Sie kann rekonstruieren, dass der Urgroßvater ihres Opas der erste in ihrer Familie war, dem das Haus gehörte. Wie viele vorherige Eigentümer es gab und wer sie waren, ist unklar. „Untersuchungen an den alten Holzbalken haben ergeben, dass das Haus 1788 gebaut worden ist“, sagt die Tischlermeisterin. Die erhaltene Bauakte beginnt 1899.

Aktuelle Eigentümer erwarben die Kate vor zwei Jahren

„Der Bruder meines Opas hat das Haus geerbt und vor rund 30 Jahren verkauft. Seitdem ist es nicht mehr im Besitz der Familie Johannsen“, sagt Birte Meier, deren Familie vor Jahrzehnten mehrere Wohnhäuser im Landgebiet besaß. Vor zwei Jahren erwarben die aktuellen Eigentümer die Kate. „Sie sind für die umfangreiche Sanierung verantwortlich. Davor ist lange Zeit nichts passiert“, sagt die Vierländerin.

Denkmalschutz
Die Rückseite des eingerüsteten, denkmalgeschützten Hauses.  © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Die jetzigen Eigentümer, die ungenannt bleiben möchten, haben die Geschichte des Hauses recherchiert, stießen dabei schnell auf die Familie Johannsen – und nahmen Kontakt mit ihr auf. „Es war dann ein witziger Zufall, dass sie für die Instandsetzung auch Tischler benötigen“, sagt Birte Meier. Für sie sei es ein Auftrag, in den sie „viel Herzblut“ investiere.

Haus war abgesackt und musste aufwendig hochgestemmt werden

Die Tischlermeisterin und ihre Mitarbeiter sind seit Beginn dieses Jahres involviert, sporadisch, immer wieder für einige Tage. „Wir werden auch mit die Letzten sein, die in dem Haus arbeiten“, sagt sie. Start der Arbeiten war vor rund einem Jahr. Im kommenden Jahr soll die Sanierung abgeschlossen werden. Die Eigentümer hoffen, im Sommer 2025 in ihr saniertes Schmuckstück einziehen zu können.

Denkmalschutz
Auch der alte Kohleschuppen neben dem Wohnhaus wird saniert. Darin befinden sich eine Heizungsanlage und Sanitärräume.  © Thomas Heyen | Thomas Heyen

„Im Marschboden war die Sohle weggegammelt. Deshalb war das Haus in einer Ecke abgesackt“, sagt Birte Meier. Um dem Haus wieder einen festen Stand zu verpassen und rundherum – nach und nach – ein neues Betonfundament unter den Außenwänden zu setzen, musste das Haus von den Zimmerleuten mit Stemmkraft angehoben werden. Um das Gewicht zu reduzieren, wurde zuvor das gesamte Ziegeldach abgedeckt.

„Auch das Gefache, die Ziegelsteine zwischen dem Fachwerk, wurde deshalb teilweise weggenommen.“ Die Maurer mussten jeden einzelnen Stein vorsichtig aus dem Haus klopfen, berichtet die Handwerkerin. „Für die alten Steine gibt es keinen Ersatz, deshalb mussten sie extrem sorgfältig arbeiten.“

Alten Dielenboden in einer Trockenkammer von Holzwürmern befreit

Inzwischen ist das Haus begradigt, doch noch sind nicht alle Gefache wieder eingesetzt. Auch die Ziegel sind noch nicht wieder auf den Dachstuhl gesetzt worden, weil das Dach neu gedämmt wird. Verrottetes Fachwerk muss durch die gleiche Holzart ersetzt werden. Sämtliche Türen und Fenster wurden ausgebaut, alles wird abgeschliffen, gestrichen und neu eingepasst, zum Teil ersetzt.

Denkmalschutz
Birte Lena Meier im Inneren der Kate.   © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Birte Meiers Firma kümmert sich um Sanierung und Neubau von Einbauschränken, Wandvertäfelungen, Deckenverkleidung, Stühlen und Tischen. „In dem Haus gibt es auch zwei Fenster in den Innenwänden, etwa eines zwischen Diele und Esszimmer.“

Den von Holzwürmern befallenen Dielenboden mussten die Tischler vorsichtig herausnehmen. „Er wurde in der Trockenkammer eines Berufskollegen bei Temperaturen von 70 bis 80 Grad Celsius über Tage von den Holzwürmern befreit.“ Das Denkmalschutzamt wolle möglichst viel von dem Holz retten, weiß die Tischlermeisterin. „Es soll wieder für den Boden verwendet werden oder für Möbel für das Haus.“ Im gesamten Erdgeschoss gibt es derzeit statt eines Dielenbodens eine Sandwüste. „Der Dielenboden im Dachgeschoss wird auch noch ausgetauscht.“

Stiftung Denkmalschutz unterstützt die Sanierung mit 50.000 Euro

Die Sanierung des Hauses wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz mit 50.000 Euro gefördert. Das Geld, das die Stiftung vergibt, stammt von privaten Spendern und aus der Lotterie Glücksspirale. Das Haus gehört zu mehr als 60 Denkmalen, die die DSD allein in Hamburg fördern konnte. 

Denkmalschutz
Blick nach unten: Weil die Sohle vergammelt war, musste unter den Außenwänden rundherum ein neues Betonfundament unter die Ziegelsteine gesetzt werden. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Im Innern des Hauses sind Einbauschränke und weitere Details aus der Zeit um 1900 erhalten. Die Kate überstand 1920 als eins der wenigen Gebäude einen Großbrand am Zollenspieker, nur der Dachstuhl brannte ab. Das erneuerte Dachgeschoss wurde mit zeittypischem Zierverband in den Ausfachungen geschmückt.

Bereits 1902 war das Dach erneuert worden, weiß Birte Meier: „Das Reet kam ab und wurde durch Ziegel ersetzt. Das dürfte dem Haus bei dem Brand 18 Jahre später das Leben gerettet haben. Viele Reetdachhäuser drumherum sind komplett abgebrannt.“

Historische Kiekfenster und handbemalte Delfter Kacheln

Bei dem 13 mal sechs Meter großen Gebäude handelt es sich um ein traufständiges Fachwerkhaus, das den Typus des niederdeutschen Hallenhauses mit zentraler Diele oder Flett im Kleinen nachbildet. In dem einstöckigen Bau mit hohem Dachgeschoss und Satteldach finden sich historische Fenster – sogenannte Kiekfenster – und eine historische Eingangstür. 

Denkmalschutz
Blick auf die Sandwüste im Innern des 1788 erbauten Hauses. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Innen haben sich neben den Einbauschränken die hölzerne Treppe, säulengeschmückte Türen, handbemalte Delfter Kacheln und weitere Zierelemente erhalten, die von einem bescheidenen Wohlstand erzählen. Neben dem Haupthaus gehört auch ein direkt benachbarter einstiger Kohlenschuppen mit Pultdach und die umgebende Zaunanlage zum Denkmalensemble. 

Auch interessant

Birte Meier aus Kirchwerder hat gleich drei berufliche Qualifikationen

Birte Meier ist Inhaberin der Firma Tischlerei Vogel Modellbau an der Osterrade in Lohbrügge, beschäftigt fünf Mitarbeiter. Die Vierländerin hat gleich mehrere berufliche Qualifikationen vorzuweisen: Sie ist nicht nur Tischlermeisterin, sondern auch staatlich geprüfte Holzwirtin und studierte Betriebswirtin.