Hamburg. Drei Prozent der Einsatzkräfte sind weiblich. Was drei Retterinnen über ihre männlichen Kollegen und ihre Arbeit sagen.

In der Küche der Feuer- und Rettungswache Bergedorf am Sander Damm wird an diesem Morgen schon eifrig gewerkelt und geklappert. Der Koch, ein eigens (nicht nur) dafür abgestellter Kollege, schiebt um 9.30 Uhr schon mal den Kartoffelauflauf für später in den Ofen. „Hmm, lecker“, freuen sich die Damen, die vorbeischlendern. Ein Mann am Kochtopf, die Frauen in Dienstkleidung, jederzeit zum Ausrücken bereit: Hier bei der Berufsfeuerwehr Bergedorf ist das nicht irgendwie seltsam, sondern normal.

Nur ungefähr drei Prozent der Hamburger Berufsfeuerwehrleute sind Frauen; gemeint ist damit der Einsatzdienst. Die Verwaltung hinzugerechnet sind es elf Prozent von insgesamt 3613 Mitarbeitern. Eine Minderheit, so oder so, doch die Zahl der Frauen steigt stetig. Und hier an der Feuer- und Rettungswache Bergedorf sagen die Damen cool: „Wir sind absolut gleichberechtigt.“

In Hamburg hat nur die Feuerwehr Bergedorf eine Wachabteilungsleiterin

Die Autorität von Claudia Healey beispielsweise würde wohl kaum einer anzweifeln. Die 55-jährige, taffe Brandamtsfrau ist Wachabteilungsleiterin – die einzige Frau in ganz Hamburg auf einer solchen Position. Sie ist damit als Einsatzleiterin für die Löschgruppe ihrer Schicht zuständig. So eine Gruppe, die bei Alarm ausrückt, besteht aus mehreren Fahrzeugen wie Drehleiter, Löschfahrzeug, Einsatzleitwagen. Zehn Mann fahren mit. Claudia Healeys Aufgabe ist es, die Lage am Einsatzort zu erkunden und eine erste Einschätzung zu treffen. „Also beispielsweise festzustellen, ob es Verletzte gibt, wo das Feuer brennt, wo die Zugänge sind“, stellt sie fest.

Wie die Fahrzeuge aufgestellt werden und wie es dann weitergeht, das untersteht ihrem Kommando. „Aber natürlich berät man sich auch mal mit Kollegen, wenn die zum Beispiel bestimmte Spezialkenntnisse haben“, sagt die 55-Jährige. Knapp 27 Jahre ist die Schleswig-Holsteinerin schon bei der Feuerwehr, in verschiedenen Positionen „und der Job macht immer noch Spaß“. Dabei ist sie einst eher zufällig zur Feuerwehr gekommen: „Der Mann meiner Cousine ist auch bei der Feuerwehr und sagte: Komm doch zu uns, du bist doch auch sportlich!“ Claudia Healey, die nach einer Ausbildung im Fernmeldehandwerk Nachrichtentechnik studiert hatte, folgte dem Ruf. Und hat es nie bereut.

Als ihre Grundschule brannte, wusste Nicole Lühr: Ich werde Feuerwehrfrau

Auch Nicole Lühr hat sich eher spontan für die Feuerwehr entschieden. Die 35-jährige Brandmeisterin wusste zwar eigentlich immer, dass sie zur Feuerwehr wollte. Doch sie durfte zunächst nicht. „Als ich ein Kind war, brannte einmal das Dach unserer Grundschule“, erinnert sie sich. Voller Bewunderung beobachtete das kleine Mädchen damals die anrückenden „Helden in Uniform“. „Da habe ich wohl zu Mama und Papa gesagt: ,Später fahre ich auch mal so ein Auto‘“, erzählt sie. Doch mit ihren 1,55 Metern brachte sie damals nicht die empfohlene Mindestgröße von 1,65 Metern für die Feuerwehr mit und wurde stattdessen Sporttherapeutin.

Jahre später hörte sie zufällig von Freunden der Freiwilligen Feuerwehr, dass diese Mindestgröße abgeschafft worden war. „Ich habe dann eine Nacht darüber geschlafen und am nächsten Tag meine Bewerbung abgeschickt“, sagt sie. 2021 trat Nicole Lühr ihre Ausbildung an.

Im Löschzug mal als Maschinistin, mal im Angriffstrupp dabei

Heute fährt die Brandmeisterin in Bergedorf entweder im Rettungswagen mit oder in der Löschgruppe. Dort kann sie verschiedene Funktionen ausfüllen. Morgens gebe es eine Funktionseinteilung, sodass jeder weiß, „wer welche Aufgabe hat“, erklärt sie. Es gibt den Maschinisten, der die Geräte verantwortet. Dann den Angriffstrupp, der als Erster mit schwerem Atemschutzgerät in ein Gebäude geht, wenn beispielsweise Menschenleben in Gefahr sind. Außerdem den Wassertrupp, der die Wasserversorgung erkundet und sicherstellt. Dazu den Fahrzeugführer. Die Verantwortlichen für die Drehleiter sind allerdings speziell ausgebildete Kollegen. Nicole Lühr ist „am allerliebsten im Angriffstrupp“, wie sie sagt. Denn auch wenn das natürlich gefährlich sei und schwere Arbeit, so sei es doch auch sehr spannend.

Wie aber reagieren die Menschen am Einsatzort, wenn plötzlich unter dem Helm der Berufsfeuerwehr kein Männer-, sondern ein Frauengesicht zu sehen ist? Oft überrascht: „Man kann schon mal der Joker sein“, sagt Nicole Lühr. „Manche Menschen werden eher ruhiger, wenn sie normalerweise hochgefahren wären.“ Doch Kollegin Alyssa Funk meint, dass es auch anders laufen kann. „Es stimmt, eine Frau kann beschwichtigend wirken.“ Aber sei doch ein schmaler Grat, Frauen würden manchmal unterschätzt. Auf jeden Fall sei Kommunikation wichtig, um Ruhe an die Einsatzstelle zu bekommen.

Als Notfallsanitäterin die Chefin in „ihrem“ Rettungswagen

Die 26-Jährige ist Beschäftigte im Rettungsdienst. In Bergedorf ist sie als Notfallsanitäterin sozusagen die Chefin in „ihrem“ Rettungswagen, in dem immer noch ein weiterer Kollege und gelegentlich auch noch ein Azubi mitfährt. Sie trifft die Ersteinschätzung am Einsatzort. Das umfasst etwa die medizinische Erstversorgung und das Herstellen der Transportfähigkeit des Patienten, sowie die medizinische Überwachung während des Transportes ins Krankenhaus. Manch ein Einsatz erfordert starke Nerven und Selbstbewusstsein. Doch die junge Frau, die auch Praxisanleiterin für Azubis ist, sagt: „Man wächst da so rein.“

Alle Kollegen müssen mit sehr belastenden Situationen klarkommen: dramatische Einsatzlagen mit Todesopfern beispielsweise oder auch renitente „Kunden“, die die Einsatzkräfte angreifen wollen. Angriffe von Betrunkenen, Drogensüchtigen oder psychisch Kranken seien zum Glück in Bergedorf eher selten, sagt Dienststellenleiter und Brandrat Jörg König. Das Verarbeiten von belastenden Ereignissen hingegen handhabt jeder anders. „Man kann hier aber immer mit den Kollegen darüber reden“, meint Alyssa Funk, die auch im Freundeskreis auf viel Verständnis trifft. Claudia Healey weiß: „Jeder hat seine Strategien, mit so etwas umzugehen.“ Das geht den Feuerwehrmännern auch nicht anders als den Feuerwehrfrauen.

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Zehn Frauen gibt es insgesamt an der Rettungswache Bergedorf. Der Großteil der insgesamt 106 Mitarbeiter sind also noch immer Männer. Doch wer durch die Wache läuft und sieht, wie Claudia Healey, Alyssa Funk, Nicole Lühr rechts und links die männlichen Kollegen grüßen, kurz mit ihnen fachsimpeln oder Witzchen reißen, der spürt, dass sie hier mit den Männern auf Augenhöhe arbeiten.

„Früher, ganz am Anfang, war das vielleicht noch anders“, sagt Dienststellenleiter Jörg König. „Die Feuerwehr-Dinos konnten sich an die Frauen nicht gewöhnen.“ Das aber habe sich längst „komplett geändert“. Frauen sind in Bergedorfs Berufsfeuerwehr längst keine Exotinnen mehr.