Hamburg. Forschungsprojekt soll zeigen, ob die Tiere in einigen Jahren zurückkehren. Rätsel um Verbleib des Fangkorbs in Fischtreppe am Serrahn.
Ganz große Bühne für Bergedorfs Meerforellen. Vier Monate, nachdem 120.000 frisch geschlüpfte Jungfische in der Oberen Bille auf Höhe der Brauereiteiche ausgesetzt wurden, hat die Umweltbehörde die Aktion jetzt zum fünfjährigen Forschungsprojekt gemacht. Jeweils zum Frühjahr werden nun bis einschließlich 2028 weitere 100.000 junge Meerforellen in das Gewässer oberhalb des Schlossteichs gebracht.
Das Ziel ist, die Durchlässigkeit der Bille entgegen ihrer Fließrichtung zu prüfen. Gemäß Europäischer Wasserrahmenrichtlinie sollen mittelfristig nämlich alle Flüsse für aufsteigende Fische ausgelegt werden. Konkret geht es dabei um Fischtreppen wie die am Bergedorfer Hafen, die hier schon seit 2013 das Serrahnwehr unter der Alten Holstenstraße in Richtung Schlossteich überbrückt. Und genau dort sollen ab Herbst 2025 nun die Meerforellen gezählt werden – sofern bis dahin der einst extra angefertigte Fangkorb wiedergefunden wird.
Forschungsprojekt Hamburg: Jedes Jahr 100.000 Meerforellen für Bergedorfs Bille
„Wir werden ab 2025 jeweils im Oktober zur Hauptwanderzeit der Meerforellen für etwa drei Wochen zählen“, kündigt Jens Kiesel vom Bergedorfer Anglerverein an, der von der Umweltbehörde mit diesem Teil des 25.000-Euro teuren Projekts beauftragt ist. „Dafür kommt der rund 70 Zentimeter breite und gut einen Meter lange Drahtkorb in das dafür vorgesehene Segment der Fischtreppe. Wir heben ihn alle zwei Tage, messen und wiegen die hoffentlich zahlreichen Meerforellen und setzen sie sofort im Schlossteich oberhalb der Fischtreppe wieder aus. Schließlich sollen sie unbeschadet und möglichst ungestresst auch die letzten Meter bis zu ihren Laichplätzen zurücklegen.“
Um auf Nummer sicher zu gehen, plant Jens Kiesel auch noch ein Elektrofischen, bei dem die Tiere in der Oberen Bille kurzfristig betäubt und an der Oberfläche untersucht werden können. Wo der Fangkorb seit der letzten allgemeinen Fischzählung vor fünf Jahren abgeblieben ist, wissen weder die Umweltbehörde, noch der Anglerverein: Weil er nicht in der Fischtreppe verbleiben kann, war er 2019 eingelagert worden. Auf Nachfrage unserer Zeitung beim Bezirksamt konnte das Rätsel am Freitag geklärt werden: „Der Fangkorb befindet sich in der Obhut unseres Fachamtes Management des öffentlichen Raums“, ermittelte Bezirkssprecher Lennart Hellmessen.
Von den 120.000 Jungtieren kehren wohl nur 90 zum Laichen zurück
Wie viele der ausgesetzten Meerforellen von ihrer jetzt beginnenden Reise Richtung Nordsee in den kommenden Jahren zurückerwartet werden, mag die Umweltbehörde nicht beziffern: „Dazu kann keine seriöse Aussage getroffen werden“, heißt es auf Nachfrage unserer Zeitung. Aber die Experten verweisen auf die einschlägige Fachliteratur, nach der sich ohnehin nur ein halbes Prozent der ausgesetzten Tiere auf die Wanderschaft macht, beziehungsweise die gefährliche Reise ins Meer überlebt. Das wären immerhin 600 Meerforellen. Und von denen überleben bis zur Rückkehr zu ihren Laichplätzen auch nur 15 Prozent, das wären dann also gerade noch 90 Fische.
Wann genau die ersten zurück in der Oberen Bille erwartet werden, lässt die Umweltbehörde auch offen, weshalb die Zählung schon ab 2025 regelmäßig jedes Jahr erfolgen soll. Unklar ist unter anderem, wie schwierig es für die unerfahrenen Jungtiere ist, bei ihrer ersten Reise in die Nordsee den Hamburger Hafen zu durchqueren. „Schiffsgeräusche und Perioden von Sauerstoffmangel im Elbwasser stellen erhebliche Beeinträchtigungen dar“, heißt es von den Experten. Zudem sei die Tatenberger Schleuse in beide Wanderrichtungen ein erhebliches Hindernis, weil sie bisher noch über keine Fischtreppe verfüge.
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Bergedorfer Zeitung und Anglerverein hatten das Projekt angestoßen
Ursprung des Meerforellenprojekts in der Bille ist übrigens der 150. Geburtstag der Bergedorfer Zeitung in diesem Jahr: In Kooperation mit dem Bergedorfer Anglerverein sollten einige Tausend Tiere ausgesetzt werden. Als die Umweltbehörde dazu stieß, wurden daraus zur Premiere gleich 120.000 Jungfische. Sie stammen von der Fischzucht Nordbach aus Garstedt bei Winsen/Luhe.
Ob tatsächlich einst Meerforellen in der Oberen Bille bei Bergedorf ansässig waren, ist laut Umweltbehörde unklar. Immerhin: In der Literatur werde für die artverwandte Bachforelle auf „eine Population für das 19. Jahrhundert in der Bille bei Grande“ verwiesen. Auch jetzt gebe es keine Garantie, sie hier heimisch zu machen. Sehr wahrscheinlich sei aber, dass zumindest der winzige Prozentsatz unter den ausgesetzten Fische hierher zurückkehre.
Meerforellen reisen mehrfach Richtung Nordsee und zurück
„Und hoffentlich auch ablaichen“, ergänzt Jens Kiesel, der zudem auf die Natur der Meerforellen verweist: „Im Gegensatz zu den Lachsen sterben sie nach der ersten Rückkehr nicht, sondern machen die Reise Richtung Nordsee und zurück mehrfach. Beim zweiten und dritten Mal sind sie dann deutlich erfahrener, was die Überlebenschance auf der Reise deutlich erhöht.“