Hamburg. Kinder reisen beim Historischen Spiel wieder in die Vergangenheit. Dieses Mal geht es zu den Likedeelern in Ostfriesland.

Die Wiese hinter dem Gemeindehaus an der Feldstegel liegt in dieser Woche nicht mehr in Neuengamme, sondern knapp 200 Kilometer weiter westlich in Ostfriesland. Genauer gesagt in Marienhafe. In dem kleinen Örtchen unweit der Nordsee soll der Legende auch einst einer der bekanntesten Seeräuber aller Zeiten Zuflucht gesucht haben: Klaus Störtebeker. Ende des 14. Jahrhunderts soll er sich dort vor der Hanse versteckt haben.

Historisches Spiel
Ziehen Kerzen: Nala (v.l.), Ronja, Emma und Ann-Kathrin. © Lena Diekmann | Lena Diekmann

Und ebenso geht es den Seeräubern, die hinter dem Vierländer Gemeindehaus gestrandet sind: Als Likedeeler, was so viel heißt wie Gleichteiler oder auch Vitalienbrüder und nicht etwa Piraten wie in „Fluch der Karibik“, wurde diese Gruppe von Seefahrern bezeichnet, die damals den Handelsverkehr in der Nord- und Ostsee beeinflussten, erklärt Marius Starcke, der in diesem Jahr zum Kreis der Teamer vom Historischen Spiel gehört.

Neuengamme wird für das „Historische Spiel“ zum Seeräuber-Nest

Die Freizeit in den Sommerferien besitzt in Neuengamme längst Kultstatus: Schon seit fast 30 Jahren können Kinder dabei eine Woche lang in die Vergangenheit reisen. Die Geschichte wird von den Teamerinnen und Teamern stets mit dem Wissen von Historikern und viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und vorbereitet. In die Steinzeit, zu den Römern oder eben ins Mittelalter führten die Zeitreisen bereits. Und dorthin führt in dieser Woche auch der Zeittunnel, der die Kinder jeden Morgen in eine andere Welt führt.

Max, Jasper und Ann-Kathrin werden dann zu Enno, Hauke und Okka. Denn auch die Vornamen passen ebenso wie die Gewandung zu Ort und Zeit. Die Geschichte spielt dieses Mal im Jahr 1398. Die 26 Mädchen und Jungen, die beim Historischen Spiel dabei sind, schlüpfen in die Rollen von Dorfbewohnern und Likedeelern, die dort mit ihren Anführern, Kapitän Hansi „Heringshenker“ Hansen und Richard „Rollmopsrüpel“ Reimers, an Land gegangen sind.

Eine Reeperbahn hinter dem Gemeindehaus von St. Johannis

Die Dorfgemeinschaft findet bald heraus, dass das nicht nur harmlose Seefahrer sind – und machen es sich zunutze. Denn um sich gegen andere Völkchen und ihre Häuptlinge zu behaupten, können sie die Fertigkeiten der Likedeeler auch gebrauchen. Denn sie bringen nicht nur eine geheime Spielhalle ins Dorf, sondern fertigen auch Schwerter, Donnerbüchsen sowie Reep.

Historisches Spiel
An der Reeperbahn: Max alias Enno aus Bergedorf. © Lena Diekmann | Lena Diekmann

Eine Reeperbahn, auf der Seile gefertigt werden und die so auch der Meile auf St. Pauli ihren Namen gegeben hat, ist ebenso in dem Dorf zu finden wie eine Schmiede, eine Lederei, eine Werkstatt zum Töpfern oder auch Kerzen ziehen. In einem feuerfesten Fass wird nicht nur Ton gebrannt, sondern auch Makrelen und Heringe geräuchert.

Viele Teamer waren einst schon selbst als Kind dabei

Neben dem völligen Eintauchen in eine andere Rolle mache auch das den Reiz des Historischen Spiels aus, ist Ann-Kathrin Strickert überzeugt. „Man kann handwerkliche Sachen ausprobieren, die man nicht alle Tage macht und verbringt dabei auch noch Zeit in der Gruppe“, sagt die 18-Jährige, die als Kind mehrfach bei der Freizeit mitgemacht hat und sich nun erstmals als Teamerin engagiert.

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Ganz ähnlich ist es Marius Starcke ergangen, der es schon als kleiner Junge geliebt hat, sich für das Spiel ins Mittelalter zu begeben. „Und nirgends ist das Eintauchen in diese Zeit so vollkommen wie hier“, sagt der 23-Jährige aus Neuengamme, der zum zweiten Mal als Teamer dabei ist. Insgesamt sei es dieses Mal ein sehr junges Team, weil es vielen der erfahrenen Teamer aus Studien- oder privaten Gründen nicht möglich war, teilzunehmen, erklärt Marius Starcke.

Besonders junge Teamer-Runde meistert die Organisation ohne Diakon

Und auch auf die Unterstützung eines Diakons konnten sie nicht zurückgreifen, da die Stelle in Neuengamme nach dem Ausscheiden von Martin Tonne derzeit vakant ist. Für das Team sei es schon eine Herausforderung gewesen, alles zu organisieren, startete die Anmeldephase dieses Mal auch deutlich später als gewohnt. Doch die Nachfrage ist ungebrochen, die Freizeit ausgebucht. „Es macht einfach einen riesigen Spaß und damit werden wir auch nicht aufhören“, stellt Marius Starcke fest.