Hamburg. Off-Label-Medikament hat nicht mehr geholfen. Junge Bergedorferin erliegt nach neun Jahren Leidenszeit schwerer Krebserkrankung.

  • Amelie Greta Herrmann ist mit 21 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben
  • Die lebenslustige Bergedorferin hat neun Jahre verschiedenste Behandlungen probiert - letzten Endes hat keine Methode geholfen
  • Warum ihre Mutter von Amelie trotzdem als „Gewinnerin“ spricht.

Nein, das würde nicht zur positiven Grundeinstellung dieser jungen Frau passen. „Wieso sollen die denn alle in Schwarz kommen?“ So oder so ähnlich hat Amelie Greta Herrmann ihrer Mutter gegenüber schon mal das Thema ihrer eigenen Beerdigung angetextet. Und was Amelie dabei so wichtig war: „Kommt so bunt wie möglich!“ Nun ist dieser traurige Anlass Realität geworden. Die 21-jährige Amelie ist am Freitag, 2. August, infolge ihrer langjährigen, schweren Krebserkrankung gestorben.

Letztlich hat die junge Frau den Kampf gegen Krebs und Tumore nicht überstanden. Nach neun Jahren Widerstand – denn einen Ausdruck nimmt ihre Mutter Andrea bewusst nicht in den Mund. Weil es einfach falsch ist: den Kampf verlieren. Andrea Janßen betont: „Sie ist eine Gewinnerin. Sie ist jetzt einfach frei. Ich bin so glücklich, dass ich 21 Jahre zusammen mit ihr hatte.“ Amelie, sagt die 50-Jährige vehement, sei der „positivste und stärkste Mensch auf der Welt.“

Tumor-Tod mit 21 – Amelie aus Bergedorf „ist jetzt endlich frei“

Knapp einen Monat zuvor haben wir einander das erste und einzige Mal persönlich getroffen. Es ist der 4. Juli, so ein durchwachsener Sommertag, nichts Halbes und nichts Ganzes, als das Sterben noch nicht so konkret erscheint. Amelie lacht viel bei unserem Gespräch. Anschließend trifft sie ihre beste Freundin in Bergedorfer City, unternimmt in der gleichen Woche noch mit ihren Eltern Ausflüge in den Wildpark Schwarze Berge und an die Ostsee.

In den vergangenen zwei Wochen hat sie dann stark abgebaut. Der insgesamt vierte Hirntumor, ein Glioblastrom Grad 4, ist tatsächlich seit Mai trotz Operation wieder gewachsen. „Sie hat nur noch im Bett gelegen, ganz leise und langsam gesprochen. Wir haben sie gehegt und gepflegt“, lässt Matthias Janßen diese Zeit Revue passieren. Die Kraft weicht langsam aus der jungen Frau, die den Großteil ihrer Jugend und ihres jungen Erwachsenenlebens gegen mehrere Krebstumore gekämpft, die trotzdem ihren Realschulabschluss ablegt und auch noch eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin begonnen hat.

Und die bis zuletzt auch Grund zur Hoffnung hat: Ihre Eltern liegen nach der dritten Tumor-OP lange mit der Krankenkasse Novitas BKK im Clinch wegen der Bezahlung des Off-Label-Medikaments Ivosidineb. So kommt auch der Kontakt zu unserer Redaktion zustande. Die Krankenkasse will lange Zeit nicht zahlen, sieht das Mittel trotz anderslautender Fachmeinungen als nicht effektiv in der Tumorbekämpfung an, lenkt dann aber Mitte Juni doch ein.

Tod vor Augen, aber: Sie träumte von eigener Wohnung und Ikea-Möbeln

Auf die Gabe dieser Tabletten verzichten die Janßens dann aber in Amelies letzten Tagen. Mutter Andrea berichtet von einer Unterhaltung kürzlich, die im Nachhinein schwer einzuordnen ist. Amelie stellte sich vor, wie es denn demnächst wäre, wenn sie in eine eigene Wohnung zöge, eingerichtet mit Möbeln eines weltberühmten schwedischen Anbieters. Andrea Janßen wertet es eher als eine Art Verdrängungsmechanismus. Einfach an etwas Schönes denken.

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Am Abend des 1. August bekommt Amelie relativ hohes Fieber. Die Nacht ist ungewöhnlich ruhig. Matthias und Andrea Janßen lassen sie nicht mehr allein, einer schläft immer mit im Bett. Das „Super Magic Power Girl“ kuschelt doch so gern und mag auch Massagen. Doch am folgenden Morgen lässt sich Amelie nur schwer wecken, wirkt abwesend. Die Pfleger von KinderPaCT, eine dauerhafte Hilfe für die Janßens, sind vormittags noch mal an der Heysestraße.

Was Amelie ihren Eltern aus dem Himmel versprochen hat

Um 14.25 Uhr sind Andrea und Matthias Janßen dabei, als ihr Kind im Bett zum letzten Mal atmet. „Zum Glück ist sie ohne Schmerzen eingeschlafen“, sagt der 52 Jahre alte Stiefvater. Tröstliches für sich und seine Frau im viel zu frühen Abschied. Dass Amelie so friedlich gegangen ist – eben auch „typisch Amelie“, sagt ihre Mutter. Weil sie es genau so versprochen hat. Schön ist, dass sie alle noch mal zu sehen bekamen, die sie liebten. Oma und Opa, ihre Cousinen, ihre besten Freunde Zoe und Till, um nur ein paar zu nennen.

Da war die Hoffnung auf eine Genesung bei allen noch vorhanden: Amelie Anfang Juli mit ihren Eltern Andrea und Matthias Janßen auf der heimischen Couch.  
Da war die Hoffnung auf eine Genesung bei allen noch vorhanden: Amelie Anfang Juli mit ihren Eltern Andrea und Matthias Janßen auf der heimischen Couch.   © BGDZ | Jan Schubert

Der emotional schwerste Moment für alle Freunde, Verwandte und insbesondere für die Eltern Andrea und Matthias steht noch bevor: die Beerdigung. Noch gibt es dafür keinen Termin, wirkt der Verlust der geliebten Tochter so unwirklich – doch wenn es so weit ist, soll es etwas werden, wie es zu der 21-jährigen Amelie Greta Herrmann nicht besser passen könnte: „Sie wollte, dass man sie bei der Trauerfeier feiert“, betont Andrea Janßen, „und sie hat gesagt, dass wir nicht weinen sollen.“ Stattdessen pflegte Amelie zu sagen: „Es wird wieder gut.“