Hamburg. Nach 20 Jahren hat es mit dem 20-jährigen Diskuswerfer wieder ein Leichtathlet der TSG Bergedorf zu den Olympischen Spielen geschafft.

Seinen letzten Tag im hohen Norden vor dem Abschlusstrainingslager für die Olympischen Spiele in Paris hatte Diskuswerfer Mika Sosna für seinen Heimatverein reserviert. „Er identifiziert sich extrem mit der TSG Bergedorf. Das ist alles andere als selbstverständlich“, lobte der Vorsitzende Boris Schmidt den 21-Jährigen bei der gemeinsamen Verabschiedung für Sosna und die Para-Triathletin Neele Ludwig, zu der ein Großteil der TSG-Leichtathletik-Abteilung erschienen war.

Die ersten Tage der Spiele von Paris verbringt Sosna nun noch im Trainingslager in Kienbaum bei Berlin. Die Leichtathleten sind erst in der zweiten Woche dran. Für sie geht es entsprechend später in die französische Hauptstadt. „Im Moment steht noch nicht einmal fest, ob wir per Bahn oder Flugzeug nach Paris reisen werden“, berichtet Sosna. „Die Kommunikation zwischen Deutschen Olympischen Sportbund und Deutschem Leichtathletik-Verband ist da nicht so optimal.“

Mika Sosna bei Olympia in Paris: Aus dem Papierbett in den Diskusring

Was ihn im Olympischen Dorf in Paris erwartet, das hingegen weiß der 21-Jährige ganz genau. „Wir schlafen dort in Betten aus Papier“, hat er bereits in Erfahrung gebracht. Das stimmt in der Tat: Eine Firma aus Japan hat die Spezialbetten aus Papier, beziehungsweise Pappe, ursprünglich für die Spiele in Tokio 2021 entwickelt. Jetzt kommen sie auch in Paris zum Einsatz, um den nachhaltigen Charakter dieser Spiele zu unterstreichen. Matratzen unterschiedlicher Härtegrade sollen sicherstellen, dass vom 40-Kilo-Turnfloh bis zum 1,98-Meter-Modellathleten Sosna mit etwa 125 Kilogramm Gewicht und Schuhgröße 51 alles passend ist.


Mika Sosna (TSG Bergedorf) belegte bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig 2024 den vierten Platz und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Paris.
Mika Sosna (TSG Bergedorf) belegte bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig 2024 den vierten Platz und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele in Paris. © Ralf Görlitz www.rgsportbilder.de | Ralf Görlitz

Zwei große Rollkoffer voll Ausrüstung haben die Olympioniken vom DOSB bekommen. „Wenn wir mit der Bahn fahren, werde ich das schon alles mitkriegen“, schätzt Sosna. „Wenn wir per Flugzeug anreisen, wird es schwierig.“ Der 21-jährige Diskuswerfer ist der erste Leichtathlet der TSG Bergedorf seit 20 Jahren, der es zu den Olympischen Spielen geschafft hat. Sein Vorgänger Ingo Schultz, Vize-Weltmeister 2001 und Europameister 2002 über 400 Meter, war bei den Spielen in Athen 2004 bis ins Halbfinale gekommen. „Saugt es auf, es ist eine einmalige Erfahrung“, legte er Sosna und Ludwig ans Herz. Schultz unterstrich auch die Bedeutung des Heimatvereins für solche Ausnahme-Athleten. „Ich habe mich damals bei der TSG sehr zugehörig gefühlt“, sagte er.

Stellvertretender Bezirksamtsleiter von Krenski: „Was für ein Modellathlet!“

Sein damaliger Trainer Jürgen Krempin ist der Begründer des TopTeams der TSG Bergedorf, das es sich zum Ziel gesetzt hat, in den kommenden Jahren bei allen Olympischen Sommerspielen Bergedorfer an den Start zu bringen. Krempin, Kandidat für den diesjährigen Bürgerpreis Bergedorf, hatte dann auch gleich noch einen guten Tipp für Sosna parat. „Man kann seine Koffer leicht verwechseln“, warnte Krempin. „Wir sind damals mit 150 Leuten zu den Spielen nach Athen geflogen, und alle hatten die gleichen Sachen in den gleichen Koffern dabei. Ich hatte meinen Koffer zum Glück mit meinen Initialen beklebt, so musste ich am Flughafen in Athen nicht suchen.“

TSG Bergedorf
Launige Talkrunde (v.l.): Ingo Schultz (Olympia-Teilnehmer 2004), Mika Sosna (Olympia-Teilnehmer 2024), Neele Ludwig (Paralympics-Teilnehmerin 2024) und Moderatorin Brigitta Niß-Krempin, die Leichtathletik-Abteilungsleiterin der TSG Bergedorf. © Volker Gast | Volker Gast

Die Politik vertrat der stellvertretende Bergedorfer Bezirksamtsleiter Ulf von Krenski, selbst lange Jahre ein begeisterter Triathlet, der mit dem Thema des Tages aber trotzdem ein wenig fremdelte. „In der Schule habe ich Leichtathletik immer gehasst“, verriet von Krenski mit einem Augenzwinkern. „Nur laufen konnte ich wie Forrest Gump.“ Die Herzen der Anwesenden eroberte der 59-Jährige bei seiner Ansprache dann aber sofort mit dem folgenden Geständnis: „Ich musste Mika Sosna erst einmal googeln und war dann sofort neidisch, als ich die Bilder sah: Was für ein Modellathlet!“

30 Stunden Training pro Woche neben dem Beruf her? „Ja, natürlich!“

Leistungssportler sind eben immer auch Vorbilder für die Gesellschaft. Das hat bei der TSG Bergedorf zu einem Umdenken geführt. Der Großverein mit rund 11.000 Mitgliedern engagiert sich heute stärker für seine Top-Athleten als das noch zu den Zeiten von Ingo Schultz vor 20 Jahren der Fall war. Eine Entwicklung, die der Vorsitzende Boris Schmidt gerade mit Blick auf die Erfolge von Sosna ausdrücklich begrüßt: „Wenn wir uns als TSG in so einem Fall nicht engagieren, wer dann?“

Dass die Sportlerinnen und Sportler eine entsprechende Leistung dagegen setzen, machte die Para-Triathletin Neele Ludwig deutlich, die ihren Trainingsaufwand pro Woche auf „30 bis 35 Stunden“ bezifferte. Auf die vorsichtige Nachfrage, ob sie denn daneben auch noch einen Beruf schaffen würde, sorgte die Antwort „Ja, natürlich!“ der Kinderkrankenpflegerin für ungläubiges Staunen in der Runde.

Am 5. August wird es für Mika Sosna bei Olympia in Paris ernst

Mika Sosna hat die Eliteschule des Sports in Wandsbek besucht und ist jetzt als Sportsoldat für den Leistungssport freigestellt, so wie viele deutsche Topathleten in Paris. Im Trainingslager von Kienbaum – dem sogenannten „Pre Camp“ – geht es nach der harten Arbeit der vergangenen Wochen nun nur noch um Details. „Wir arbeiten jetzt nur an technischen Feinheiten, vor allem daran, beim Abwurf die maximale Geschwindigkeit zu erreichen“, erläutert er.

Auch interessant

Am 5. August wird es ernst. Dann steht in Paris die Qualifikation im Diskuswurf an (10 Uhr). „Ich werde von Anfang an volles Risiko gehen müssen, denn ich habe nicht die Konstitution, um mit einem Sicherheitswurf das Finale zu erreichen“, blickt Sosna voraus. Gelingt das, geht es für den Bergedorfer am 7. August ab 20.25 Uhr in Finale um die Medaillen. Die Paralympics mit Neele Ludwig folgen dann ab 28. August. Die guten Wünsche ihres Heimatvereins werden beide begleiten.