Hamburg. Neun-Meter-Boot aus China liegt eigentlich auf der Bille, wurde nun in Allermöhe flott gemacht. Was es mit dem Schiff auf sich hat.

Bootseignerin Sylvia Unger arbeitet im Blaumann an einem hölzernen Küstensegelboot, unterstützt von Bootsbaumeister Andreas Klier aus Spadenland. Gekonnt greift die 63-Jährige zur Metallkanne mit flüssigem Teer. Mit dem Rücken auf einer alten Matratze unter dem aufgebockten Rumpf des Schiffes liegend, berichtet sie: „Wir haben das Unterbodenschiff gereinigt, jetzt bessere ich die Stöße und Fugen der Unterwasserplanken mit dem flüssigen, traditionellen Heißteer aus.“

Rücken und Knie bereiten ihr mitunter Probleme, da ist die Unterstützung durch die Matratze, die Werftbetreiberin Claudia Ehlebracht angeboten hatte, eine angenehme Entlastung.

„Tsingtao“: Die einzige Dschunke auf Hamburgs Gewässern

Bei dem Boot handelt es sich um die Dschunke „Tsingtao“, die vor mehr als 60 Jahren in Hongkong gebaut worden ist. Der Name steht für eine chinesische Hafenstadt, in der auch das gleichnamige Bier gebraut wird.

An der Dschunke ist nun für mehrere Tage auf der Allermöher Werft herumgewerkelt worden. Das Holzboot ist ein seltener Anblick in diesen Breitengraden: Es dürfte sich um die einzige Original-Dschunke handeln, die auf Hamburger Gewässern schippert.

Affinität zur Schifffahrt setzte sich in ihrem Leben fort

Während Sylvia Unger an den Teakholz-Planken Reste von Muscheln entfernt – „die mag ich nicht, die stinken immer so“ –, kommt sie ins Erzählen: „Nach meinem Abitur war ich 1981 für fast ein Jahr in Hongkong, da habe ich auf Schiffstouren viele solcher Boote gesehen.“

Die Affinität zur Schifffahrt setzte sich in ihrem Leben fort: Als kaufmännische Angestellte arbeitete sie erst bei dem Schiffsausrüster Schmeding, später bei A. W. Niemeyer, der nach einer Insolvenz sein Geschäft jedoch schließen musste.

Die Galionsfigur der Dschunke ist ein von Sylvia Unger restaurierter Drachenkopf.
Die Galionsfigur der Dschunke ist ein von Sylvia Unger restaurierter Drachenkopf. © Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Sylvia Unger, die größtenteils in Bad Pyrmont aufgewachsen ist, bezeichnet Hamburg als ihre Wahlheimat. Aktuell ohne Job, kann sie viel Zeit auf und in ihrer Dschunke verbringen, die sie 1991 gekauft hat: „Das war ein Zufall. Ich habe eine Anzeige in einer Fachzeitschrift gesehen und sofort zugegriffen.“ Sie habe damals „viel zu viel bezahlt“, weil sie „zu jung und unerfahren“ gewesen sei.

Die Dschunke wurde per Schiff von Hongkong nach Hamburg transportiert

Natürlich hatte sie recherchiert und erfahren, dass sie der fünfte Eigner der „Tsingtao“ ist, die 1960 in Hongkong auf der Werft Ho Sang gebaut und von einem Händler in den 1970er-Jahren als Deckfracht nach Hamburg gebracht worden war.

Mühsam befreit Sylvia Unger das Unterbodenschiff der Dschunke von Muschelresten.
Mühsam befreit Sylvia Unger das Unterbodenschiff der Dschunke von Muschelresten. © Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Das Boot ist neun Meter lang, 3,20 Meter breit und wiegt etwa sechs Tonnen. Die alten Segel von Groß- und Fockmast besitzt es noch, aber der alte Mast ist hinüber. „Ich habe das Schiff nie gesegelt, sondern fahre mit einem 22-PS-Dieselmotor und einer dreiflügeligen 13-Zoll-Schraube sowie dem immer noch historischen Ruderblatt“, sagt die stolze Eignerin und fügt hinzu: „Das Boot kommt trotz der geringen Motorisierung gut gegen die Elbströmung an.“

Wunderschöne alte Schriftzeichen und zwei geschnitzte Drachen steuer- und backbords zieren die Dschunke. Die Galionsfigur ist natürlich auch ein Drachenkopf.

Eignerin Sylvia Unger investiert viel Arbeit in ihr Boot, übernachtet im Sommer darauf

„Bei meinem Vorbesitzer waren die Figuren in Blau gehalten, doch ich habe die alte Farbe entfernt und konnte tatsächlich noch Reste der Originalfarbe entdecken. Entsprechend dieser Farben habe ich die Figuren restauriert. Die kalligrafischen Schriftzeichen, die den Namen Tsingtao darstellen, habe ich selbst in das Holz eingebracht, das war recht knifflig“, erläutert die 63-Jährige.

Werftbetreiberin Claudia Ehlebracht (links) mit Bootseignerin Sylvia Unger und Bernd Scheffel, einem weiteren Bootseigentümer, bei einer Kaffeepause auf der Werft Allermöhe.
 
Werftbetreiberin Claudia Ehlebracht (links) mit Bootseignerin Sylvia Unger und Bernd Scheffel, einem weiteren Bootseigentümer, bei einer Kaffeepause auf der Werft Allermöhe.   © Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Die Kajüte ist etwa zwölf Quadratmeter groß. Sylvia Unger übernachtet dort im Sommer häufiger. Ansonsten lebt sie in einer Wohnung in Tespe (Niedersachsen) an der Oberelbe. „Mit der ,Tsingtao‘ liege ich meist auf der Bille bei der Braunen Brücke in Rothenburgsort. Da kennt mich jeder“, sagt die erfahrene Bootsführerin und lacht. Sie verfügt natürlich über alle erforderlichen Patente, wie Bootsführerschein Binnen und See sowie einen Funkschein.

In Allermöhe wird das durch eine Havarie beschädigte Unterschiff wieder flott gemacht

Die Dschunke nutzt die Tesperin nur privat, zu ihrem eigenen Vergnügen, obgleich sie auch schon über eine gewerbliche Nutzung nachgedacht hat. „Aber das habe ich dann wieder verworfen. Es gibt zu viele Auflagen, und das macht es recht kompliziert“, sagt sie. Gern fährt Syvia Unger alleine oder auch mit ihrem Lebensgefährten nach Berlin und Brandenburg. Zur Müritz würde sie auch gern mal reisen, aber der oftmals niedrige Tidenstand der Elbe hindere sie daran. Ihr größtes Wunschziel für die Zukunft: „Frankreich und die Niederlande.“

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Doch vorerst muss das durch eine leichte Havarie defekte Unterschiff repariert werden. Zudem ist die an Backbord angebrachte Holzverzierung mit dem gemalten Drachen in der Aufhängung morsch und muss ebenfalls erneuert werden.

Eignerin möchte ihr besonderes Holzboot auch in Zukunft in guten Händen wissen

Eignerin Sylvia Unger ist stolz auf ihre Dschunke aus Hongkong: „Ich habe in den vergangenen 33 Jahren schon viele Tausend Stunden am Boot gearbeitet, damit es so schön aussieht. Sollte ich es jemals abgeben, würde ich mir wünschen, dass es beispielsweise in einem Museum oder von einer Stiftung in Ehren gehalten wird.“